Verhandeln mit Iran als Atommacht?

Der IAEA-Bericht bringt Iran und den Westen in die Klemme

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Nach Tagen hitziger Spekulationen über Konsequenzen aus dem neuen Bericht der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) über das Nuklearprogramm Irans, der in Teilen von Insidern wiedergeben wurde, ist das Dokument samt brisantem Annex nun veröffentlicht. Die Frage, ob Iran an einer Nuklearwaffe baut, wird darin nicht eindeutig beantwortet. Allerdings heißt es in dem Bericht auch, dass die IAEA nicht imstande ist, "glaubhaft zu versichern", dass Iran nukleares Material nur zu Forschungszwecken einer friedlichen Nutzung verwendet. Man habe im Gegenteil "schwerwiegende Sorgen angesichts möglicher militärischer Dimensionen".

Anders als frühere IAEA-Berichte rückt dieser die mögliche militärische Dimension in den Mittelpunkt. So heißt es denn auch, dass das Bedeutsame der Erkenntnisse genau darin liege, dass sie auf ein mögliches paralleles Programm neben der Arbeit an der zivilen Nutzung verweise. Ziel dieser verdeckten Aktivitäten sei es, spaltbares Material für einen nuklearen Sprenkkopf zu produzieren.

Zu Fragen der Glaubwürdigkeit der Vorwürfe wird ein eigener Punkt im Anhang eingeräumt. Angeführt werden 1000 Seiten Dokumente, technische Berichte, Konstruktionszeichnungen, Grafiken aus Präsentationen, Korrespondenzen, Videos als Grundlage der Recherchen. Desweiteren wird herausgestellt, dass Geheimdienstinformationen aus zehn Mitgliedsländern die eigenen Erkenntnisse gestützt und vervollständigt hätten. Genannt werden u.a. Informationen über Reiseaktivitäten, Dokumente zu Finanztätigkeiten, zu Sicherheitsmaßnahmen und Gesundheitsschutz, Papiere über Herstellungstechniken von hochexplosiven Komponenten, sowie Dokumente, die auf Beschaffung von Material schließen lassen.

Keine stichhaltigen Beweise, aber viele Indizien

Der Anhang, der sich mit dem Nuklearwaffenprogramm auseinandersetzt und fast die Hälfte des Berichts ausmacht, ist gekennzeichnet von vielen Indizien, die einen Verdacht erhärten. Wann Iran soweit wäre, einen nuklearen Sprengkörper herzustellen, geht daraus nicht hervor. Schätzungen, die in der vergangenen Woche in Umlauf geraten sind, stammen allesamt von Experten außerhlab der IAEA. Unterstellt wird im Bericht, der durch die Fülle der Hinweise, den Eindruck von Sorgfalt erweckt, dass Iran trotz anderslautender Bekundungen, nukleares Material vor der IAEA verheimlicht und im Verborgenen anreichert:

The report says that Iran was steadily installing more equipment, for enriching uranium, at a highly fortified site dug under a mountain at Fordow. It said that 412 centrifuges had been installed in an underground chamber, and "a large cylinder" of low enriched uranium had also been transferred to the site, where Iran had said it intended to pursue higher levels of enrichment.

Nahegelegt wird der Verdacht, dass Iran - im Gegensatz zur Behauptung des US-Geheimdienstberichts von 2004 - seine Programme zur Herstellung nuklearer Waffen nicht aufgegeben hat, sondern unter anderen Namen, im Schutz anderer Institutionen, weiterführt. Dass an Zündmechanismen, Sprengköpfen und Testeinrichtungen geforscht und gearbeitet wird. Nachprüfbar ist das nicht so ohne weiteres. Die Aufklärung darüber, inwiefern die Vorwürfe stimmen, ist einerseits Sache von Experten - hier muss man auf Beurteilungen von unabhängigigen Institutionen hoffen - und zum anderen ein Politikum.

Iran selbst äußert, dass die Vorwürfe nicht der Wirklichkeit entsprechen, unhaltbar sind, politische Propaganda. Wie könnte die Reaktion in der Öffentlichkeit auch anders ausfallen, stimmen die Vorwürfe, so ginge daraus eindeutig ein Wortbruch hervor. Immer wieder hat der oberste Führer Khamenei betont, dass eine Antombombe nicht mit islamischen Werten im Einklang stehe und sein Land auschließlich an der zivilen Nutzung interessiert sei. Der Bericht stellt auch diese Äußerung, die mit dem besonderen Wahrhaftigkeitsanspruch eines religiösen Führers einhergeht, in die große Reihe von Wahrheitsverschleierung aus politischen Gründen.

