We' re back on Mars

"2001 Mars Odyssey"-Raumsonde meistert kritischste Missionsphase mit Bravour

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am 7. April startete sie von Cape Canaveral (Florida) Richtung Mars. Nach vier Kurskorrekturen, einer 200-tägigen Reise und einer zurückgelegten Strecke von 460 Millionen Kilometern schwenkte sie letzte Woche planmäßig in eine Umlaufbahn des Roten Planeten ein. Am Sonntag näherte sich die "2001 Mars Odyssey"-Sonde dem Planeten bis auf 135 Kilometer und weilte während des Abbremsmanövers erstmals sogar für sieben Minuten in seiner Atmosphäre. Endlich kann die NASA in Bezug auf den Mars wieder einen Erfolg verbuchen. Doch der "Mars Odyssey"-Satellit hat noch viele Hürden zu meistern, bevor er seine eigentliche Arbeit aufnehmen kann.

Mars - der Rote Planet. Von der Sonne aus gesehen der vierte Planet des Sonnensystems; Durchmesser: 6.787 Kilometer; Umlaufzeit um die Sonne: 687 Tage; 11 Prozent der Erdmasse; Anziehungskraft auf der Oberfläche: nur ein Drittel der Erdanziehung; zwei Monde, Phobos und Deimos Atmosphäre: 95 Prozent Kohlendioxid und 2,7 Prozent Stickstoff. Der Rest: Argon und Sauerstoff. Abstand zur Erde: variiert zwischen 56 und 400 Millionen Kilometer. Oberfläche: Im Winter große und helle Polkappen, die zu dieser Zeit aus gefrorenem Kohlendioxid (Trockeneis) sowie aus Wassereis bestehen und im Sommer stark abschmelzen. Temperaturen an den Polkappen: je nach Jahreszeit zwischen etwa minus 140 Grad und minus 15 Grad Celsius. Eigentümliche Färbung wird durch rötlichen eisenhaltigen Staub hervorgerufen. Südhalbkugel: übersät von Einschlagkratern; Nordhalbkugel: gewaltige Schildvulkane, darunter der Olympus Mons, mit 600 Kilometer Durchmesser und 27 Kilometer Höhe größter Vulkan des Sonnensystems.

Marsianer Steckbrief wird immer länger

Eigentlich könnte dieser stichwortartige Steckbrief noch seitenlang fortgesetzt werden, so umfassend ist inzwischen das Datenmaterial über unserem Nachbarplaneten Mars. Kein exoterrestrischer Planet ist jemals so detailliert über einen längeren Zeitraum beobachtet, fotografiert und kartografiert worden. Und kein Planet hat bis dato so häufig irdischen Besuch erhalten. Freilich, nur knapp Eindrittel der von Erde stammenden Robotersonden schafften den Sprung in den Orbit des erdnächsten Planeten. Der verbleibende Rest ging entweder beim Start, während des mehrmonatigem Hinflugs respektive beim Brems- oder Landemanöver verloren.

Anders verhielt dies bei den Mariner- und Viking-Missionen sowie bei der Pathfinder- (1997) und Mars Global Surveyor-Forschungsreise. Sie haben den NASA-Wissenschaftlern eine immense Datenmenge beschert, deren Auswertung bis auf den heutigen Tag noch nicht abgeschlossen ist. Allein der immer noch aktive amerikanische "Mars Global Surveyor", der seit 1519 Tagen (Stand: 30.10.2001) Jahren den Mars umkreist, hat schon über 78.000 hochauflösende Bilder zur Erde gefunkt.

Alsbald wird im Duett fotografiert. Denn vor wenigen Tagen hat "Mars Global Surveyor" endlich die erhoffte Verstärkung erhalten. Bei dem irdischen Neuankömmling handelt es sich um die im April von der Cape Canaveral Air Force Station in Florida gestartete Mars Odyssey -Sonde, die derweil sukzessive dabei ist, ihre Idealposition im Marsorbit zu beziehen. Äußerlich ist das Gerät wenig spektakulär, im Vergleich zu seinen Roboter-Kollegen bestenfalls durchschnittlich: gerade mal 758 Kilogramm schwer, 2,20 Meter lang, 1,70 Meter hoch und 2,50 Meter breit - nur der Preis ist überdurchschnittlich. Summa summarum 297 Millionen Dollar (330 Millionen Euro) soll die Mission kosten. Aber die Investition könnte sich schnell amortisieren, soll doch der neue Satellit 27 Monate lang den Mars zu geologischen Studien umkreisen und die Elemente und Mineralien an seiner Oberfläche erfassen. Ziel der Mission ist es, in Ergänzung zu ‚Mars Global Surveyor'mit drei wissenschaftlichen Experimenten die Marsoberfläche zu untersuchen und Strahlungsmessungen vorzunehmen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Suche nach Wasser und damit nach den Voraussetzungen von Leben.

