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Von Sanktionen bis Drohnen: Wie weit werden Iran und Russland aneinanderrücken?

Der russische Präsident Wladimir Putin und der iranische Präsident Ebrahim Raisi bei einem Treffen in Teheran, 9. Juli 2022. Bild: Russisches Präsidentenbüro / CC BY 4.0 Deed

Russland näherte sich mit Ukraine-Krieg an, Iran hilft Moskau militärisch. Aber ökonomisch und geopolitisch ist die Lage schwierig. Unser Autor war gerade im Iran. Ein Lagebericht.

Unmittelbar nach Beginn der Ukraine-Invasion durch Russland und den umfassenden Sanktionen des Westens begann Moskau rasch damit, seine Verbindungen nach Teheran auszubauen. Aus russischer Sicht ist dieses Verhalten leicht nachvollziehbar.

Moskau interessiert sich für den 40-jährigen "Erfahrungsschatz" der Iraner im Umgang mit einer großen Zahl von internationalen Sanktionen. Die Islamische Republik hat sich erfolgreich den verschiedensten Restriktionen angepasst, die sie etwa nicht daran hindern konnten, ein Atomprogramm zu entwickeln.

Neuer Rekordhalter bei der Sanktionsanzahl ist natürlich inzwischen unzweifelhaft Russland. Doch bei der Sanktionsqualität können die Iraner mehr als mithalten.

Russland als guter Drohnenkunde

Vor dem Krieg war der Iran kein vorrangiger Partner für die Russische Föderation. Es war vorwiegend dem gescheiterten Blitzkrieg unmittelbar nach Beginn der Invasion geschuldet, dass man näher an den Golfstaat heranrückte.

So folgte kurz darauf im Sommer 2022 die Nachricht, dass die iranische Seite Waffen an Russland liefere, vor allem die inzwischen praktisch täglich eingesetzten Shahed-136-Drohnen zum Angriff auf ukrainische Städte.

Auch iranische Experten und Militärausbilder sind nach Russland gereist und helfen ihren russischen Kollegen. In Jelabuga in der russischen Teilrepublik Tatarstan entstand mit iranischer Technologie ein Werk zur Drohnenherstellung. Solche Installationen brachten den Iranern auch Ansehen – noch nie in der modernen Geschichte des Landes waren seine Waffen so gefragt.

Moskauer Lippenbekenntnisse und Symbolgesten

Im Gegenzug hofften die Iraner auf russische Militär- und Nukleartechnik. Moskau hat es hier aber nicht eilig, seine Errungenschaften mit Teheran zu teilen.

Bisher beschränkt sich der Transfer auf lange und unverbindliche Absichtserklärungen. Als schöne Geste schickten die Russen jedoch den iranischen Weltraumsatelliten "Khayyam" in die Umlaufbahn, benannt nach einem international berühmten mittelalterlichen, persischen Dichter.

"Offenbar wurde der Name gewählt, weil Omar Khayyam in Russland beliebter ist als im Iran selbst" meint dazu der in Berlin lebende iranische Politologe Amir Chakhaki gegenüber Telepolis.

Keine Kampfflugzeuge von Russland

Außer Weltraumtechnologie hat Russland dem Iran noch nichts geliefert. Das gilt auch für Waffen.

Das sorgt in Teheran für Unmut, da man auf den Kauf von Su-35 Mehrzweckkampfflugzeugen hoffte. Darüber gab es bereits eine Einigung unter dem früheren iranischen Präsidenten Hassan Rohani.

Dass sich die Lieferung dennoch verzögert, führen Experten auf russisch-israelische Geheimdienstkontakte zurück. Der Iran könnte den russischen Kampfjet von Syrien aus gegen Israel einsetzen und Moskau möchte die Beziehungen zu Tel Aviv deswegen nicht gefährden.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit stagniert

Auch im wirtschaftlichen Bereich ist das traditionelle Misstrauen zwischen Teheran und Moskau nicht überwunden. Vor dem Krieg schreckten hier russische Unternehmen vor Investitionen im Iran zurück, um nicht unter westliche Sanktionen zu fallen.

Diese Hürde dürfte eigentlich nicht mehr in diesem Ausmaß bestehen, aber das Handelsvolumen zwischen dem Iran und Russland blieb dennoch auf dem gleichen Niveau – etwa fünf Milliarden US-Dollar.

Nur zum Vergleich: Das Handelsvolumen zwischen Russland und der Türkei kletterte seitdem um mehr als 80 Prozent auf 62 Milliarden US-Dollar.

