Vereinte Nationen und EU auf Gentech-Kurs

Während in Brüssel das Gentech-Moratorium fällt, setzt die UN auf Biotechnologie im Kampf gegen den Welthunger

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Im Kampf gegen Hunger und Unterernährung forcieren die Vereinten Nationen den Einsatz von Grüner Gentechnik. Das geht aus dem am Montag in Rom veröffentlichten Jahresbericht der UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO) hervor. Auch die EU-Kommission bewegt sich auf Genfood-Kurs. Nachdem sich die EU-Agrarminister nicht einigen konnten, wird am Mittwoch die EU-Kommission den umstrittenen Bt11-Genmais zum Import zulassen.

Noch immer leiden Millionen Menschen an Hunger und Unterernährung, hält FAO Generaldirektor Jacques Diouf in einer Aussendung fest. In den nächsten dreißig Jahren müssten zusätzlich zwei Milliarden Menschen ernährt werden. Die Biotechnologie sei deshalb für die Landwirtschaft in Entwicklungsländern äußerst vielversprechend, so die UN-Organisation.

Gentechnisch veränderte Pflanzen könnten armen Bauern in der Dritten Welt zu erheblichen Steigerungen ihrer Ernten verhelfen. In den wenigen Entwicklungsländern, in denen transgene Anbaupflanzen eingeführt worden seien, hätten kleine Landwirte gewonnen. Der Gebrauch giftiger Chemikalien sei zurück gegangen. Als einziges Beispiel dafür führt die Organisation allerdings nicht eine Pflanze an, die letztlich zu Lebensmittelzwecken verarbeitet wird, sondern insektenresistente Baumwolle. Gentech-Baumwolle hätte kleineren chinesischen Bauern zu Ertragssteigerungen verholfen und außerdem den Pestizideinsatz erheblich verringert.

Dass GMOs mögliche Risiken für Umwelt und Gesundheit bergen könnten, bestreitet auch die UN-Organisation nicht und plädiert deshalb für eine sorgfältige "case by case"-Prüfung. Betont wird außerdem, dass sich Biotechnologie nicht nur in den GMOs erschöpft. Gentech solle die landwirtschaftlichen Technologien lediglich ergänzen, keineswegs aber den konventionellen Anbau ersetzen. Völlig unberührt belässt die FAO allerdings die Fragen der Verteilungsproblematik und politische Lösungsansätze zur Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung in Entwicklungsländern.

Verschnupft auf die FAO-Aussagen reagierten wenig überraschend Umweltorganisationen wie Greenpeace:

Wenn nun Vertreter der Welternährungsorganisation FAO erklären, dass 'Biotechnologie, einschließlich gentechnischer Veränderungen, den Armen nutzen kann', sind sie offenbar auf die Versprechen der Gentech-Konzerne hereingefallen. Doch das sind falsche Versprechen, vor denen sich selbst die Betroffenen aus den so genannten Entwicklungsländern verwahren.

Die Umweltaktivisten verweisen darauf, dass sich bereits 1998 alle afrikanischen Staaten, mit Ausnahme von Südafrika, gegen die Gentech-Industrie gestellt hätten. Beklagt wurde damals, dass die Industrie Arme und Hungernde missbrauchen würde, um Gentechnik salonfähig zu machen. Sambia hätte Oktober 2002 sogar beschlossen, genmanipulierten Mais als Hungerhilfe zurückzuweisen. Sambia fiel diese Entscheidung aufgrund massiver Bedenken, die ein internationales Forscherteam vorgebracht hatte. 2003 einigten sich vierzehn südafrikanische Staaten auf gemeinsame Richtlinien im Umgang mit GMOs. Gentechnisch veränderte Nahrungsmittelhilfe aus dem Ausland muss nun gemahlen oder fortpflanzungsunfähig gemacht werden.

Tatsächlich gibt es Beispiele, die belegen, dass Erntesteigerungen in einem Land keineswegs notwendig zur Linderung des Hungers der Bevölkerungsmehrheit beitragen. Argentinien stieg seit der Zulassung von Genpflanzen - Mitte der Neunziger-Jahre - zu einem der weltweit größten Gensoja-Produzenten auf. Das Meiste wird allerdings als Tierfutter exportiert. Die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung hat sich aber vor dem Hintergrund der politischen Situation massiv verschlechtert (Verhungert in der Kornkammer). Für Umweltschützer gibt es dahingegen genügend Beispiele für erfolgreiche alternative Entwicklungshilfe-Projekte, die zur Verbesserung der Ernährungslage in ärmeren Ländern beigetragen hätten. Und zwar auf Basis konventioneller oder sogar biologischer Landwirtschaftsmethoden.

Indessen schreitet auch im Wohlstands-Europa trotz Nahrungsmittelüberproduktion die Grüne Gentechnik munter voran. Wie zu Wochenbeginn bekannt geworden, will die EU-Kommission noch am Mittwoch den umstrittenen Bt11-Genmais der Schweizer Firma Syngenta zum Import zulassen. Damit wäre das seit 1998 bestehende Gentech-Moratorium de facto gefallen (Das Gentech-Moratorium der EU läuft aus). Für die österreichische Umweltschutzorganisation Global 2000 kommt das einem schweren Sündenfall gleich, zumal der Bt11-Antrag mehrfach mangelhaft sei.

Die Gutachten, auf die sich die EU-Kommission beruft sind wissenschaftlich nicht haltbar. Die Risikobewertung ist katastrophal. Tests, die chronische Effekte wie Krebs oder die Schwächung des Immunsystems ausschließen, fehlen gänzlich. Für Bt11-Mais wurden nur Kurzzeituntersuchungen durchgeführt. Diese Risikobewertung entspricht dem Stand des Jahres 1930.

Gentech-Experte Werner Müller

Bt11-Mais wird erst der Anfang einer Reihe von Neuzulassungen sein. Denn derzeit warten bereits über dreißig verschiedene GVO-Produkte auf ihre Zulassung in der Union. Ein Drittel davon soll auch angebaut werden. Mit der neuen Gen-Kennzeichnungspflicht hat der Konsument zumindest beim Einkauf die Wahl. Werden GVOs allerdings als Futtermittel verwendet, so wird das dem Konsumenten nicht ersichtlich. Die Verfütterung muss in der konventionellen Landwirtschaft nämlich nicht dokumentiert werden.