Was wird aus RWE und E.on?

Die Energie- und Klimawochenschau: Von prüder Propaganda, uralten Kraftwerken und zerbröselnden Energiekonzernen

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Viel los derzeit in Sachen Klima- und Energiepolitik. In Belgien wurde nach einem Brand am Montag bereits das vierte von sieben Atomkraftwerken abgeschaltet, E.on will, wie berichtet) seine Kohle- und Atomkraftwerke auslagern, in Perus Hauptstadt Lima hat die diesjährige UN-Klimakonferenz begonnen, das Bundeskabinett will am morgigen Mittwoch ein Klimaaktionsprogramm beschließen und das Bundesumweltministerium meint, wie ebenfalls schon gemeldet), mit mehr Prüderie das Klima retten zu können.

Vögeln sollen wir, geht es nach diesem Propaganda-Video des Ministeriums, nur noch im Dunkeln, weil es erstens sowieso eher peinlich ist und zweitens das Klima schont (Sex im Dunkeln zum Energiesparen). Nun lassen wir mal lieber alle Beischlafstatistiken beiseite und fragen nur, was denn eigentlich davon zu halten ist, dass sich eine Stromsparkampagne ausschließlich an Privatpersonen richtet. Welche Relevanz hätte es, wenn wir immer schön das Licht ausmachen?

Ein Blick in den Jahresbericht der AG Energiebilanzen rückt die Verhältnisse zurecht. Demnach waren private Haushalte 2013 gerade für 26 Prozent des Nettostromverbrauchs verantwortlich. Auf Bergbau und verarbeitendes Gewerbe entfielen hingegen 46 Prozent und auf Handel und Gewerbe weitere 14 Prozent. Die Verhältnisse sind übrigens seit vielen Jahren konstant, Energiesparappelle an Privatpersonen also nicht erst seit neuestem verfehlt. Zumal der Anteil der Haushalte an der Bruttostromerzeugung mit rund 22 Prozent sogar noch erheblich niedriger ist.

Mit privatem Konsumverhalten lässt sich nun einmal nicht steuern, wie viele Braunkohlekraftwerke für den Export laufen (immerhin etwas mehr als fünf Prozent der Bruttoerzeugung). Auch an der Tatsache, dass Kohle und Atomkraftwerke einen erheblichen Eigenverbrauch haben (weitere rund fünf Prozent der Bruttoerzeugung) können private Haushalte mit dem Griff zum Lichtschalter wenig ändern.

Erzwungene Verschwendung

Der private Verbrauch ist übrigens schon seit Jahren nahezu konstant bei etwa 140 Terawattstunden (TWh, Milliarden Kilowattstunden). Ein nicht unwesentlicher Teil davon geht für die besonders verschwenderische Umwandlung von Strom in Wärme drauf. Zehn bis 15 TWh nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe zum Beispiel allein für Nachtspeicheröfen und eine ähnliche oder größere Menge für elektrische Durchlauferhitzer.

Meist sind es Mieter, die in ihren Wohnungen solche Geräte vorfinden und kaum etwas gegen den mit ihnen verbundenen hohen Verbrauch unternehmen können. Diese Geräte sind es auch, die Menschen mit geringem Einkommen in die Energiearmut treiben, wie Telepolis-Autor Klaus Heck aus seiner Praxis als Berater berichtet (Prepaid-Strom für Arme - Ist das smart?). Stromsperren sind demnach weniger eine Folge des hohen Strompreises als des erzwungenen hohen Stromverbrauchs.

Nur am Rande: Dieser Zusammenhang hat die alte Bundesregierung 2013 nicht davon abgehalten, das für 2019 vorgesehene Verbot von Nachtspeicheröfen wieder aufzuheben. Nun gelten sie auf einmal als eine Möglichkeit zum Speichern von überschüssigem Strom, was Unsinn ist. Denn erstens können sie natürlich die gespeicherte Wärme nicht wieder zurück in Strom verwandeln. Und zweitens sind sie höchst unflexibel und alles andere als komplementär zu Wind und Sonne.

Als größtes Speicherproblem für den grünen Strom gelten winterliche windarme Hochdrucklagen, die zugleich tendenziell viel Nebel mit sich bringen und damit auch den Ertrag der Solaranlagen minimieren. Gerade in solchen Zeiten ist aber der Heizbedarf besonders hoch. Das heißt, elektrische Nachtspeicheröfen sorgen für erhöhte Stromnachfrage in Zeiten, in denen Wind und Sonne besonders wenig liefern.

