Wahl ohne klaren Signale

Nach der Dresdner Nachwahl erklären sich CDU und SPD zum Sieger

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Es waren nur knapp 219000 Wähler, die am Sonntag in Dresden ihre Stimme abgegeben haben. Doch nach dem Medieninteresse zu urteilen, hätte man denken können, von diesen Stimmen wird die künftige Regierungskonstellation in Deutschland abhängen. Es scheint, als erhofften sich manche, in Dresden könne der gordische Knoten durchschlagen werden, der die Regierungsbildung so schwer macht (Wahl-Dorado links der Elbe). Doch wer darauf spekulierte, muss zunächst enttäuscht sein. Das Wahlergebnis setzte vielmehr keine klaren Signale, so dass sich sowohl SPD als auch CDU zum Gewinner erklärten.

Zwar hat Andreas Lämmel für die CDU als Direktkandidat gewonnen. Die Unionsparteien verfügen damit über 226 Sitze im Bundestag, während es der SPD nicht gelang, zu ihren bisher 222 Abgeordneten ein Mandat hinzugewinnen. Das komplizierte Wahlsystem brachte es mit sich (Falsch gewählt: Warum eine Stimme schädlich sein kann), dass zwei erst vor zwei Wochen gewählte Abgeordnete ihre Ämter doch nicht antreten können. Betroffenen sind der CDU-Abgeordnete aus Nordrhein-Westfalen Cajus Julius Caesar und die ebenfalls aus NRW stammende FDP-Mandatsträgerin Petra Müller. Für sie rücken die CDU-Abgeordnete Anette Hübinger aus dem Saarland und für die FDP Christoph Waitz aus Sachsen in das Parlament ein. Das Stühlerücken fand also innerhalb der jeweiligen Parteien statt.

Die Reaktionen der Parteien erinnerten an die Wahlnacht vor zwei Wochen. Verlierer scheint es keine gegeben zu haben. CDU-Generalsekretär Volker Kauder sieht nach dem Ergebnis der Nachwahl in Dresden die Position von Kanzlerkandidatin Angela Merkel und der Union insgesamt gestärkt: "Wir setzen auf die vernünftigen Kräfte in der SPD, dies jetzt nachzuvollziehen", sagte er. Die Union beharre darauf, "dass die stärkste Gruppe auch die Führungsrolle übernehmen muss". Ähnlich äußerte sich Hessens Ministerpräsident Roland Koch zur Dresdner Nachwahl. "Ich betrachte es als ein Signal für Angela Merkel", sagte er.

Doch auch der SPD-Vorsitzende verspürte Rückenwind durch das Ergebnis und sah keine Notwendig vom Anspruch seiner Partei auf das Kanzleramt abzurücken. Dieses Mal war es das Zweitstimmenergebnis, das Müntefering als einen Sieg seiner Partei wertete. Tatsächlich lag die SPD hier vor der CDU. Allerdings hatte die CDU gar kein Interesse an einem besonders guten Zweitstimmenergebung. Denn es hätte sogar passieren können, dass die Union nach der Tücke des Wahlgesetzes ein Überhangmandat an die SPD hätte abgeben müssen. Deshalb hatte die CDU in den letzten zwei Wochen die Parole „taktisch wählen“ ausgegeben und dazu aufgerufen, die Zweitstimme den FDP-Kandidaten zu geben. Daher konnte Westerwelle auch am Abend über das „sensationelle“ Wahlergebnis seiner Partie jubeln. Die hatte fast 18 % der Zweitstimmen bekommen.

Allerdings wird sich jetzt der Druck auf die beiden großen Parteien verstärken, zügig zu einer Lösung bei der Regierungsbildung zu kommen. Der Dresdner Wahltermin galt allgemein als die Frist, die den Parteien von den Medien und auch den Wählern eingeräumt wurde, um sich in der neuen Unübersichtlichkeit eines 6- und nach SPD-Meinung gar 7-Parteien-Parlaments zu Recht zu finden. Nun war natürlich nicht zu erwarten, dass die Parteien noch in der Nachwahlnacht ihre bisherige Verhandlungsstrategie komplett über den Haufen werfen. Aber die Zwischentöne waren schon interessant. So hat Müntefering im heute-Journal eine große Koalition ohne Schröder nicht mehr völlig ausgeschlossen. Für das Land wäre Schröder als Kanzler zwar die beste Lösung, aber "in solchen Verhandlungen müssd über die Gesamtkonstellation der Regierung zu sprechen sein, so der Parteivorsitzende Auch bei dem Zeitplan ging er auf die Union zu, indem er zugestand, dass die Kanzlerfrage vor der Klärung von Sachfragen entschieden werden könne.

Schon in der vergangenen Woche haben führende Sozialdemokraten angedeutet, dass die SPD auf das Kanzleramt verzichten könne, wenn es eine Kompensation dafür gebe. Die kann aus einem Außenminister Schröder ebenso bestehen wie in der Wiederwahl von Wolfgang Thierse zum Bundestagspräsidenten. In den letzten Tagen mangelte es nicht an solchen und ähnlichen Modellen einer Zusammenarbeit in der großen Koalition auf gleich berechtigter Grundlage. Nach der Dresdner Wahl steht dürfte der Praxistest nicht lange auf sich warten lassen.