Verurteilter Demonstrant im Iran: "Ich wollte nicht mehr schweigen"

Weil er protestiert hat, wurde er zu mehr als zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Im Interview berichtet ein junger Iraner von der Folter bei den Verhören. Warum er seine Taten dennoch nicht bereut.

Omar Rahimi (Name geändert) ist Musiker, knapp über 20 Jahre alt. Als im September die Leute auf die Straße gehen, um gegen den Tod von Mahsa Amini und das islamistische Herrschaftssystem zu protestieren, ist auch er mit dabei. Er wird festgenommen und zu zehn Jahren Haft und mehreren Dutzend Peitschenhieben verurteilt.

Seinen Hafturlaub nutzt er, um mit der taz über seine Festnahme, die brutalen Mittel des iranischen Repressionsapparats und die Stimmung innerhalb der Protestbewegung zu sprechen. Es ist für politische Gefangene im Iran sehr gefährlich, Kontakt zu ausländischen Medien zu halten, deshalb nennen wir Rahimi nicht bei seinem eigentlichen Namen.

Das Interview wurde mit Unterstützung meiner iranischen Kollegin Raha Azadi geführt.

Wie kam es, dass Sie an den Protesten teilgenommen haben?

Omar Rahimi: Meine Freunde und ich haben in den sozialen Medien mehrere Protestaufrufe gesehen, und haben beschlossen, auch auf die Straße zu gehen. Zuerst waren wir als Gruppe unterwegs, das ist sicherer, aber dann habe ich mich zwei anderen Demonstranten angeschlossen.

Sie haben Parolen gegen die Regierung gerufen und Steine gegen uniformierte Regimekräfte geworfen. Die Regimekräfte haben auf uns geschossen und Tränengas geworfen, deshalb hielt ich es für legitim, uns mit Steinen zu wehren. In Wirklichkeit waren die anderen aber keine Demonstranten waren, sondern agents provocateurs.

Woher wissen Sie das?

Omar Rahimi: Weil sie es waren, die mich später festgenommen haben. Sie haben einen Freund angerufen, der kurz darauf auf einem Motorrad gekommen ist. An seinem Aussehen – ungepflegter Bart, fanatischer Blick – habe ich sofort erkannt, dass er ein Basidschi ist. Die Basidschi bilden eine Freiwilligenmiliz der Revolutionsgarden, sie sind stark indoktriniert und sind für das Regime essenziell, um Proteste niederzuschlagen.

Er und die anderen beiden, von denen ich zuerst Hilfe erwartet habe, haben mich mit Elektroschockern zu Boden gezwungen und mich in Handschellen zu einem Ort gebracht, wo sie andere verhaftete Demonstranten vorübergehend festhielten.

Was ist dann geschehen?

Omar Rahimi: Sie haben uns getreten, angespuckt und beschimpft. Sie sagten Dinge wie: "Ihr wollt revoltieren, ihr Hurensöhne? Ihr wollt randalieren, ihr Arschlöcher? Ihr dünnen Wichser?" Dann haben sie uns im Lieferwagen eines bekannten Lebensmittelunternehmens zum Gelände des Geheimdienstes gebracht.

Zum Verhör?

Omar Rahimi: Ja, aber es war kein normales Verhör. Schon auf dem Weg dorthin hat man uns ständig geschlagen, dann sagte ein Agent zu seinen Kollegen, sie sollten ihm eine Flasche bringen. Damit wollte er mich anal vergewaltigen. Ein anderer Agent hat ihn davon abgehalten.

Ich weiß nicht, ob das ein bewusstes Psychospielchen war, aber ich habe gehört, dass man Demonstranten tatsächlich mit Flaschen, manchmal sogar mit Elektroschockern vergewaltigt hat.

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