Vertrauen aus der Dose

Schweizer Forscher untersuchen, wie das Gehirn mit Vertrauensmissbrauch umgeht - und wie sich negative Reaktionen vermeiden lassen

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So weit das Werbeversprechen aus der Zukunft. Die reale Grundlage für das Vertrauensspray in der Dose lieferten gerade Schweizer Forscher, die in der Fachzeitschrift Neuron über ihre Untersuchungen des menschlichen Vertrauenszentrums im Gehirn berichten. Die Wissenschaftler haben dem Prozess des Vertrauens und des Vertrauensbruchs mit dem beliebten Instrument der funktionellen Magnetresonanztomografie nachgespürt. Damit kann man beobachten, welche Hirnareale zu einem bestimmten Zeitpunkt aktiviert werden.

Im Experiment simulierten die Forscher allerdings keinen Ehebruch. Vielmehr nötigten sie die Teilnehmer zu zwei cleveren Spielen. Zunächst untersuchten sie, wie das Gehirn bei einem simplen Risiko-Spiel reagierte. Der Spieler konnte dabei einen bestimmten Betrag echten Geldes setzen, und der Computer bestimmte dann per Zufall, wie sich der Wert der Summe entwickelte - ob der Spieler einen Bonus erhielt oder alles verlor. Das Risiko war in diesem Fall also ein rein finanzielles und nur vom Zufall abhängig.

In einem zweiten Spiel fügten die Forscher den Aspekt des sozialen Risikos hinzu - in Form einer Vertrauensperson. Der Investor hatte dabei die Wahl, der Vertrauensperson einen bestimmten Betrag zu transferieren. Dieser Betrag wurde automatisch verdreifacht. Es war nun allerdings allein Sache der Vertrauensperson, was mit der verdreifachten Summe geschah. Sie konnte dem Investor einen Teil zurückgeben, sie konnte aber auch die komplette Summe für sich behalten. Im ersten Fall bestätigt sich für den Investor das eingesetzte Vertrauen, im zweiten Fall wird es gebrochen.

Wie sich der Vertrauensverlust auswirkt, ist leicht am Verhalten des Investors in den folgenden Spielrunden zu beobachten - darüber hatten die Schweizer Forscher schon 2005 im Magazin Nature berichtet. Aber auch unter dem Magnetresonanztomografen konnten die Wissenschaftler nun Unterschiede ausmachen. Es zeigte sich, dass insbesondere im Falle des Vertrauensbruchs zwei Regionen besonders aktiviert wurden: zum einen die Amygdala, von der man annimmt, dass sie Angst, Gefahr und das Risiko sozialen Betrugs reguliert. Zum anderen wurde ein Teil des Striatum aktiviert, dem man eine Rolle in der belohnungsorientierten Verhaltensplanung zuschreibt.

Interessanterweise aber ließ sich dieser Prozess relativ leicht abschwächen: es genügte, den Investoren das Hormon Oxytocin über die Nase zuzuführen. Im Risikospiel, das nur mit Wahrscheinlichkeiten operiert, änderte sich das Investitionsverhalten nicht. Oxytocin führt also nicht zu generell höherer Risikobereitschaft. Im Vertrauensspiel jedoch erhöhte sich sogar die der Vertrauensperson übergebene Summe, obwohl der Vertrauensbruch offensichtlich war. Das ließ sich auch unter dem Magnetresonanztomografen nachvollziehen: Amygdala und Striatum wurden im Moment des Vertrauensbruchs wesentlich weniger aktiviert. Das Gehirn verliert unter dem Einfluss des auch beim Orgasmus und bei der Geburt ausgeschütteten Oxytocin offenbar die Fähigkeit, aus sozialen Fehlern zu lernen. Das ist nicht nur für Ehebrecher, Steuerhinterzieher und Autoverkäufer interessant: Es bietet sich hier womöglich ein Weg, Sozialängsten und Autismus auf die Spur zu kommen, die sich durch die Furcht vor oder das Vermeiden von sozialer Interaktion auszeichnen. Die Angst vor Verrat könnte zum Beispiel eine Vorstufe für weiter gehende Sozialphobien sein.