Im Juli 2022 unterzeichnete der russische Öl- und Gasriese Gazprom und die National Iranian Oil Company (NIOC) ein Memorandum über eine Energiekooperation mit einem Volumen von 40 Milliarden US-Dollar. Doch auch dieses Dokument ist bisher ein Papiertiger und verpflichtet beide Seiten bisher zu nichts.

Keine Hilfe bei territorialen Streitigkeiten

Ein zusätzliches Ärgernis in den iranisch-russischen Beziehungen ist Moskaus Position in Bezug auf drei Inseln in der strategisch wichtigen Straße von Hormus: Groß-Tunb, Klein-Tunb und Abu Musa.

Noch in der Zeit des Schah 1971 erlangte der Iran – damals mit britischer Hilfe – die Kontrolle über diese Inseln mit reichen Ölvorkommen. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) erachten diese Inbesitznahme jedoch bis heute als illegal und bestreiten das iranische Eigentum an den Inseln.

2023 unterzeichnete dann Russlands Außenminister Lawrow gleich zweimal im Rahmen der Teilnahme an russisch-arabischen Foren Dokumente, in denen der Anspruch der Emirate an diesen Inseln bekräftigt wurde.

Deshalb wurde der diplomatische Vertreter Russlands in Teheran auch zweimal ins dortige Außenministerium zitiert. Es ist offensichtlich, dass diese Gesten Moskaus gegenüber den Emiraten von wirtschaftlichen Erwägungen bestimmt werden. Während der russische Handel mit dem Iran stagniert, stieg der zwischen Russland und den VAE 2022 um 68 Prozent und erreichte den Rekordwert von neun Milliarden US-Dollar.

Zweifel am iranischen Russlandkurs

"Ich glaube, der Iran hat einen strategischen Fehler begangen, als er Waffen an Russland verkaufte und sich so mit der Ukraine überwarf. Dadurch hat Teheran nur die Bedrohungen aus dem Ausland erhöht und gleichzeitig eine Wiederaufnahme des Atomabkommens verhindert", sagt der in London lebende iranische Oppositionsführer und Politologe Peyman Aref.

Im Iran selbst sieht man das Militär als alleinig treibende Kraft, die die Belieferung Russlands forciert, wobei es dabei vom Obersten Führers des Landes, Ayatollah Ali Khameni, unterstützt wird.

Diplomaten wurden vorab davon nicht informiert. Jetzt, im Zuge der Unzufriedenheit Teherans in Bezug auf seine territorialen Ansprüche, nutzen sie die Gelegenheit, um ihren Unmut zu äußern.

Wir glauben an die territoriale Integrität jeden Landes, auch der Ukraine, die auf der Grundlage des Völkerrechts oberste Priorität haben sollte,

… meinte sogar der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian im Juli 2023.

Im iranischen Volk wird die russische Invasion von vielen als Kolonialkrieg wahrgenommen. Die Iraner sind sehr geschichtsbewusst und erinnern sich daran, wie zu Beginn des 19. Jahrhunderts iranisches Gebiet vom Russischen Reich in Besitz genommen wurde.

Oder wie sowjetische Truppen erst durch Intervention des damaligen US-Präsidenten Truman gezwungen wurden, iranisches Territorium zu verlassen. "Das ist ein Angriffskrieg und ich halte es nicht für richtig, dass wir Russland hier unterstützen", sagt etwa Murtaza, ein 41-jähriger Besitzer einer Autowerkstatt im Süden Teherans, gegenüber Telepolis. Er gibt damit ein oft geäußerte Meinung im Iran wieder.

Hohes Ansehen der russischen Kultur

Großer Respekt herrscht im Iran jedoch allgemein vor der russischen Kultur. In den Buchhandlungen finden sich persische Übersetzungen aller russischen Klassiker wie Tolstoi oder Dostojewski, aber auch von modernen russischen Schriftstellern.

Das Bildungsministerium empfiehlt neben Englisch, Deutsch und Französisch auch den Erwerb des Russischen als Fremdsprache für den Unterricht. Dadurch hat Russland im Iran kein generell schlechtes Image.

Dennoch sind die Beziehungen zwischen beiden Ländern zerbrechlich. Moskau und Teheran werden einen weiteren diplomatischen Skandal nicht überleben, meint Amir Chakhaki. "Die Beziehungen können weiter wachsen und sich entwickeln. Aber nur bis zum ersten Verrat".


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