Verlockung statt Angst

Die Energie- und Klimawochenschau: Nach der Datenschlamperei wird die Reform des Weltklimarats IPCC gefordert. Die Diskussion um die Solarkürzungen überdeckt den Einbruch der energetisch relevanteren Solarthermie. Und Klimaschutz soll sexy werden

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Bild: M. Brake

Zum Glück für den Weltklimarat (IPCC) haben sich die neuen Vorwürfe einiger britischer Zeitungen, das IPCC habe in seinem 2007er Sachstandsbericht auch bei den Prognosen für den Amazonasraum geschlampt, als nicht richtig herausgestellt. Doch die Fehler im letzten Report offenbarten vor allem einige prinzipielle Verfahrensfehler bei der Erstellung der IPCC-Berichte, vor allem bei der Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen. Beim kommenden, dem fünften Bericht soll das korrigiert werden. Im Regionalkapitel Asien des letzten Berichts steht die von Eisforschern als abwegig bezeichnete Aussage, die Himalajagletscher könnten schon in 25 Jahren fast ganz verschwunden sein (Schlamperei im letzten IPCC-Bericht). Die Überprüfung der Entstehungsgeschichte des Berichts ergab, dass dieses Kapitel von den Klimawissenschaftlern des IPCC nicht gegengelesen wurde und dass neben den wissenschaftlichen Grundlagen, die in Teil 1 des IPCC-Berichts dargestellt werden, auch noch sogenannte graue Literatur, also weitere Sekundärliteratur verwendet wurde.

Bild: Matthias Brake

Im Prinzip wäre das in Ordnung, denn die Berichte des IPCC fassen vor allem den aktuellen Stand der Fachliteratur zusammen, nur mangelte es im IPCC an einheitlichen Standards und vor allem ressortübergreifender Zusammenarbeit. Die Sachstandsberichte des IPCC bestehen nämlich aus zwei Teilen. In Teil 1 beschreiben Physiker und Meteorologen die wissenschaftlichen Grundlagen und Modelle der Klimaforschung und die Methoden der Auswertung der empirischen Daten. Teil 2, an ihm sind ganz unterschiedliche Disziplinen von Biologen, Geologen und auch Soziologen beteiligt, enthält dann die Regionalberichte, die Prognosen für konkrete geographische Regionen aufstellen. Hier hatte sich im Regionalkapitel Asien die falsche Gletscherprognose eingeschlichen.

Der IPCC-Vorsitzende Rajendra Pachauri der zwischenzeitlich selbst in die Kritik geraten war (ihm wurde vorgeworfen, er habe frühzeitig davon gewusst, aber den Fehler verschwiegen) kündigte an, dass bei der Erstellung des kommenden, fünften, Sachstandsberichts nicht nur die Fehler des letzten korrigiert werden, sondern auch das Revisionsverfahren geändert wird. Die Autoren von Teil 1 sollen Verantwortung auch für Teil 2 übernehmen, die Qualität der dort gewählten Sekundärliteratur überprüfen sowie die Regionalkapitel Korrektur lesen. Letztlich könnte der bekanntgewordene Fehler so vor allem zur Qualitätsverbesserung kommender Berichte des Weltklimarats beitragen, politisch relevant war er noch nicht, denn in den Teilen, die für politische Entscheidungsträger zusammengestellt werden, dem Grundlagenteil 1, und den Zusammenfassungen des Teils 2, taucht er nicht auf.

