Venezuela: Wahlbehörde lässt Prüftermin verstreichen

Wurde wegen seiner polnisch-jüdischen Abstammung von regierungsnahen Medien als "zionistischer Agent" angegriffen: Henrique Capriles. Foto: The Photographer. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Präsident Maduro verlängert Ausnahmezustand um weitere 60 Tage und kündigt Militärmanöver an

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In Venezuela hat die Wahlbehörde Consejo Nacional Electoral (CNE) den gesetzlich vorgesehenen Termin für die Prüfung von Unterschriften für eine Referendum zur Absetzung des Präsidenten Nicolás Maduro verstreichen lassen. Das Wahlbündnis Mesa de la Unidad Democrática (MUD), das seit Dezember fast eine Zweidrittelmehrheit im Parlament hat, aber nicht die Regierung der Präsidialrepublik stellt, hatte am 3. Mai 1,85 Millionen Unterschriften abgegeben. Sind sie alle gültig, dann hätte MUD innerhalb der vorgeschriebenen 30 Tage fast dreizehn Mal so viele Unterschriften gesammelt, wie nötig wären, um die zweite Stufe des Volksbegehrens einzuleiten. MUD-Generalsekretär Jesús Torrealba sprach sogar von insgesamt zweieinhalb Millionen geleisteter Unterschriften, von denen nicht alle abgegeben worden seien (vgl. Venezuela: 1,85 Millionen Unterschriften für Amtsenthebung des Präsidenten).

Nach dem folgenlosen Verstreichen des Prüftermins meinte Torrealba bei einer Demonstration von Regierungsgegnern in Carracas, nun gehe "das Volk auf die Straße", und es werde "nicht innehalten, bis es ein Referendum gibt." Maduro nannte er einen "verzweifelten Präsidenten, der sich an den Rand der Legalität und Verfassungsmäßigkeit begibt". Henrique Capriles, der Gouverneur des Bundesstaates Miranda, der 2013 die Präsidentschaftswahl gegen Maduro knapp verlor, ergänzte, sollten der Präsident und seine Parteigenossen "den demokratischen Weg versperren", dann wüssten er und seine politischen Freunde "nicht, was passiert", denn das Land sei "eine Bombe, die jeden Moment explodieren kann".

Werden ausreichend Stimmen als gültig gewertet, können die Gegner Maduros in einem zweiten Schritt etwa vier Millionen Unterschriften sammeln, damit die Bürger tatsächlich über die Absetzung des Präsidenten abstimmen können. 2005 scheiterte ein solches Referendum zur Absetzung von Maduros Vorgänger Hugo Chávez, der 2013 an Krebs starb. Damals stimmten die Venezolaner mit 59,25 Prozent für den Verbleib von Chávez im Amt.

IWF erwartet bis zu 720 Prozent Inflation

Der ehemalige Oberstleutnant war allerdings deutlich charismatischer als der ehemalige Busfahrer Maduro, weshalb man nicht unbedingt von einer Wiederholung dieses Ergebnisses ausgehen kann. Außerdem hat sich die wirtschaftliche Lage in Venezuela in den letzten elf Jahren deutlich verschlechtert: Das Bruttoinlandsprodukt ging 2015 um etwa zehn Prozent zurück. Die Inflationsrate, die im letzten Jahr bei über 140 Prozent lag, könnte dieses Jahr nach Schätzungen des IWF 720 Prozent erreichen. Und die Mordrate in der Hauptstadt ist die höchste der Welt.

Hinzu kommen sich wiederholende Energiekrisen während der Trockenzeit, die dieses Jahr sogar dazu führten, dass die Arbeitswoche im öffentlichen Dienst auf zwei Tage verkürzt wurde (vgl. Venezuela: Zweitagewoche für den öffentlichen Dienst). Dass der Strom immer wieder knapp wird, liegt daran, dass das Land bei der Stromproduktion fast ausschließlich auf große Wasserkraftwerke setzte und private Photovoltaikanlagen praktisch nicht existieren.

Da die Regenzeit in Venezuela im Mai beginnt, hoffen Maduro und seine Parteigenossen darauf, dass sich mit der Wiederbefüllung der Stauseen auch die Stimmung in der Bevölkerung bessert. Ob das der Fall sein wird, ist fraglich. Die Probleme gehen nämlich weit über die Energieversorgung hinaus: Vor einigen Wochen stellte sogar die Polar-Brauerei die Bierproduktion ein und begründete das damit, dass nicht genügend Devisen zum Import von Braugerste zur Verfügung stünden. Regierungspolitiker kritisierten das als Vorwand, wussten aber keine Abhilfe.

Maduro kündigt Manöver an

Am Pfingstwochenende verlängerte Maduro den seit Januar geltenden wirtschaftlichen Ausnahmezustand um weitere 60 Tage und verlautbarte auf einer Veranstaltung vor seinen Anhängern, die Produktion würde "von der Bourgeoisie gelähmt" und "sabotiert", weshalb man diese festnehmen und ins Gefängnis stecken müsse. Außerdem kündigte er Militärmanöver an und warnte, Venezuela müsse sich "auf alle Szenarien" vorbereiten - zum Beispiel auf einen Einmarsch von Alvaro Uribe aus Kolumbien (der dort allerdings schon seit sechs Jahren nicht mehr Präsident ist).

Beobachter des politischen Geschehens in Lateinamerika befürchten deshalb, dass ein in die Enge getriebener Maduro zu dem Mittel greifen könnte, das Frank Underwood aus der Serie House of Cards am Ende der vierten Staffel in den Sinn kommt: Mit der Kriegsangst spielen oder einen Krieg ausrufen.

Die gestern verkündeten neuen Befugnisse der Regierung im wirtschaftlichen Ausnahmezustand beinhalten unter anderem die Vollmacht, Lebensmittel zu rationieren und Firmen einfacher zu enteignen. Darüber hinaus sollen "Bürgerwehren" Armee und Polizei "bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung" helfen.

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