1999 scheiterte Bremsmanöver

Gegenwärtig herrscht in den NASA-Bastionen in Kalifornien, Houston und Florida große Erleichterung, hat doch endlich wieder eine US-Raumsonde unbeschadet den Marsorbit erreicht. Vor allem die Mitglieder des Odyssey-Projektteams im Jet Propulsion Laboratory und des Kontrollzentrums in Pasadena, allen voran NASA-Chefingenieur Daniel McCleese, freuten sich: "Es ist wunderbar. Wir sind zurück auf dem Mars". Glücklicherweise hatte letzte Woche im Gegensatz zu den zwei Fehlschlägen im Jahr 1999 dieses Mal alles wie am Schnürchen geklappt. Seinerzeit verglühte Climate Orbiter, weil ein Techniker die metrischen Werte Meter und Fuß verwechselte. Fast zeitgleich zerschellte der Polar Lander: Aufgrund eines Softwarefehlers schalteten die Bremstriebwerke zu früh ab.

Kein Wunder also, dass die Nervosität der Projektbeteiligten ihren Höhepunkt erreichte, als das Odyssey-Hauptraketentriebwerk für das Bremsmanöver 19,7 Minuten lang zündete und die Sonde 10 Minuten später für weitere 20 Minuten planmäßig hinter dem Mars verschwand. Ursprünglich sollte unmittelbar nach Beginn der Brems-Operation ein kleines Signal von der Sonde das Zünden der Bremsraketen signalisieren. Doch die ersehnte Botschaft trudelte mit einer Verzögerung von viereinhalb Minuten ein. "Da habe ich doch etwas gezittert", gestand Projekt-Manager Matthew Landano. Allerdings kannte der Jubel bei der NASA keine Grenzen mehr, als eine Antenne des NASA-Deep Space Network Station das erste Signal des kleinen Satelliten auffing. "Die ersten Informationen, die wir erhalten haben, deuten darauf hin, dass alles hervorragend geklappt hat", freut sich Landano. "Die Triebwerke haben wie geplant funktioniert und jetzt kann die dreimonatige Aerobreaking-Phase beginnen."

Insbesondere dem Chef der US-Raumfahrtbehörde Daniel Goldin, der vor wenigen Tagen seinen Rücktritt angekündigt hat, fielen Zentnerlasten von den Schultern:

Das ist doch ein besseres Gefühl als das vor ein paar Jahren. Jetzt haben wir gezeigt, dass wir nach ein paar Rückschlägen doch zum Sieg in der Lage sind.

Tatsächlich gilt das Bremsmanöver als der heikelste Teil der Mission. "Das Zünden der Triebwerke und das Eintauchen in den Orbit war das kritischste Manöver der gesamten Mission", verdeutlicht David A. Spencer, Missionsmanager am JPL. "Wir sind sehr froh, dass wir das nun hinter uns haben". Jetzt aber gehe die Mission in eine weitere wichtige Phase, die "Tag und Nacht unsere Aufmerksamkeit" erfordere, erklärt der NASA-Spezialist.

Dreimonatige Aerobraking-Phase hat begonnen

Seit Freitag befindet sich die Sonde in der so genannten "Aerobraking"-Phase. Hierbei taucht die Sonde am niedrigsten Punkt ihrer elliptischen Umlaufbahn jeweils in die dünne äußere Atmosphäre des Roten Planeten ein. Durch die Luftreibung verringert sich bei diesem Manöver die Bahngeschwindigkeit der Sonde. Bei den beiden ersten Luft-Bremsmanövern flog ‚Odyssey' am Samstag und am Sonntag in 158 und 135 Kilometern Höhe über die Oberfläche des Mars hinweg. Dabei bremsen auch die an dem Raumfahrzeug angebrachten Sonnensegel die Fahrt der Sonde ab. "Es ist ein Job, der uns 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche beschäftigt hält, und wir rechnen damit, ihn für 78 bis 85 Tage machen zu müssen", so Spencer. Das langwierige Bremsmanöver wird voraussichtlich spätestens Ende Januar abgeschlossen sein.

Momentan befindet sich die Sonde auf einer elliptischen Umlaufbahn und umkreist den Mars etwa alle 20 Stunden einmal. Bereits im Februar nächsten Jahres soll "Odyssey" dann seinen endgültigen, kreisförmigen Orbit in einer Höhe von 400 Kilometern über der Marsoberfläche erreichen. Dort wird das Raumschiff den Mars etwa alle zwei Stunden einmal umkreisen - bis zum Juli 2004. Solange wird die systematische Vermessung der Marsoberfläche dauern. Zu diesem Zweck trägt die Sonde drei Instrumente: Ein Gammastrahlen Spektrometer (GRS), ein abbildendes Infrarot Spektrometer (THEMIS) und ein Instrument zur Untersuchung der Strahlung in der Marsumgebung (MARIE).

Zwar wird "Mars Odyssey" ähnliche Aufgaben wie "Mars Global Surveyor" übernehmen. Doch der eigentliche Auftrag besteht darin, nach Wasser und Orten zu suchen, wo sich Leben entwickelt haben könnte. "Die Sonde kann uns sagen, wo es sich lohnt, näher nachzusehen", so ein NASA-Wissenschaftler. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dabei helfen, geeignete Landestellen für zwei Mars-Roboter zu finden, deren Besuch für das Jahr 2004 geplant ist.