Viktor Orban: EU-Staaten sollen selbst über Todesstrafe entscheiden

Erneut sympathisiert der ungarische Ministerpräsident mit Hardliner-Positionen weit rechts von der Mitte

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Erneut hat der ungarische Ministerpräsident die Todesstrafe zum Thema gemacht. Bei seiner freitäglichen Ansprache im staatlichen Rundfunk bedienteViktor Orban die rechtsgerichtete Wählerschaft in Ungarn, die dort die große Mehrheit stellt, mit bewährten Soundbites zur Flüchtlingspolitik und listigen Wendungen zum Reizthema Todestrafe.

Das Umfrageinstitut Tárki meldete gestern einen "Rekord der Fremdenfeindlichkeit in Ungarn", wonach 46 % der Befragten sich wünschen, dass Ungarn überhaupt keine Flüchtlinge ins Land lässt und auch keine Asylverfahren ermöglicht. So kann Orban auf sicheren Beifall zählen, wenn er den EU-Vorschlag, Asylbewerber nach einem Länderschlüssel unter den Mitgliedsländern aufzuteilen, für "verrückt" erklärt und Asylanträge mit einer "Partyeinladung" gleichsetzt.

"Wir wollen eine europäische öffentliche Meinung für die Einführung der Todesstrafe schaffen"

Die EU würde mit solchen Vorschlägen nämlich Jeden einladen "zur Party zu kommen", zitiert ihn die deutschsparchige Zeitung Pester Lloyd. Würden Deutschland und Österreich die Grenzen dicht machen, würde Ungarn angesichts der "Ausländer, die dann bei uns bleiben" zum "riesigen Rucksack" werden.

Die politische Konkurrenz rechts von Orban, die Jobbik, erlebt derzeit ein politisches Hoch, die Fidesz-Partei des Ministerpräsidenten schwächelt dagegen. Das dürfte einer der Gründe sein, warum Orban auch die Debatte über die Todesstrafe - die rechtextreme Jobbik ist dafür - neu anfachte. Sehr geschickt verbunden mit der EU:

Wir wollen eine europäische öffentliche Meinung schaffen, die dafür ist, dass die Einführung der Todesstrafe oder deren Ablehnung in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten zurückkehrt.

Ende April hatte Orban schon einmal die Diskussion um die Todesstrafe angestoßen, was ihm große Empörung einbrachte und einen Anruf von Martin Schulz, der um ein klärendes Telefongespräch bat.

Später folgte laut Zeit eine Zurechtweisung aus EU-Kreisen: "Bei der Wiedereinführung der Todesstrafe könne gegen Ungarn Artikel 7 des EU-Vertrags angewandt werden. Er sieht bei 'schwerwiegender und anhaltender Verletzung' der EU-Werte durch ein Mitgliedsland Sanktionen vor." EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker drohte gar mit einem Verfahren zur Aussetzung der EU-Mitgliedschaft.

"Todesstrafe auf der Tagesordnung halten"

Orban hatte vor dem Hintergrund eines Mordfalles, der viel Aufsehen erregte, bei einer Pressekonferenz davon gesprochen, dass auch das verschärfte Strafrecht in Ungarn ("lebenslänglich" ist tatsächlich lebenslänglich) zur Abschreckung nicht ausreichend sein könnte und dafür plädiert, die "Todesstrafe auf der Tagesordnung zu halten". Verbrechern müsse klargemacht werden, dass Ungarn vor nichts zurückschrecke, um seine Bürger zu schützen.

Nachdem die deutlichen Worte aus der EU zumindest dazu geführt hatten, dass Orban über seinen Sprecher erklären ließ, dass die Einführung der - 1990 abgeschafften - Todesstrafe in Ungarn "nicht geplant" sei, brachte er es heute eben auf EU-Ebene neu ins Spiel. Auch in den USA dürften die Bundesstaaten selbst entscheiden. Viele Menschen seien davon überzeugt, "dass mit der Todesstrafe ihr Leben sicherer wäre."

Auf die Frage, ob auch er für die Todesstrafe sei, antwortete Orban mit der Phrase, er sei für das Leben, betrachte diese Frage eben unter dem Aspekt des Schutzes gesetzestreuer Menschen :

Wenn wir sie ohne die Einführung der Todesstrafe schützen können, dann schützen wir sie so. Wenn es aber anders nicht geht, dann müssen wir die Todesstrafe einführen.

Die Todesstrafe ist nicht mit der EU-Grundrechte-Charta vereinbar.