War Friedrich Naumann ein Liberaler?

In der FDP streitet man um den Namenspatron der Parteistiftung

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Der 1860 geborene und 1919 verstorbene Sachse Friedrich Naumann ist der Namenspatron der FDP-Parteistiftung. Der evangelischer Pfarrer und Parlamentsabgeordnete stand im Kaiserreich für eine Richtung des Liberalismus, die zutage tretende Widersprüche der Weltanschauung unter anderem mit Anleihen aus der Sozialdemokratie zu begegnen versuchte. Zwei seiner bekanntesten Aussprüche lauten "dass nur der frei sein kann, der weiß, wovon er die nächsten vier Wochen lebt" und: "Der Sozialismus ist die denkbar weiteste Ausdehnung der liberalen Methode auf alle modernen Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnisse."

Auch wenn der von ihm gegründete Nationalsoziale Verein einen heute sehr irreführenden Namen trägt, weil sich Naumann beispielsweise scharf vom Antisemitismus abgrenzte, weist seine Biografie doch durchaus dunkle Stellen auf. Das betrifft vor allem seine Begeisterung für größere Einheiten, auf die die Weltgeschichte seiner Ansicht nach hinstrebt. Deshalb war er vom Osmanenreich auch dann noch begeistert, als dort bereits massenhaft Armenier ermordet wurden, und propagierte ein Mitteleuropa als Wirtschaftsunion unter deutscher Führung.

Friedrich Naumann 1911

Die FDP-Untergruppe Liberaler Aufbruch, deren bekanntester Vertreter der "Eurorebell" Frank Schäffler ist, hat nun öffentlich die Frage aufgeworfen, ob der Patron der Parteistiftung überhaupt ein "Liberaler" war. Die Meinungen, die dazu geäußert werden, sind ausgesprochen verschieden.

Einige stören sich an der historischen Begrifflichkeit seines Nationalsozialen Vereins und ziehen daraus offenbar voreilige Schlüsse: So vermutet etwa ein Mario K. in ihm einen "strammen Antisemiten". Ein Marco K. zitiert in diesem Zusammenhang seinen Ausspruch "Weil wir den Sozialismus politisch stärken wollen, sind wir für Vaterland, Kaisertum und Flotte" und ein Dominik E. eine Frage-Antwort-Kombination, die er in den "Grundlinien des Nationalsozialen Vereins" entdeckt hat: "Was ist das Soziale? Es ist der Trieb der arbeitenden Menge ihren Einfluss innerhalb des Volkes auszudehnen". Für E. ist Naumann allerhöchstens "neokonservativ" und "dass die FDP eine parteinahe Stiftung unter diesem Namen unterhält", hält er für "eine Schande für jeden denkenden Menschen".

Andere erkennen Parallelen zwischen Naumanns "Mitteleuropa"-Teleologismus und der "Alternativlos"-Argumentation der EU-Politiker von heute. Für Thorben M. ist Naumann deshalb eher ein historischer Wolfgang Schäuble als ein Liberaler. In diese Kerbe schlägt auch der bereits genannte Dominik E., wenn er erneut aus dem Werk des FDP-Ahnen zitiert: "Können wir Deutschen uns in den großen Kämpfen der Zukunft nicht neutral verhalten? Wir können es, wenn wir wollen, daß unser Volk untergeht. […] Inwiefern würde eine Neutralität den Untergang herbeiführen? Weil sie zu unserer wirtschaftlichen Abschließung und damit zu Mangel und Not führen müßte."

Ein Helmut Z. dagegen meint, heute könnten sich "so Einige ein Beispiel [an Naumann] nehmen" und ein Alexander E. fragt zurück, ob denn der aktuelle FDP-Vorsitzende Rösler überhaupt ein Liberaler ist. "Die FDP", so der Facebook-Kommentator, "sollte wieder zur Sozialen Marktwirtschaft zurückfinden und den angelsächsischen Kapitalismus vergessen".

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