Instrumentalisierung der IAEA?

Wochen vor der Veröffentlichung des Berichts wurden aber, von Seiten amerikanischer Publikationen, Hinweise laut, die einen Teil der iranischen Vorwürfe stützen: Dass die amerikanische Regierung Druck auf die Atomenergiebehörde und ihren Leiter Yukiya Amano ausüben würde. Man wollte, dass im neuen Bericht deutlicher als bisher auf Bestrebungen Irans eingegangen werde, Nuklearwaffen herzustellen. Vorwürfe, die von der IAEA kommen, sind für die USA in ihrer Konfrontation mit der islamischen Republik von besonderem Wert.

War es doch diese Behörde, die unter Leitung von El-Baradei sich bei den Vorbereitungen zum Irak-Krieg kritisch äußerte gegenüber den Unterstellungen der Bush-Regierung, der Irak würde über Massenvernichtungswaffen verfügen. Die bekannt gewordenen Manipulationen der vorherigen US-Regierung haben die Glaubwürdigkeit der USA stark untergraben, jeder Vorwurf Richtung Iran, der aus den USA kommt, ist von diesen Zweifeln angenagt. So gut der IAEA-Bericht die Glaubwürdigkeitslücke auffüllt, so nahe liegt die Möglichkeit, dass die USA ihre Interessen dort sehr stark an den Mann gebracht hat.

Zugeständnisse? Iran unter Druck

Doch liegt es auch an Iran, die Vorwürfe zu entkräften. Russland hat sich ausdrücklich gegen die Veröffentlichung des Anhangs ausgesprochen, weil dies eine weitere Kooperation mit Iran verhindern könnte. Chinas Interessen stehen ebenfalls dagegen, Iran weiter massiv Druck zu machen. Die Position Irans ist durch den Bericht sehr schwierig geworden. Der Beweis, dass man keinesfalls an einem militärischen Nuklear-Programm arbeite, ist nahezu unmöglich. Man kann nur auf Glaubwürdigkeit zählen. Durch den Bericht ist das internationalen Öffentlichkeit schwerer geworden. Und was ließe sich hinter geschlossenen Türen verhandeln?

Zugeständnisse, die von dort an die Öffentlichkeit gerieten, etwa die Einstellung der Anreicherung, würden in der iranischen Öffentlichkeit wahrscheinlich als Zeichen von Einknicken, das man sich leisten kann, verstanden. Der Konsens in der Bevölkerung über das Nuklearprogramm ist allen Anzeichen nach groß. Darüberhinaus würden solche Bekundungen das bereist geschürte Misstrauen nicht völlig entkräften. Dass sich Iran zu den konkreten detaillierten Vorwürfen, die auf Geheimdienstberichten und geschmuggelten Dokumenten, stichhaltig äußert, ist ebenso unwahrscheinlich.

Die Entwicklung einer "latenten Bombe"?

Nicht auszuschließen ist die Möglichkeit, dass Iran daran interessiert ist, die Fähigkeiten zum Bau eines Nuklearsprengkopfes zu haben, als Rückversicherung und als Abschreckungsmöglichkeit, wie manche Beobachter argumentieren. Das würde dann den Äußerungen nicht widersprechen, dass man keine Bombe baut, da man nur Pläne zum Bau fertigt. Die Indizien des Berichts, dass Testanlagen zum Test von Sprengkörpern entwickelt werden, widerspricht dem aber.

Doch auch die USA und ihre Verbündeten stecken in einer verzwickten Lage. Zwar werden durch den Bericht Ziele erreicht, die weitere Isolierung Irans (wenn auch das nur eingeschränkt), die Erhöhung des internationalen Drucks auf das Land. Aber wie soll das in konkrete Politik umgesetzt werden? Mit weiteren Sanktionen, wie man dies bereits ankündigt? Im UN-Sicherheitsrat wird dies gegen die Interessen Russlands und Chinas laufen, die engere Handelsbeziehungen mit Iran unterhalten.

Weitere Sanktionen gegen die iranische Zentralbank stehen deshalb erstmal nicht zur Debatte, das gilt auch für weitergehende Sanktionen gegen den Öl-und Gashandel mit Iran, so die jüngsten Nachrichten aus den USA. Ein Militärschlag gegen die Einrichtungen ist angesichts möglicher Konsequenzen eine Risiko, das niemand eingehen kann. Dem stünde auch entgegen, dass es die Arbeit an Nuklearwaffen nur verzögern könnte, aber nicht stoppen. Die Option mit größten realistischen Aussichten auf konstruktive Verhandlungen besteht nach Lage der Dinge darin, mit Iran als Atommacht zu verhandeln.