Dem Klimaforscher Hans von Storch gehen die angekündigten soften Verbesserungsvorschläge jedoch nicht weit genug. Er fordert eine grundlegende Reform des IPCC, damit dieser nicht irrelevant werde. Das Gremium leiste einen wesentlichen Service für die Klimapolitik ,sei aber durch mangelhaftes Management, unzureichende Kommunikation und die Verflechtung von Wissenschaft und Politik in eine Glaubwürdigkeitskrise geraten. Er mahnt zu strukturellen Änderungen des IPCC:

  • Es müsse die Praxis beendet werden, dass dominante Forscher als Leitautoren primär Publikationen von sich und ihren Freunden bewerten
  • Interessen von Unternehmen und Umweltverbänden müssten aus den Berichten herausgehalten werden
  • Neben den Autoren soll ein Beratungsgremium den Umgang mit Interessenkonflikten und inhaltlichen Fehlern regelt
  • Die Leitautoren sollen öfter wechseln, spätestens nach zwei Berichten in Folge
  • Die IPCC-Berichte sollen stärker auch kontroverse Inhalte mit aufnehmen und strittige Punkte thematisieren
  • Und schließlich müssten wissenschaftliche Arbeit und politische Funktionen strikt getrennt werden.

Ist die Kürzung der Einspeisevergütung für Solarstrom verfassungswidrig?

Nach der Vorstellung des BMU-Eckpunktepapiers durch Norbert Röttgen wird die Kritik lauter, die nach einer Korrektur der vor allem programmatisch intendierten Kürzungspläne ruft. Die Chancen stehen gut, dass zwar eine Anpassung an die allmählich sinkenden Modulpreise erfolgt, diese aber kontinuierlicher und zeitlich gestaffelt stattfindet.

Geplant war nach 9% Kürzung zu Beginn dieses Jahres, die Photovoltaik Einspeisevergütung noch einmal um 15 % zu senken. Bei Solarstrom-Dachanlagen schon zum 1. April 2010, bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen, aus Rücksicht auf deren längere Planungszeiten, erst zum 1. Juli 2010. Außerdem soll die Förderung für alle Solarstrom-Anlagen flexibel an die Marktentwicklung angepasst werden.

  • Das Bündnis Solare Zukunft, ein Zusammenschluss von mittelständischen Produzenten und Handwerksbetrieben kritisiert die abrupte und übermäßige Senkung der Einspeisevergütung für Solarstrom nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Dies führe zu Markteinbrüchen und gefährde Arbeitsplätze.
  • Kritik auch aus den eigenen Reihen: Photovoltaik-Anlagenbauer und CDU-Mitglied Bernd Bodmer schrieb einen offenen Brief an Norbert Röttgen und kritisiert darin das aktuelle Vorgehen der Regierung würge nahezu jedes genehmigte Projekt ab. Das führe zu unkalkulierbaren Verhältnissen in der Branche und zu Einstellungs- und Baustops.
  • Die ostdeutschen Wirtschaftsminister haben sich ebenfalls parteiübergreifend gegen die weitere Senkung der Solar-Förderung ausgesprochen. Sie sei ein falsches Signal an die Photovoltaik-Branche. Vor allem befürchten die Politiker den Einbruch der besonders in den neuen Bundesländern als Wirtschaftsunternehmen wichtigen PV-Produzenten und Investitionen in große Freiflächenanlagen.
  • Der Solarenergie-Förderverein SFV schließlich zweifelt an der Verfassungskonformität einer Vergütungssenkung für Solarstrom vor dem 1.1.2011. Aus dem Wortlaut der Bestimmungen des EEG 2009 zur Degression und der dazugehörigen Begründung ergebe sich klar, dass die Degressionsschritte jeweils nur zum Jahreswechsel zu erfolgen haben.

Solarthermie gerät ins Hintertreffen - Einbruch bei EE für Wärme

Während die Nutzung der Sonnenenergie per Photovoltaik politisch und medial intensiv begleitet wird, gerät die Solarthermie zum Mauerblümchen. Dabei macht allein in Privathaushalten der Wärmebedarf drei Viertel des Energieverbrauchs aus. Der Einsatz von regenerativen Energiequellen brächte hier also besonders viel.

