Verschärfte Regelungen bei Kinderpornografie

Justizministerium: Die Regelungen für Nacktbilder von Kindern werden strenger. Posenfotografien sollen zum Straftatbestand werden

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Am Wochenende wurde bekannt, dass Justizminister Heiko Maas (SPD) einen sogenannten Referentenentwurf mit strengeren Regelungen zu Fotos mit nackten Kindern oder solchen, die als sexuell stimulierend aufgefasst werden, wie auch zu bloßstellenden Fotos von Erwachsenen (Kinderschutz als Vorwand für Politikerschutz?) zur Abstimmung an andere Ministerien weitergeleitet hat. Der Konsens darüber, dass die Absicht gut ist und der Schutz der Schwächsten garantiert sein muss, dominiert in den ersten Reaktionen. Allerdings weisen Kritiker darauf hin, dass die verschärften Regelungen auch über das Ziel hinausschießen könnten.

Noch ist der Entwurf in seinen Details unbekannt. Durchgesickert an die Medien sind wesentliche Eckpunkte an Neuerungen bzw. Verschärfungen; vor allem eine führt nach Ansicht von Juristen auf schwieriges Gelände, wie bereits beim Fall Edathy diskutiert wurde: Posenfotografien.

Stimmen die Vorab-Infos der Medien, so beabsichtigt der Justizminister eine Regelung, die sich im Jugendmedien-Staatsvertrag (JMStV) unter § 4 Unzulässige Angebote findet, in das Strafgesetzbuch zu überführen. Es geht um Punkt 9 des § 4 JMStV. Dort heißt es, dass Angebote unzulässig sind, wenn sie "Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen (...)". Das "Posenverbot" ist bisher als "Bußgeldtatbestand" geregelt.

Justizminister Heiko Maas will es nun als Kriminalstrafverbot regeln und damit den entsprechenden Paragrafen des Strafgesetzbuches zur Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften (§ 184b) berücksichtigen, wie Berichte über seinen Entwurf verstehen lassen:

Mit dem Entwurf sollen grundsätzlich alle sogenannten Posing-Fotos, bei denen Kinder in "unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung" zu sehen sind, als pornografische Schriften gelten und unter Strafe gestellt werden. Hier will Maas absolute Klarheit schaffen. Der Handel mit solchen Fotos könnte mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, bei bandenmäßigen Strukturen sogar mit bis zu zehn Jahren geahndet werden. SZ

Das sind saftige Strafen, die Ergänzung würde eine Ausweitung der Kinderpornografie bedeuten, die Auslegung dessen, ob "eine unnatürlich geschlechtsbetonte Körperhaltung" vorliegt, dürfte gelinde gesagt nicht immer einfach und unumstritten sein.

Ein Beispiel: Im Internet wird ein Video von einem nackten Mädchen verbreitet. Der heimlich oder gegen den Willen des Mädchens angefertigte Film zeigt zum Beispiel, wie sich das Kind nach einem Spielzeug bückt. In so einem Fall macht sich der Vertreiber des Films strafbar und muss mit drei Monaten bis fünf Jahren Haft rechnen. Ebenfalls strafbar macht sich, wer solche Videos oder Bilder aufnimmt oder sie bezieht.rp-online

Im Blog hellojed. fand sich bei der Diskussion über die Verschärfung der Regelungen zur Kinderpornografie im Zuge des Falls Edathy folgender Hinweis:

Doch auch die gewerbliche Verbreitung würde bestehende, harmlose Handlungen illegalisieren. Ein erstes Beispiel hierfür wären Verfilmungen von Büchern der rundum beliebten Schriftstellerin Astrid Lindgren. In "Madita" sind desöfteren zwei Mädchen unter zehn Jahren splitterfasernackt zu sehen, sie hüpfen durchs Haus und toben auf ihren Betten - also Dinge, die Kinder nun mal tun. Wir besitzen diese DVD. Würde das Gesetz nach den aktuellen Forderungen verschärft, müssten wir die Aufnahme vernichten oder bei der Polizei abgeben. Ein medialer Bestandteil meiner Kindheit würde für immer vernichtet.

Man kann nur hoffen, dass sich solche Kriminalisierungen als Spekulation herausstellen, nach Stand der Dinge sieht es aber ganz danach aus, als ob der neue Gesetzesentwurf viele neue Unbestimmtheiten und "heikle Abwägungen" mit sich bringt. Für den Hamburger Kriminologie-Professor Sebastian Scheerer ist die Vagheit des Gesetzsentwurfes nicht der einzige Kritikpunkt.

"Über das Ziel hinausgeschossen"

Er hält eine Verschärfung der Gesetze nicht für unbedingt hilfreich, weil er befürchtet, dass damit Pädophile nicht mehr wagten, sich an Hilfeeinrichtungen zu wenden. "Wenn Sie einfach Druck ausüben auf Menschen und ihnen keinen Ausweg geben, dann können unvorhergesehene Dinge passieren."

Der Diskurs "über den sexuellen Missbrauch von Kindern" sei weit über sein Ziel hinausgeschossen, kritisieren 27 zum Teil über ihren Fachbereich hinaus bekannte Juristen, Kriminologen und Psychologen in einem Aufruf, bei dem auch Scheerer zu den Erstunterzeichner gehört.

Sie machen darin darauf aufmerksam, wie die Diskussion über den Fall Edathy ein Klima geschaffen hat, bei dem Skandalisierung dominiert und fachliche Aspekte in den Hintergrund geraten, weil der Blick auf das Medienecho manche kritische Äußerung verhindert.

Viele Experten verstummen aus Angst vor dem Verlust beruflicher und privater Reputation, vor öffentlichen und vor medialen Vorwürfen, man nehme das Leid der Opfer nicht ernst oder wolle Täter schützen. Mit diesem Schweigen wird der erregte Diskurs über Sexualdelikte immer mächtiger.