Wassenaar: Krypto-Geheimniskram in Wien

Stewart Baker, Ex-Berater der NSA, hält scharfe Restriktionen für Kryptographie-Exporte im Wassenaar Vertrag für möglich bis wahrscheinlich.

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Es herrscht die übliche Geheimniskrämerei rund um die diesjährige Plenarsitzung des Wassenaar Arrangement, die seit gestern, Mittwoch, an einem, wie nicht anders zu erwarten, geheimgehaltenem Ort in oder um Wien läuft. Das Wassenaar Arrangement Office in der Wiener Innenstadt mit seinem für maximal 100-120 Personen angelegten Sitzungssaal ist dafür zu klein, denn neben den Delegierten der 33 Unterzeichnerstaaten des Exportkontrollabkommens für waffentaugliche Güter sind auch die Expertengruppen für die einzelnen Sektoren der stetig wachsenden "Munitions List" angereist.

Was es trotz allem an Informationen gibt, ist alarmierend, zumal sich die Voraussage des generell gut informierten Stewart Baker zu bewahrheiten scheint. Der ehemalige General Counsel der National Security Agency (NSA) hat für diese Wassenaar-Sitzung eine fünfzig zu fünfzig Chance dafür vorausgesagt, dass die Präambel "General Software Note" des Wassenaar Arrangements restriktiv verändert wird. Im Sinne der Geheimdienste besonders aus den USA, Australiens, Englands, Frankreichs und anderer soll von der allgemeinen Freigabe von"over-the-counter" Software für den Massenmarkt nun explizit starke Kryptographie ausgenommen werden.

In Anpassung an die Veränderungen der US-Kryptopolitik könnten so 56bit "starke" Schlüssel freigegeben werden, während für wirklich sichere Verschlüsselung auch in bisher unregulierten Ländern wie Deutschland und Österreich plötzlich Exportkontrollen vorgeschrieben werden. Ganz offenbar besteht unter den Delegierten ein sehr breiter Konsens für diesen Schritt, der von Bürgerrechtsorganisationen weltweit seit Monaten befürchtet wird.

Wie desweiteren rund um das Jahrestreffen der globalen Geheimniskrämer verlautet, soll es in punkto kryptographischer Hardware, die bisher samt und sonders von Exportkontrollen betroffen war, in einigen Produktsegmenten Ausnahmen geben. Mit welchem Ergebnis die Sitzung tatsächlich zu Ende geht, ist deshalb schwer zu sagen, weil alle Wassenaar-Beschlüsse einstimmig zu erfolgen haben. Obwohl es also durchaus möglich ist, dass sich ein Unterzeichnerland querlegt, so halten Kenner des Wassenaar-Prozesses dies für wenig wahrscheinlich. Der betreffende Staat würde sich damit direkt mit den USA, Frankreich, England und anderen gleichzeitig anlegen und müsste bereit sein, die wirtschaftlichen Konsequenzen dafür zu tragen.