Verliert der Pate seine Heimat?

Vito Corleone heißt jetzt Richard Löwenherz

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Einst hatte der damalige Bürgermeister des sizilianischen Städtchens Corleone einen wütenden Brief an Mario Puzo, Autor des Buches "Der Pate", verfasst. Puzo habe unfairerweise weltweit das Klischee verbreitet, in Corleone schlage das Herz der Mafia.

Ein Klischee, welches das Nest bis heute nicht losgeworden ist und das um so böser ist, als es natürlich nie der Wahrheit entsprach. Zwar galt Corleone lange Zeit als eine der gewalttätigsten Städte der Welt, jedoch welche Stadt hat diesen Ruf nicht schon einmal gehabt? Von 1944 bis 1948 wurden in Corleone 153 Morde begangen, lächerlich wenig bei einer Bevölkerungszahl von unter 10 000 Einwohnern. 1953-58 verlor Corleone gerade mal 1,3 Prozent der Bevölkerung durch Mordtaten, ein statistischer Wert, auf den man in Bayern stolz wäre. Dass Cosa-Nostra Boss Toto Riina, "der Boss der Bosse", der für mehr als 1000 Morde verantwortlich sein soll und mehr als 20 Jahre von der Polizei gesucht wurde, aus Corleone stammt, beweist nichts, ebenso wenig wie die Gerüchte, dass der seit 40 Jahren gesuchte Bernardo Provenzano, der Don aller Dons, sich in der Nähe von Corleone versteckt, wie die Ermittler glauben. "Viele Bauern bei Corleone könnten uns sagen, dass er vor zehn Minuten vorbeigekommen ist. Aber sie tun es nicht", zitiert die Netzeitung einen Staatsanwalt in Palermo. Verleumdung? Wahrscheinlich. Der soll mal lieber die Bauern bei Palermo fragen...

[Don Corleone] had long ago learned that society imposes insults that must be borne, comforted by the knowledge that in this world there comes a time when the most humble of men, if he keeps his eyes open, can take his revenge upon the most powerful.

Mario Puzo: The Godfather

Man kann nichts machen: Das Wort "Corleonesi" wird seit gut 20 Jahren als Kürzel für den Brutalo-Flügel der Cosa Nostra missbraucht, dabei sollten damit eigentlich lediglich die Einwohner von Corleone bezeichnet werden. In den Alpen schlummert man in König-Ludwigs-Betten, während in Corleone der Tourist die beschlagnahmte Villa des Grizzaffi-Clans bewohnt, zitternd. Eine Händlerinitiative im Ort will nun den blutbefleckten Namen einfach wegwischen: "Manche Leute kommen einen weiten Weg aus Ländern wie Dänemark, nur damit sie sagen können, dass sie in einer Mafiastadt geheiratet haben. Als ein ehrenwerter Bürger kann ich diesen Unfug nicht länger tolerieren," so Antonio Di Lorenzo, Initiator der Aktion, gegenüber Reuters. Bürgermeister Nicolo Nicolosi hält die Unterschriftensammlung für "totalen Quatsch". Die Namensänderung von Corleone in "Cuor di Leone" (Löwenherz) sei "Wahnsinn". Dass der Ort berüchtigt ist, sei schließlich gut für die Berühmtheit.

Und da hat er Recht. Wer fährt denn noch mit einem wohligen Grusel die einstmals so legendäre Route 666 entlang, seit die Straße des Teufels in Route 491 umgetauft wurde (vgl. Die Zahl des Teufels)? Es wird lange dauern, bis alle Schilder ausgetauscht, Landkarten neu gedruckt sind und noch länger bis sich die Indianer und Cowboys, die diese Straße entlang ziehen, an die neue Zahl gewöhnt haben. Und wo bleibt die Konsequenz? Was passiert eigentlich mit Kill Devil Hills in North Carolina und mit dem schönen Ort Hell in Michigan? Wird der in Heaven umbenannt? Was macht man mit Todmorden, einem Dorf nördlich von Manchester, dem ersten Wirkungsort des Massenmörders Dr. Shipman? Und wann wird endlich Deutschland umgetauft (vgl. Wolfsburg heißt jetzt Golfsburg)?