Verherrlichung des Terrorismus als Straftat

Die britische Regierung und ihr Antiterrorgesetz, die EU will ein Ein- und Ausreisesystem nach dem Vorbild des US Visit System einführen

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Wie viel Schilys Abschiedsgeschenk, der biometrische Pass, den Deutschen wirklich kosten wird, verrät möglicherweise sein Nachfolger Schäuble einmal. Auf jeden Fall war Deutschland wieder einmal Streberland und hat zuerst den biometrischen Pass eingeführt – um das Land angeblich vor Terroristen zu schützen, technisch an der Spitze zu stehen und den US-amerikanischen Forderungen zu Diensten zu sein. Die Bush-Regierung hat versucht, die Grenzen dichter zu machen und Ein- und Ausreisende mit dem US-Visit-System genauer zu überwachen. Obgleich der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs gerade festgestellt hat, dass die seit 2004 praktizierte Weitergabe von personenbezogenen Passagierdaten an die USA gegen die europäische Datenschutzrichtlinie verstößt, will nun auch die EU ein ähnliches Grenzsystem aufbauen.

Mehr als vieles andere scheint der britischen Ratspräsidentschaft an der Verschärfung der Antiterrormaßnahmen im eigenen Land und in der EU zu liegen. In Großbritannien will Blair mit dem neuen Terrorismus-Präventionsgesetz, das im Parlament, wenn auch mit Widerstand, verhandelt wird, die Frist, die Verdächtige ohne Anklageerhebung festgehalten werden dürfen, von 14 auf 90 Tage verlängern. Das Parlament wollte in der Lesung aber nur eine Erhöhung auf 28 Tage einräumen und hat damit der Blair-Regierung einen ersten Dämpfer versetzt, die weiterhin die 90 Tage retten will.

Bestraft werden soll die "Verherrlichung" des Terrorismus und auch Vorbereitungen auf terroristische Taten, beispielsweise Training, aber auch nur die Anwesenheit an einem Ort in Großbritannien oder irgendwo auf der Welt, an dem ein Training stattfindet. Selbst ein indirekter Aufruf zum Terrorismus soll Straftatbestand werden. Das Vertreiben von "terroristischen Publikationen", auch im Internet. Die Strafen, verschlüsselte Dateien nach dem RIP-Gesetz nicht den Strafverfolgern zugänglich zu machen, soll von bis zu zwei auf bis zu fünf Jahre Gefängnis angehoben werden. Abgehörte Telefongespräche sollen in Prozessen zugelassen werde.

Weiter will die britische Regierung Abschiebungen erleichtern, auch in Länder, in denen gefoltert wird. "Verherrlichung" des Terrorismus soll – wie etwa in Deutschland die Leugnung des Holocaust – unabhängig davon, wo die Äußerung gemacht wird, zu einem Straftatbestand werden.

Zugriff auf die Datenbanken

Unter der Ratspräsidentschaft Großbritanniens soll nun auch in der EU eine dem US-Visit-System (Die virtuelle Grenze) vergleichbare Kontrolle umgesetzt werden. Ebenso wie beim US-Visit-System sollen Bürger von Drittländern an den Grenzen bei der Ein- und Ausreise auch durch biometrische Merkmale identifiziert werden. Nach einem Vorschlag der britischen Regierung an das Strategic Committee on Immigration, Frontiers and Asylum soll wie in allen europäischen Pässen auch in allen nationalen Personalausweisen auf einem RFID-Chip mindestens eine digitalisierte Porträtaufnahme und digitale Abdrücke von zwei Fingern enthalten sein. Die Briten würden dies gerne über eine Vereinbarung der Regierungen durchsetzen und das Europäische Parlament und die Kommission außen vor halten.

Die Europäische Kommission steht nicht zurück und will "zur Unterstützung der Freizügigkeitspolitik und zur Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität" ein neues, EU-weites Ein- und Ausreisesytem schaffen. Unter anderem sieht es die "Einführung einer Regelung zur Erleichterung des Grenzübergangs für häufig die Grenze überschreitende Personen oder die Einrichtung eines europäischen automatisierten Fingerabdruck-Identifizierungssystems (AFIS)" vor. Damit sollen die bereits erfassten und gewissermaßen geprüften Ausländer (bona fide travellers), die regelmäßig die Grenze überqueren, beschleunigt abgefertigt werden können. Neu ist vor allem, dass auch die Ausreisen EU-weit erfasst werden sollen, um beispielsweise diejenigen zu erkennen, die im Visa gewährte Aufenthaltsdauer überschritten haben.

Überdies sollen alle Sicherheitsbehörden sowie Europol Zugriff auf das im Aufbau befindliche Visa-Informationssystem (VIS) erhalten, in dem ab 2007 alle Daten der in die EU-Einreisenden gespeichert werden sollen. Nach EU-Justizkommissar Franco Frattini sollen Routineabfragen aber nicht möglich sein. Teil von VIS ist Eurodac, also die Datenbank für Fingerabdrücke von allen Asylbewerbern über 14 Jahren in der EU, Island und Norwegen – Dänemark und die Schweiz sollen sich anschließen -, die seit 2003 aufgebaut wird. Letztlich geht es darum, VIS mit der Datenbank SIS II und Eurodac zu verbinden.