Doch nicht nur aufgrund der Diskussion um die Photovoltaik-Einspeisetarife ist der erneuerbare Wärmemarkt ins Hintertreffen geraten. Auch real verliert Wärme aus erneuerbaren Energieträgern immer mehr an Boden. Auf der Wärmekonferenz 2010 meldete der Bundesindustrieverband Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH), dass die Nachfrage nach Heiztechnik, die Erneuerbaren Energien einsetzt 2009 sehr weit eingebrochen ist. Zwar wuchs der konventionelle Heizungsmarkt um 3 %, gleichzeitig wurden aber 25 % weniger Systeme, die Sonne, Umweltwärme oder Holz zur Wärmeerzeugung einsetzen, installiert. Nur noch bei jeder dritten Neuinstallation von Heizungen wurden Erneuerbare Energien eingesetzt, im Vorjahr waren es noch 45 Prozent. Zugelegt haben dagegen Effizienztechniken wie Gas- und Öl-Brennwerttechnik und Lüftungsanlagen. Der Einbruch habe besonders im zweiten Halbjahr stattgefunden.

Der BDH vermutet, dass der Rückgang durch den Photovoltaikboom und die gegenüber 2008 gesunkenen Energiepreise bedingt sei. So würden pro Jahr nur 3 Prozent der Heizungen ausgetauscht, die Modernisierungsrate müsse sich aber verdoppeln, damit die anteiligen Klimaziele erreicht würden.

In einem gemeinsamen Appell schlagen der BDH und der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) deshalb vor, das Marktanreizprogramm (MAP) des Bundes zu optimieren. Es sei schon jetzt das zentrale Steuerungsinstrument für den Ausbau regenerativer Wärme im Gebäudebestand. Das Programm solle sich am EEG orientieren um so die Investitionsschwelle bei den Eigentümern zu senken. Vor allem soll eine jährliche Degression wie im EEG für die Fördersätze eingeführt werden. Diejenigen, die frühzeitig auf regenerative Systeme umsteigen, sollen besonders belohnt werden.

Verlocken statt zu drohen

Bisher arbeiten Klimakampagnen meist mit der Drohung von globalen Katastrophen. Die Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt und bedroht die Küsten oder die Energie geht zur Neige. Doch auf Dauer stumpft Angstmache ab und bewirkt wenig in Sachen konkreter Verhaltensänderung. Während zwar in Umfragen fast 90% aller Befragten der Auffassung sind, Klimaschutz sei eines der drängendsten Probleme der Welt, führt diese theoretische Erkenntnis nicht zu wesentlichen Verhaltensänderungen. Die Treibhausgasemissionen, der Energie- und Ressourcenverbrauch steigen weiter.

Die American Psychological Association (APA) hat jetzt eine Studie veröffentlicht, in der sie vorschlägt, statt auf Drohungen doch besser auf Attraktivität und anspornende Gefühlen zu setzen. Wenn man den Klimawandel und Ressourcenhunger bremsen wolle, müsse man die Menschen nicht überzeugen, sondern die motivierende Wirkung von Eitelkeit, Neid und sozialer Kontrolle aktivieren.

In einem Feldversuch stellte sich heraus, dass Menschen ihren Energieverbrauch reduzieren, wenn ihnen gesagt wird, dass die Nachbarn etwas sparsamer sind. Dazu wurde jedem Haushalt einer Gemeinde mitgeteilt, wie viel Strom die Nachbarn verbrauchen. Das führte dazu, dass die größten Verbraucher ihren Konsum drosselten, jedoch steigerten die Sparsamen ihren Verbrauch auch etwas, so dass sich der Konsum im Endeffekt auf einen durchschnittlich niedrigeren Wert einstellte.

Während Verkehrsplaner aufwendig versuchen, mehr Menschen zum Umsteigen aufs Rad zu bewegen und teils teure Pedelec-Programme auflegen, um auch die hartnäckigsten Bewegungsmuffel aufs Rad zu locken, zeigt der skurrile Trend zu Fixed Gears, Fahrrädern mit starrer Nabe ohne Gangschaltung, Freilauf und Bremse, dass es für den Umstieg nicht Bequemlichkeit braucht, die die Leute aufs Rad lockt, sondern den Statusschub, den stilbewusste junge Städter fühlen – und sich ganz nebenbei umweltfreundlich verhalten.