Weltmarkt oder Futtertrog: Wo ukrainisches Getreide landen soll

Europäische Staaten sind uneins über ukrainische Agrarexporte. Ukraine drängt auf klare Regeln in Brüssel für die kommenden fünf Jahre. Hier die Vorschläge.

Lebensmittel aus der Ukraine bereiten einigen Staaten aus der Europäischen Union Kopfzerbrechen. Weil sie nicht auf die Weltmärkte gelangen, drücken sie in diesen Ländern die Preise und bringen die hiesigen Landwirte in wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Innerhalb der EU wird das Thema kontrovers diskutiert und – wie sich immer stärker zeigt – verläuft ein Riss durch die Europäischen Union. Wie Telepolis von EU-Diplomaten erfuhr, sprechen die Ukraine-Anrainerstaaten inzwischen von einer "zum Teil existenzbedrohenden Situation" für die lokale Landwirtschaft.

Andere Länder haben dagegen wenig Verständnis dafür, dass diese Länder Maßnahmen zum Schutz ihrer Landwirtschaft ergreifen. Sie drängen darauf, dass die verhangenen Einfuhrverbote wieder aufgehoben werden.

Nun meldete sich auch der "Ukrainian Agribusiness Club" (UCAB) zu Wort und drängte darauf, dass die EU klare Regeln für den Import ukrainischer Agrarprodukte festlegt. Laut Reuters erklärte ein UCAB-Sprecher, dass die Probleme, mit denen ukrainische Exporte nach Europa konfrontiert seien, im Herbst erneut auftreten könnten. Nämlich dann, wenn die EU keine klare Position für die kommenden fünf Jahre beziehe.

Man befürchtet beim UCAB aber auch, dass die EU-Länder nicht damit umgehen könnten, dass Kiew die EU-Mitgliedschaft anstrebe. Denn dann dürften die Exporte aus der Ukraine in die EU zunehmen.

"Das Hauptproblem für die meisten Länder ist die landwirtschaftlich geprägte Ukraine, die mit 30 Millionen Hektar Land in die EU eintreten wird", sagte UCAB-Chef Alex Lissita gegenüber Reuters. Die EU wüsste nicht, was sie mit den Subventionen und mit dem heimischen Markt machen solle.

Die Frage bleibt noch offen, wie stark ein möglicher EU-Beitritt der Ukraine die Diskussion in Brüssel beeinflusst. Gegenwärtig geht es um verbotene Pestizide und Salmonellen, die Polen und die Slowakei in ukrainischen Exporten festgestellt haben wollen. Und die Diskussionen drehen sich um die Frage, wie gewährleistet werden kann, dass die ukrainischen Agrarprodukte auch auf den Weltmärkten ankommen.

Die fünf Anrainerstaaten – Polen, Bulgarien, Slowakei, Rumänien und Ungarn – sind mit ihren Bedenken auch nicht allein. Wie Telepolis aus Diplomatenkreisen erfuhr, zeigten sich auch die Niederlande offen für bestimmte Einfuhrbeschränkungen, etwa bei Eiern und Geflügel. Die Regierung in Amsterdam zeigte auch Verständnis für die aus phytosanitären Gründen verhangenen Einfuhrverbote. Anschließen wollte man sich den Maßnahmen allerdings nicht – aus Solidarität zur Ukraine.

Die Regierung in Warschau betonte kürzlich bei einem Treffen, weiterhin solidarisch mit der Ukraine zu sein. "Polen ist das führende Land in der EU, wenn es um die Unterstützung der Ukraine geht, aber das kann nicht auf Kosten der polnischen Landwirte geschehen", sagte der polnische Staatssekretär für Landwirtschaft, Janusz Kowalski, laut Financial Times.

Die Vertreter anderer Länder hatten wenig Verständnis für diese Haltung. Mehrere Agrarminister kritisierten die verhangenen Beschränkungen, weil sie angeblich nicht durch solide Daten gestützt seien, heißt es in der Financial Times.

Der stellvertretende tschechische Landwirtschaftsminister Miroslav Skřivánek habe den fünf Anrainerstaaten vorgeworfen, einem bedürftigen Nachbarn die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Und er erinnerte daran, dass 2004 zehn osteuropäische Länder aufgenommen wurden. "Die alten Mitgliedstaaten hatten keine Angst, uns auf ihre Märkte zu lassen: Jetzt kommt jemand und klopft an unsere Tür und braucht Hilfe", sagte er demnach.

Bei dem Treffen der EU-Agrarminister machten die fünf Anrainerstaaten noch einmal deutlich: Der Transit ukrainischer Agrarexporte zu den Weltmärkten soll gewährleistet bleiben, nur die Einfuhr soll untersagt sein.

Der ukrainische Agrarminister Mykola Solskyi versuchte bei dem Treffen, das Problem kleinzureden. Rekordernten in Brasilien seien für die niedrigen Getreidepreise verantwortlich und nicht die ukrainische Produktion. Und laut Financial Times betonte er, dass Landwirte in der EU ukrainisches Getreide benötigten, um ihr Vieh füttern zu können.

Mit Blick auf die Zukunft schlugen die fünf Länder eine Lösung vor: Die EU-Kommission könnte die ukrainischen Agrarprodukte gemeinsam mit dem Welternährungsprogramm (WFP) oder anderen Hilfsorganisationen in der Ukraine aufkaufen und den Transport in die Länder Afrikas oder Asiens finanzieren.

Schließlich, so der slowakische Landwirtschaftsminister Samuel Vlcan, habe es keinen Sinn, zusätzliche Nahrungsmittel auf einen gesättigten Markt, wie dem europäischen, zu bringen.

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