Verbände protestieren gegen Jugendschutzgesetzgebung

In einem Brief an die Ministerpräsidenten beklagen dmmv, eco und VATM gemeinsam die drohende Überregulierung durch den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag

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In einem Brief an die Ministerpräsidenten der Länder, der Telepolis vorliegt, untermauern der Deutsche Multimedia Verband (dmmv), der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco sowie der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) gemeinsam ihre Bedenken gegen den geplanten Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV).

Sie kritisieren grundsätzlich, dass der vorliegende Entwurf "nicht hinreichend die technischen Gegebenheiten und Besonderheiten des Mediums Internet berücksichtigt" und sich in weiten Teilen unreflektiert am Rundfunk orientiere. Dadurch würden "unerfüllbare Anforderungen an unsere Mitglieder normiert, die nicht nur eine erhebliche Rechtsunsicherheit und wirtschaftliche Belastung bedeuten würden, sondern letztendlich auch den angestrebten effektiven Jugendmedienschutz nicht gewährleisten können." Alexander Felsenberg, Geschäftsführer des dmmv, erklärte gegenüber Telepolis, dass die Anbieterfreiheit im Internet nicht erneut zur Disposition stehen dürfe. "Eine generelle Verpflichtung zur Vorabkontrolle von Inhalten ist bei der Vielzahl der Inhalte und ihrer Aktualität nicht möglich."

Als besonders problematisch betrachten die verbündeten Verbände die nicht sachgerechte Definition des Begriffs "Anbieter" von Telemedien. Sie befürchten, dass nach dem jetzigen Wortlaut auch Zugangsanbieter "zur Gewährleistung und Durchsetzung der Maßnahmen des Jugendschutzes verpflichtet" wären - obwohl diese lediglich Datenpakete transportieren, deren Inhalte sie nicht kennen. Betroffen wären auch Host-Provider wie 1&1 Puretec, die einem Millionenpublikum ohne inhaltliche Nachfragen den benötigten Speicherplatz für fremde Inhalte zur Verfügung stellen. Die undifferenzierte und unverhältnismäßige Inanspruchnahme Provider widerspreche den anerkannten Verantwortlichkeitsregeln, wie sie etwa im Teledienstegesetz (TDG) oder der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr der EU vorgesehen sind.

In einer Anlage zu dem Schreiben dringen die Verbände daher auf eine gesetzliche Klarstellung, wie sie Netzexperten der rot-grünen Fraktion "zumindest ansatzweise" noch in das bereits verabschiedete Jugendschutzgesetz des Bundes eingefügt hatten.

Die Geschäftsführer der drei Verbände, die den Brief unterzeichnet haben, bitten die Ministerpräsidenten, den Entwurf "noch einmal grundlegend für den Bereich der 'Telemedien' zu überarbeiten." Verbunden ist der Wunsch mit der nachdrücklichen Warnung, dass der Staatsvertrag nicht zu realisierende Anforderungen normieren würde. Das Machwerk der Länder, bei dem sich die Wirtschaft im Gegensatz zur Bundesgesetzgebung 16 Verhandlungspartnern gegenüber stehen sieht, wird von den Ministerpräsidenten gerade abschließend beraten. Es soll gemeinsam mit dem Pendant der Bundesregierung baldmöglichst in Kraft treten. Protest eingelegt hatten Verbände auch bereits gegen die von den Ländern geforderte "Zertifizierung" von Selbstkontrolleinrichtungen.

Auf einem Workshop hatten sie eigene Lösungsvorschläge präsentiert, die sich vor allem auf die Filtertechnik der Internet Content Rating Association (ICRA) konzentriert. Die Wirtschaft muss sich bei diesem Ansatz allerdings ebenfalls mit unterschwelligen Zensurvorwürfen auseinandersetzen. Zudem erfüllt ICRA noch nicht alle im JMStV enthaltenen Vorschriften im Wortlaut, da die Filterklassifizierung keine Einteilung der Inhalte in Altersgruppen vorsieht.

Mehr zum Thema Jugendschutzgesetzgebung in der aktuellen c't, Nr. 14/2002.