Von Einzelhandel bis Logistik: Wie Unternehmen den Fachkräftemangel verursachen

(Bild: ekenamillwork, Pixabay)

Von leeren Regalen bis zu verlangsamten Lieferketten – der Fachkräftemangel hinterlässt seine Spuren. Warum ein Schlüssel zur Lösung bei den Unternehmen liegt.

Die Meldungen gleichen sich – seien es gekürzte Öffnungszeiten im Handel, weniger Öffnungstage im Restaurant oder das verzweifelte Warten auf einen Servicetechniker. Die Begründung ist meist Fachkräftemangel.

Dieser Mangel wächst, meldet das Münchner ifo Institut: 43,1 Prozent der Unternehmen finden nicht genug Qualifizierte, um ihre offenen Stellen zu besetzen. Im April lag diese Quote bei 42,2 Prozent. Das ergibt die jüngste ifo-Konjunkturumfrage bei etwa 9.000 Unternehmen.

"Fehlende Fachkräfte bleiben nicht folgenlos. Dies gilt für die betroffenen Unternehmen, aber auch für die Volkswirtschaft als Ganzes. Es stehen Wachstums- und Wohlfahrtspotenziale ebenso wie öffentliche Einnahmen auf dem Spiel, wenn Personalknappheiten die an sich mögliche Produktion und das Dienstleistungsangebot beschränken", bemängelt auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) seit Längerem.

Über die Gründe für die jetzigen Probleme sagen die Unternehmen und ihre Lobbyisten wenig. Ein Beispiel: Outsourcing. Der Begriff spielte bereits 1996 bei der Diskussion um ein "Unwort des Jahres" eine große Rolle. Die Jury sprach von einem "Imponierwort, das der Auslagerung/Vernichtung von Arbeitsplätzen einen seriösen Anstrich zu geben versucht". Denn das Ziel ist die Auslagerung von bisher in einem Unternehmen selbst erbrachten Leistungen an externe Firmen. Diese sollen Arbeiten mit niedrigeren Löhnen durchführen, meist ohne Tarifvertrag.

Als wichtiger Bereich für diese Kostensenkung wird dabei oft "Logistik" genannt – es geht um die Verteilung von Vorprodukten oder Waren im Betrieb, an andere Produktionsstätten oder an Kunden. Forderungen von Gewerkschaften, dieses Outsourcing gesetzlich zu unterbinden oder stärker zu reglementieren, lehnten Manager von vorneherein ab. "Der Staat soll sich heraushalten", war die einfache Logik der Unternehmenslobbyisten.

Ganze Branchen haben sich so entwickelt: Firmen, die Logistik für große Unternehmen übernehmen. Die Folgen sind heute an vielen Stellen spürbar. Wer mit Vertretern dieser Logistik-Spezialisten spricht, hört häufig "wir finden keine Leute!". Was bei den niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen mit Nacht- oder Wochenendarbeiten Außenstehende nicht verwundert.

Es kommt auch nicht überraschend. Vorstände oder Geschäftsführer haben ein Risikomanagement zu betreiben – dabei sind unternehmensweit Risiken zu ermitteln und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Im Personalbereich zählt dazu Personalmangel und häufig eine Altersstrukturanalyse, um Fluktuation durch Renteneintritte zu erkennen. Eine Rolle spielt der demografische Wandel. Dabei ist es recht einfach auszurechnen, wann nach der Geburt mit einem Schulabschluss, mit der Berufsaufnahme und wann mit dem Renteneintritt gerechnet werden kann.

Ein wichtiger Teil der Personalplanung ist die Personalbeschaffung, häufig als "Recruiting" bezeichnet. Die Personalbeschaffung ist Teil der Personalwirtschaft und befasst sich mit der Deckung eines zuvor definierten Personalbedarfs. Ihre grundsätzliche Aufgabe besteht darin, das Unternehmen bedarfsgerecht und kostengünstig mit potenziell qualitativen Arbeitskräften zu versorgen. So wird es in den Universitäten vermittelt und in vielen Fachbüchern verbreitet.

"Die Bundesregierung muss jetzt umsteuern", fordert Sarna Röser, Bundesvorsitzende von "Die jungen Unternehmer", stattdessen jetzt staatliches Handeln. Die eigenen Strategien zu hinterfragen, Löhne zu erhöhen und die Arbeitsbedingungen zu verändern, ist keine Forderung dieser Kreise.

Was schiefläuft, zeigt ein aktuelles Beispiel. Bei der ökologischen Modernisierung im Gebäudesektor ist insbesondere das Handwerk gefragt. Wichtige Aufgabe von Fachkräften ist es, Dächer zu dämmen, Wärmepumpen einzubauen oder Lüftungssysteme zu installieren. Allein der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) geht davon aus, dass im Moment im Heizungssegment rund 60.000 Fachkräfte fehlen.

Um Abhilfe zu schaffen, hat die Landesvereinigung Bauwirtschaft Niedersachsen ein neues Projekt "Helfende Hände" ins Leben gerufen. So sollen ungelernte Arbeitskräfte in sechs Monaten zu Helfer in der Energie- und Gebäudetechnik fortgebildet werden. "Schmalspurqualifizierungen helfen nicht", kritisiert der DGB Niedersachsen.

Um die komplexen Aufgaben der Klimatransformation zu meistern, bedarf es gut ausgebildeter Experten. Zudem sei vollkommen unklar, woher potenzielle Beschäftigte kommen sollen, und was mit ihnen geschieht, wenn ihre Kurzqualifikation nicht mehr gefragt ist. Perspektiven und nachhaltige Arbeitsverhältnisse werden so nicht geschaffen.

Erfolgversprechend sind hingegen andere Wege. Eine abgeschlossene Berufsausbildung ist das Fundament für ein breites fachliches Rüstzeug. Allerdings bilden immer weniger Betriebe aus, sodass viele junge Menschen unter Ausbildungslosigkeit leiden, kritisieren die Gewerkschafter. Neben mehr Ausbildungsplätzen kommt es auch darauf an, ausgebildete Fachkräfte stetig weiterzuqualifizieren.

Wie schlecht die Arbeitsbedingungen in vielen Branchen sind, spielt in Medienberichten zu "Fachkräftemangel" selten eine Rolle. Zu den fünf Berufen mit den schlechtesten Bewertungen im aktuellen DGB Ausbildungsreport gehören: Kauffrau/-mann im Einzelhandel, Hotelfachfrau/-mann, Köchin/Koch, nur knapp darüber liegt der Beruf als Verkäuferin/Verkäufer. Ähnliche Ergebnisse zeigen sich seit Jahren, sowohl bei der Zufriedenheit als auch bei der Ausbildungsqualität. Es sind genau die Branchen, die am lautesten über den Fachkräftemangel klagen.

Langes Warten auf Handwerkerhilfe, geschlossene Läden, fehlende Medikamente – ob ein Wirtschaftssystem, das derartige Probleme bereitet, überhaupt das richtige ist, damit beschäftigt sich das Risikomanagement nicht. Eine Frage, die Manager nicht umtreibt, kann für die Mehrheit der Menschen aber eine wichtige sein.

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