Generationswechsel

Aber wie ist es jetzt mit den Kohlekraftwerken? Brauchen wird die denn eigentlich noch, und liegt es wirklich nur daran, dass wir zu oft das Licht unnütz oder vermeintlich unnütz brennen lassen? Die Frage spielt eine besondere Rolle im Zusammenhang mit dem Aktionsprogramm, dass die Bundesregierung am morgigen Mittwoch verabschieden will.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte im Vorfeld eine Lanze für die Kohleverstromung gebrochen, doch ohne die Stilllegung erheblicher Kapazitäten ist das 40-Prozent-Ziel bis 2020 nicht mehr zu schaffen. In sechs Jahren sollen die deutschen Treibhausgasemissionen auf drei Fünftel des Niveaus von 1990 zurückgefahren sein, hatte die erste Regierung Merkel-Gabriel bereits vor acht Jahren beschlossen, allerdings ohne die dafür nötigen Maßnahmen vollständig einzuleiten. (Klimaschutzlücke).

Kürzlich hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung eine eher zahme Studie vorgelegt, die die Abschaltung einer Reihe zusätzlicher Kohlekraftwerke fordert, um das - unzureichende - Klimaschutzziel noch erreichen zu können. Interessant sind an der Studie vor allem die in ihr enthaltenen Daten über die Altersstruktur des deutschen Kraftwerkparks.

Es zeigt sich nämlich, dass etliche Kohlekraftwerke schon wahre Methusalems sind, dass also ohnehin ein Generationswechsel ansteht. Das ergibt übrigens auch schon ein Blick auf die sogenannte Kraftwerksstilllegungsanzeigenliste der Bundesnetzagentur (schönes Wort, das sogar noch einen Buchstaben mehr als die legendäre Donaudampfschifffahrtsgesellschaft hat). Auf der sind insgesamt 48 Anlagen mit knapp 13 Gigawatt Leistung verzeichnet, deren Stilllegung beantragt, aber in den meisten Fällen noch nicht genehmigt wurde.

Meist handelt es sich dabei um Gas- und Kohlekraftwerke, wobei besonders bei ersteren nicht immer das Alter im Vordergrund steht. Die nicht ganz so klimaschädlichen Gaskraftwerke haben es derzeit wegen des niedrigen Börsenstrompreises schwer, am Markt zu bestehen. Die DIW-Studie hatte gezeigt, dass es schon für die nächsten Jahre reichen würde, ein paar besonders alte und ineffiziente Kohlekraftwerke zusätzlich vom Netz zu nehmen, um diese zu ändern. Der Börsenpreis würde nach den präsentierten Modellrechnungen so weit steigen, dass Gaskraftwerke wieder wirtschaftlich betrieben werden könnten.

Ineffiziente Braunkohle

Aber zurück zur Altersstruktur des Kraftwerksparks. Die DIW-Daten zeigen, dass rund die Hälfte der Steinkohle-Kapazitäten bereits älter als 30 Jahre ist. Das heißt, diese Anlagen dürften inzwischen abgeschrieben sein und nähern sich dem Ende ihres Lebenszyklus. Ab etwa 40 Jahren Laufzeit stellt sich gewöhnlich die Frage nach umfangreichen und kostspieligen Ersatzinvestitionen oder Stilllegung. Das wäre demnach für die Hälfte der Kapazitäten spätestens ab Mitte des nächsten Jahrzehnts der Fall.

Hinzu kommt für einige Altkraftwerke im Ruhrgebiet noch der Umstand, dass sie ab 2018 auf Importkohle umsteigen müssten. Dann läuft nämlich der deutsche Steinkohlebergbau aus, weil keine Subventionen mehr gezahlt werden. (Es werden Wetten angenommen, ob die Stromsteuer von 2,05 Cent pro Kilowattstunde, mit der diese Subventionen bisher finanziert wurden, dann abgesenkt wird.)

