"Viele ganz normale Bürger" an der Seite von Extremisten?

Archivbild (Dezember 2020): Frankfurt Zeil, Passanten und Demonstranten. Foto: 7CO/CC BY 2.0

Zehntausende demonstrieren in Deutschland überwiegend friedlich gegen Corona-Maßnahmen und Impfpflicht

Es werden mehr Demonstranten, die gegen Corona-Maßnahmen, allen voran den "Impfzwang" protestieren. Die Mobilisierungen auf der Straße verlaufen vorwiegend friedlich.

So lautet das Resümee der Berichte größerer Medien zu einem Phänomen, das in der öffentlichen Diskussion mit großen Reizbarkeiten verknüpft ist, Gelassenheit ist die Ausnahme. "Alles muss in der jeweiligen Gegenwart neu verhandelt und erkämpft werden" (Michel Friedmann), so auch die Beziehungen zwischen Regierenden, den Behörden, der Polizei und der Opposition in der Demokratie.

"Mehrere Zehntausend Impfgegner und Kritiker der Corona-Maßnahmen" seien am Samstag wieder auf die Straße gegangen, wird am Sonntag berichtet. Die größte Menge an Demonstranten wird aus Hamburg gemeldet. Die Polizei zählte insgesamt mehr als 13.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer (NDR), die gestern Nachmittag "durch die Stadt zogen". Anlass war eine Kundgebung unter dem Motto "Das Maß ist voll - Hände weg von unseren Kindern".

Es ist nichts neues, dass Zahlen, die von der Polizei gemeldet werden, von Organisatoren und Teilnehmenden nach oben korrigiert werden. So könnten auch die polizeilichen Zahlenangaben, die man zu Demonstrationen in Magdeburg, Düsseldorf, Freiburg, Frankfurt/Main, Wetzlar, Magdeburg, Schwerin, Trier und in Ansbach und Regensburg liest – jeweils mehrere Tausend laut Medienberichten –, 5.000 in Magdeburg, 6.000 in Düsseldorf, 5.500 bis 6.000 in Freiburg und 8.000 in Frankfurt, schon zu Streit führen, was in einem Klima, wo der Propagandavorwurf so leicht in der Tasche sitzt wie die Spucke bei Fußballspielern in der Kehle, schnell passieren kann.

Bemerkenswerte Fakten sind: Die Tendenz, solche Demonstrationen, die auf einem Grundrecht basieren, auf das man zurecht stolz ist, zu verbieten, wie es etwa München vormacht; die Erhöhung der Teilnehmerzahlen, sie haben sich in den letzten Wochen immer mehr gesteigert, wie es zum Beispiel die Hamburger Polizei feststellt – und dass sie im Allgemeinen weitgehend friedlich ablaufen.

Dennoch sind die Proteste vielen nicht geheuer. "Wie sollen wir mit den Corona-Protesten umgehen?", hieß eine Fragestunde neulich im BR und die Positionen lagen weit auseinander, als ob die Teilnehmer von Demonstrationen diese auf ganz unterschiedlichen Planeten besucht hätten. Man einigte sich darauf, die Proteste als "heterogen" zu kennzeichnen. Eine abschließende Antwort, wie mit ihnen umzugehen ist, gab es nicht.

In Bayern beobachtete Innenminister Hermann eine "zunehmende Gewaltbereitschaft" bei den Demonstrationen, etwa in Schweinfurt vor Weihnachten, aber auch ihm ist aufgefallen, dass bei den Demonstranten "viele ganz normale Bürger" dabei sind und dass der Ausdruck von Unmut über eine Impfpflicht und Corona-Maßnahmen "zulässig" ist. Er hat das Grundgesetz gelesen.

Auch dem Verfassungsschutz in Hamburg sind die Proteste suspekt. Man habe einzelne Teilnehmende, die der rechtsextremen Szene zugeordnet würden, im Blick. Diese seien bei den Kundgebungen in Hamburg aber nicht steuernd oder prägend. Doch registriert der Verfassungsschutz ebenso wie der bayerische Innenminister eine zunehmend radikale Stimmung auf den Demonstrationen.

Man registriere aber bei den Versammlungen in Hamburg "manch aggressive Intonierung und auch das wiederkehrende Widerstands-Narrativ", zitiert die Welt aus der Einschätzung der Hamburger Verfassungsschützer. "Insofern könne eine teilweise aggressive Grundierung bei manchen sich zwar bürgerlich gebenden Versammlungsteilnehmern registriert werden, die sich aber bereits radikaler äußern".

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) rät Bürgern dazu, Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen "im Zweifel fernzubleiben". Man sollte sich gut überlegen, ob man wirklich an der Seite von Extremisten mitmarschieren möchte.

Buschmann kündigte ein härteres Durchgreifen bei Demonstrationen an: "Wenn systematisch gegen Regeln verstoßen wird oder es sogar zu gewalttätigen Angriffen kommt, müssen Versammlungen als ultima ratio notfalls auch aufgelöst werden."