Venusblumenkörbchen als Lichtwellenleiter

Tiefsee-Schwamm als biologisches Vorbild für Glasfaserkabel

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Ein internationales Forscherteam berichtet in der aktuellen Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature von einer schönen Entdeckung:

Der Schwamm Euplectella oder Venusblumenkörbchen, Bild: Universita degli studi di Firenze

Die Tiefsee ist groß in Mode in der Biomimetik, die es sich zum Ziel gesetzt hat, biologischen Forschung in technische oder medizinische Anwendungen umzusetzen. Das Prinzip ist die Nachahmung der natürlichen Strategien von Pflanzen und Tieren (vgl. Kompetenznetz Biomimetik). Vor zwei Jahren entdeckten Wissenschaftler die erstaunlichen Skelettaugen der in Korallen und Schwämmen lebenden Schlangensterne als Vorbilder für Mikrolinsen-Arrays (vgl. Sternenaugen).

Schwämme, bzw. "Molekulare Biotechnologie und Wirkstoffe mariner Schwämme sowie Schwamm-assoziierter Mikroorganismen" sind der Schwerpunkt des Kompetenz-Zentrums BIOTECmarin, einem Verbund zur Erforschung vor allem der vielfältigen Arzneisubstanzen, die diese Meerestiere enthalten.

Vikram C. Sundar, John L. Garzul, Johanna Aizenberg von den Bell Laboratories, Andrew D. Yablon von den OFS Laboratories in New Jersey und Micha Ilan von der Tel Aviv University haben sich nun mit den strukturellen Eigenschaften des Schwamms Euplectella beschäftigt, der auf Deutsch Gießkannenschwamm oder Venusblumenkörbchen heißt. Sein Fuß haftet am Boden der Tiefsee, bis zu 5000 Metern unter der Wasseroberfläche. Schwammtauchern in Japan und auf den Philippinen finden ihn aber auch in ca. 40 Meter Tiefe. Er wird oft herauf geholt, weil er als Dekoration und Talisman populär ist.

Venusblumenkörbchen werden Paaren als Glücksbringer zur Hochzeit geschenkt, denn der Schwamm dient den Shrimps als Hochzeitszimmer: sie schwimmen hinein und bleiben darin, bis sie durch das Wachstum des Wirtes vollkommen eingeschlossen sind, sozusagen hinter Gittern sitzen. Als Gefangene verbringen sie hier gut geschützt ihr Leben zu zweit; erst ihre Jungen sind wieder winzig genug, um hinaus zu schwimmen.

Gebogen wie die Scheide eines orientalischen Krummdolches besteht das Skelett des Euplectella aus Siliciumdioxid-Nadeln, die ein filigranes, netzartiges Geflecht bilden. Dieser Glasschwamm ist ein Meister der Biomineralisation, seine Skelett-Nadeln (Spiculae) sind normalerweise zwischen 5 und 15 cm lang und haben einen Durchmesser von 40-70 Mikrometern, das entspricht in etwa einem menschlichen Haar. Das Team um Sundar untersuchte nun die innere Beschaffenheit der Nadeln genau und stellte fest, dass sie aus drei unterschiedlichen Schichten bestehen. Ein Kern aus purem Siliciumdioxid mit einem Durchmesser von nur 2 Mikrometern rund um einen organischen Faden wird von einem zentralen organischem Zylinder umschlossen, der wiederum in eine vielschichtige Schale eingebettet ist.

Dieser Aufbau erinnert sehr an die Glasfasertechnik, ist ihr aber deutlich überlegen. Die Forscher schreiben dazu:

Moderne Technologie kann mit einigen der hoch entwickelten optischen Systemen biologischer Organismen noch nicht mithalten. Hier zeigen wir, dass die Skelettnadeln des Tiefseeglasschwamms Euplectella bemerkenswerte Lichtwellenleiter-Eigenschaften haben, die denen der kommerziellen Telekommunikations-Glasfasern überraschend ähnlich sind - nur, dass sich die Nadeln unter normalen Umweltbedingungen selbst formen und gegenüber den vom Menschen geschaffenen Versionen einige technische Vorteile aufweisen.

Die Nadeln des Venusblumenkörbchen sind aus dem gleichen Material und haben vergleichbare Dimensionen wie die technischen Lichtwellenleiter. Das Prinzip dieser Form der Datenkommunikation ist einfach: elektrische Signale werden in Lichtimpulse umgewandelt und mithilfe von Lichtleitfasern über weite Distanzen transportiert.

Der Schwamm kann einiges mehr als ein technisches Gegenstück. Er hat bessere optische Eigenschaften, die er zum Beispiel durch die Einbettung von Natrium-Ionen erreicht. Er ist sehr viel biegsamer, es ist sogar möglich, in eine seiner natürlichen Fasern einen Knoten zu machen, ohne das sie zerreißt oder zerbricht. Und das alles schafft der verblüffende organische Organismus in der Kälte und Dunkelheit der Tiefsee. Es wäre auch möglich, dass der Glasschwamm fähig ist, seine unwirtliche Umgebung zu illuminieren.

Die Natur ist der beste Designer, stellen Sundar und seine Kollegen fest. Sie versprechen sich von den neuen Einblicken in die Struktur dieses biologischen Lichtwellenleiters Verbesserungsansätze für die Lichtwellentechnologie:

Dieser leuchtende Schwamm wirft Licht auf von der Biologie inspirierten Prozesse bei niedrigen Temperaturen und könnte dadurch zur Verbesserung von Lichtwellenleiter-Materialien und -netzwerken beitragen.