Vertrieben für den Naturschutz

In Indien werden Adivasi zwangsumgesiedelt, damit ein Tigerreservat entsteht

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Sieben bis zehn Prozent der Inder werden zu den Adivasi gerechnet - den "Ureinwohnern", die die sprachlich, kulturell und religiös durchaus heterogenen sind. Viele davon leben in Waldgebieten, weshalb es immer wieder zu Konfrontationen mit den Behörden kommt - und zwar nicht nur dann, wenn Bodenschätze abgebaut und Kraftwerke errichtet werden, sondern auch dann, wenn die Regierung Naturschutz durchsetzen will.

Eines dieser Naturschutzziele ist die Einrichtung eines Tigerreservat in Kanha im Bundesstaat Madhya Pradesh. Der NGO Survival International zufolge werden dafür zahlreiche Angehörige der dravidischen Volksgruppen der Baiga und der Gond umgesiedelt. In vielen Fällen geschah das angeblich gegen der Willen dieser Adivasi indem man beispielsweise drohte, man werde die Häuser und Gärten von Elefanten verwüsten lassen.

Die Zwangsumsiedlung zugunsten des Aufbaus von Naturschutzreservaten erfolgt Survival International zufolge häufig ohne adäquate Entschädigung. So warten beispielsweise 32 Khadia-Familien, die bis 2013 im Tigerreservat Similipal im Bundesstaat Odisha lebten, immer noch auf eine Entschädigung.

Die relativ geringen Summen, die andere erhielten, reichten nicht zum Kauf von ausreichend bebaubarem Land. Deshalb decken sie zwar eine Zeit lang die Kosten für den Lebensunterhalt in anderen Dörfern und Städten, sorgten aber nicht für eine dauerhafte wirtschaftliche Existenzgrundlage für die Kleinbauern, denen die Ausbildung zur Ausübung qualifizierter Berufe fehlt. Viele Baiga fordern aus diesem Grund eine Entschädigung in Ersatzland anstatt in Geld.

Stephen Corry, der Direktor von Survival International, beklagt angesichts dieser Auswirkungen die "hässliche Seite der Naturschutzindustrie". Seiner Meinung nach haben die indischen Behörden die Rechte der Adivasi nicht ausreichend berücksichtigt. Außerdem hätten die Bewohner keine "freie, vorherige und informierte Zustimmung zur Umsiedlung gegeben". Er verlangt deshalb ein "neues Konzept von Naturschutz", das "die Landrechte indigener Völker schützt".

Weil sie von der indischen Regierung keinen solchen Schutz erwarten, unterstützen viele Adivasi die so genannten - Guerillagruppen, die sich selbst als "maoistisch" einstufen. Insgesamt fielen dem Krieg mit den Naxaliten, die sich nach Angriffen schnell in ihre Waldgebiete zurückziehen, bereits mehrere Zehntausend Menschen zum Opfer. Der bewaffnete Konflikt begann in den 1960er Jahren in Westbengalen und erstreckt sich heute über mehr als 20 Bundesstaaten in Zentral- und Ostindien. Schwerpunkte sind neben Chhattisgarh die Bundesstaaten Jharkhand, Bihar, Maharashtra und Odisha. Dort beherrschen 20.000 bewaffnete Naxaliten, die sich unter anderem durch Löse- und Schutzgelderpressung finanzieren, faktisch tausende Quadratkilometer Land, über das die indische Regierung nur sehr begrenzte Kontrolle hat.

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