Warum macht sie weiter?

Obama gewinnt Nordcarolina, Clinton Indiana

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Bei der Abstimmung auf der Pazifikinsel Guam am Samstag konnten sich die beiden Bewerber jeweils zwei Delegierte sichern. Wesentlich bedeutsamer waren die gestrigen Vorwahlen in den beiden relativ bevölkerungsreichen Bundesstaaten Indiana und Nordcarolina. Den Südstaat gewann wie erwartet der schwarze Bewerber mit deutlichem Vorsprung. Im Mittelwesten blieb das Rennen länger offen – am Vormittag konnte dort aber schließlich doch die Favoritin Clinton mit knapper Mehrheit durchsetzen.

In Nordcarolina hatte Obama in den meisten Umfragen klar geführt, in Indiana dagegen Clinton. Um noch eine Mehrheit bei den gebundenen Delegierten zu erreichen, hätte die Kandidatin nicht nur beide Bundesstaaten gewinnen müssen, sondern auch sehr hoch. Wenn sie (worauf eine von ihr nach dem Bekanntwerden des voraussichtlichen Wahlergebnisses gehaltene Rede hindeutet) trotzdem nicht aufgibt, kann dies zwei Gründe haben: Einer davon ist, dass sie auf eine deutliche Mehrheit bei den Superdelegierten spekuliert, die sie durch Verweise auf landesweite Umfragen, Siegprognosen über McCain oder Angreifbarkeiten Obamas fördern könnte. Letztere perlten lange von dem Kandidaten ab, konnten aber über stetige Wiederholung und Medienpräsenz mittlerweile doch greifen:

Sie sind ein Grund dafür, dass Obamas Kurs in landesweiten Umfragen deutlich einbrach: NBC und Wall Street Journal hatten im März ermittelt, dass 51 Prozent der Wähler ein überwiegend positives und nur 28 ein eher negatives Bild von Obama hatten. Anfang Mai war der erste Wert auf 46 Prozent gesunken und der zweite auf 37 Prozent angestiegen.

Ein gleichzeitig veröffentlichtes Meinungsbild von CNN und Opinion Research sah Obamas Vorsprung unter Demokraten innerhalb eines Monats von 52 auf 46 Prozent geschrumpft. Das Pew Research Center ermittelte einen ähnlich knappen Vorsprung von 47 zu 45. Im Vormonat hatte Obama bei diesem Meinungsforschungsinstitut noch mit 49 zu 39 Prozent geführt. In einer am Montag veröffentlichten Umfrage der Zeitung USA Today liegt Clinton in der "Zielgruppe" derzeit sogar vorne: Danach entschieden sich 51 Prozent der landesweit befragten demokratischen oder unabhängigen Wähler für Clinton und lediglich 44 Prozent für Obama.

Auch bei den Siegchancen gegen McCain setzten einer vom konservativen Fernsehsender Fox News und Opinion Dynamics durchgeführten Umfrage zufolge deutlich mehr Demokraten auf Clinton als auf Obama. Hier beträgt ihr Vorsprung jetzt zehn Prozentpunkte, während im letzten Monat noch Obama mit vier Prozentpunkten vorne lag.

Bessere Chancen in den "Swing States"

Für Clinton noch nützlicher sind die Ergebnisse einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Umfrage der Quinnipiac University: Danach würde die Kandidatin bei den Wählern in "Swing States" wie Pennsylvania, Ohio und Florida gegen McCain besser abschneiden als Obama: In Florida läge Clinton mit 49 Prozent vor McCain mit 41 Prozent, in Ohio mit 48 zu 38 Prozent und in Pennsylvania mit 51 zu 37 Prozent. Dagegen läge Obama in Florida und Ohio nur gleichauf mit McCain. In Pennsylvania ermittelte das Institut für ihn einen deutlich geringeren Vorsprung von 47 zu 38 Prozent gegen den Republikaner. Da die Wahl im November in solchen "Swing States" entschieden wird, in denen die Wähler nicht auf demokratische oder republikanische Mehrheiten festgelegt sind, könnten sich viele Superdelegierte durch die Quinnipiac-Umfrage veranlasst sehen, um des Gesamtsieges willen auf Clinton zu setzen.

Eine andere Erklärung für das Verhalten Clintons, über die spekuliert wird, ist, dass sie nicht mehr um die aktuelle Präsidentschaftswahl, sondern um die im Jahr 2012 kämpft. Wird nämlich Obama Präsident, dann ist fast sicher, dass er auch 2012 als Amtsinhaber für eine zweite Legislaturperiode antritt. Ob Clinton dann 2016 mit fast siebzig Jahren noch einmal aufgestellt und gewählt wird, ist eher fraglich. Wird aber McCain 2008 Präsident, dann könnte sich die ehemalige First Lady gute Chancen ausrechnen, in vier Jahren gegen ihn oder seinen Nachfolger nominiert zu werden. Insofern wäre es für sie tatsächlich rational, den Ruf Obamas so nachhaltig zu beschädigen, dass er gegen McCain verliert.