Ganz ähnlich stellt sich die Situation bei der Braunkohle dar, nur dass diese vor Ort gewonnen wird und nicht importiert werden muss. Letzteres würde angesichts des geringen Brennwertes ohnehin kaum Sinn machen. Auch hier ist fast die Hälfte der Kapazitäten bereits älter als 30 Jahre. Erschwerend kommt hinzu, dass die Altanlagen und auch eine ganze Reihe der in den 1980ern in der Lausitz errichteten Kraftwerke einen besonders niedrigen elektrischen Wirkungsgrad haben. Auch die Auskopplung von Wärme für die Versorgung von Gewerbe und Wohnungen verbessert diesen kaum, denn wegen der meist enormen Größe der Anlagen und des im Vergleich dazu geringen Bedarfs ist nur ein geringer Teil der Abwärme entsprechend nutzbar.

Ein Wirkungsgrad von 33 Prozent bedeutet, dass nur ein Drittel der in der Kohle gebundenen chemischen Energie in Strom umgewandelt wird. Der Rest geht meist durch Abgabe an die Umwelt verloren. Obige Abbildung veranschaulicht also, wie dramatisch schlecht die Energieausbeute in den Braunkohlekraftwerken ist und wie Alt diese zumeist sind.

RWE in der Klemme

Und sie zeigt, dass RWE, dem die besonders alten rheinischen Braunkohlekraftwerke gehören, in einer ziemlich wackeligen Position ist. Der Konzern wird sich in den nächsten Jahren nicht nur von seinen verbliebenen AKW trennen müssen. Auch die meisten Braunkohlekraftwerke sind eigentlich schon überfällig. Die Frage ist eigentlich nur noch, ob die Politik einen geordneten und im Interesse des Klimas möglichst raschen Übergang zu den erneuerbaren Energieträgern nebst der nötigen Speichertechnologie organisiert oder ob sie die Dinge einfach so weiter laufen lässt wie bisher.

Letzteres würde RWE noch ein paar Jahre ansehnliche Einnahmen verschaffen, den Konzern aber vermutlich mittelfristig nicht einmal retten. Die an ihm beteiligten Kommunen stehen ohnehin bereits vor der Frage, ob sie einem weiteren Wertverlust ihrer Beteiligungen zusehen wollen - die RWE-Aktie hat seit ihrem Höhenflug um 2008 bereits rund 60 Prozent verloren -, oder ob sie sich lieber früher als später von ihnen trennen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die RWE-Aktien künftig auch aus anderen Gründen schwer verkäuflich sein könnten. In einigen Ländern, nicht zuletzt in den USA, wird bereits seit einiger Zeit politischer Druck auf institutionelle Investoren wie Universitäten und Pensionsfonds ausgeübt, sich aus der fossilen Energiewirtschaft zu verabschieden. Diese Bewegung scheint auch in Norwegen angekommen zu sein, dessen Staatsfonds sowohl in E.on als auch in RWE viel Geld gesteckt hat. Das Managermagazin berichtete kürzlich, dass der dortige Staatsfonds, in dem über 600 Milliarden Euro aus den reichlich sprudelnden Öle- und Gaseinnahmen geparkt werden, den Ausstieg aus seinen RWE- und E.on-Beteiligungen erwägt. Der kleinere Pensionsfonds der norwegischen Beamten habt bereits den Kohleausstieg beschlossen.

Bei RWE seien die Norweger mit 2,2 Prozent (Wert: etwa 340 Millionen Euro) der zweitgrößte Investor. Außerdem hält der Staatsfonds auch noch RWE-Anleihen in erheblichem Umfang. E.on wie RWE müssten befürchten, durch einen Ausstieg der norwegischen Anleger, die an den internationalen Aktienmärkten zu den Giganten gehören, einen erheblichen Imageschaden zu erleiden. In einer Zeit, in der immer mehr Stiftungen und Fonds aus ethischen Gründen den Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft erwägen, stünden sie als "schmutziges" Unternehmen da.

Mag sein, dass das auch der Grund für die geplant Aufteilung von E.on ist, wie der Fachinformationsdienst IWR spekuliert. Bei E.on sind die Norweger nämlich noch stärker engagiert. Der Staatsfonds hält nach Angaben des Managermagazins Aktien im Wert von 592 Millionen Euro und die Regierung in Oslo im Wert weiterer 818 Millionen Euro. Hinzu kommen noch Anleihen in dreistelliger Millionenhöhe.

Und dann wäre da natürlich noch die Frage, was im Falle einer Aufspaltung der Konzerne oder ihres Auseinanderbrechens mit den Atomkraftwerken passiert? Wer wird für deren Stilllegung und Entsorgung aufkommen? Wer finanziert die Endlagerung? Wer kümmert sich um die Ewigkeitskosten des Nuklearzeitalters?