Unvermögen oder salafistische Sabotage?

In der Türkei hat man antike Mosaiken so dilettantisch restauriert, dass der Fall jetzt untersucht wird

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Mosaiken sind Bilder, die man aus verschiedenfarbigen Steinen klebt. Diese Kunst gelangte im Römischen Reich zu ihrer Blüte. Besonders eindrucksvolle Mosaiken sind auf dem Gebiet des ehemaligen Ostrom erhalten, das heute zum großen Teil zur Türkei gehört.

Wenn Mosaiken restauriert werden, gelingt das im Regelfall so perfekt, dass höchstens Experten einen Unterschied zu vorher erkennen. Bei zehn Mosaiken die unlängst in einem Museum im türkischen Antakya (dem biblischen Antiochien) restauriert wurden, ist das anders: Hier fällt der Unterschied selbst Laien sofort ins Auge, weil die Arbeiten so grotesk misslungen sind, dass man die Gesichter der Figuren teilweise kaum als solche erkennt.

Mosaik vor und nach der Restaurierung

Unter den Restaurierungsopfern befinden sich mit einem Bildnis des Narziss und einer Darstellung der Opferung Isaaks auch zwei relativ bekannte Kunstwerke. Den Fall öffentlich machte der Restaurator Mehmet Daşkapan, der eine Lokalzeitung informierte. Seiner Meinung nach wurden nicht nur in größerem Maßstab Steine an die falsche Stelle gesetzt - es sind offenbar auch welche verschwunden.

Nachdem die Berichte von überregionalen Medien aufgegriffen wurden, rief Mustafa Bozdemir, der stellvertretende Leiter der Abteilung für Museen im türkischen Kulturministerium, eine Untersuchungskommission ins Leben, die den Schaden aufklären soll. Diese Untersuchungskommission ordnete als ersten den Stopp aller weiteren Restaurierungsarbeiten an, damit nicht noch weitere Kunstwerke beschädigt oder zerstört werden.

Nun wird darüber spekuliert, ob die Verunstaltungen noch alleine durch Unfähigkeit erklärbar sind, oder ob absichtliche Sabotage dahintersteckt. Denkbar wäre zum Beispiel, dass heimliche Salafisten Abbildungen von Figuren aus Religion und Mythologie, die sie (anders als im IS-Kalifat) nicht offen zerstören dürfen, so deformierten, dass sie nicht mehr menschlich wirken.

Dass jedoch auch hinter grotesk verunstalteten Restaurierungen nicht unbedingt böse Absicht stecken muss, zeigt ein Fall aus Borja, der 2012 weltweites Aufsehen erregte. In der nordspanischen Stadt hatte eine ältere Frau ein Jesusbild so verpinselt, dass es anschließend aussah wie die Darstellung eines Monchichi-Äffchens mit Down-Syndrom.

Die humorvollste Erklärung für die veränderten Mosaiken fand der Karikaturist Selçuk Erdem: Er fragte sich auf Twitter, ob die Restauratoren die Figuren vielleicht dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan ähnlicher machen wollten. Ob sein Scherz Folgen haben wird, ist noch offen: Im März wurden die Karikaturisten Bahadır Baruter und Özer Aydoğan, die ebenso wie Erdem für die Wochenschrift Penguen arbeiten, zu elf Monaten und zwanzig Tagen Haft verurteilt, weil sie einen Cartoon gezeichnet hatten, in dem sich Erdoğan über seine "langweilige" Amtseinführungszeremonie beschwert und meint "man hätte wenigstens einen Journalisten opfern können". Die Haftstrafen wurden später in Geldstrafen von umgerechnet jeweils 2.500 Euro umgewandelt.

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