Wem gehören die Ressourcen der Tiefsee?

Auch wenn viele Länder bereits das Seerechtsabkommen unterzeichnet haben, das die Ausbeutung der Bodenschätze regeln soll, fehlen Regelungen zur Nutzung der interessanten genetischen Ressourcen völlig

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Noch dient die Tiefseeforschung meist wissenschaftlichen Zwecken. Aber voraussehbar ist, dass mit einer weiteren Verbesserung der Technik auch die kommerzielle Ausbeutung der bislang noch weitgehend unberührten und ungenutzten Ressourcen in den tiefen Regionen der internationalen Gewässer zunehmen wird. Sollte man neben interessanten Lebewesen wie den in den hydrothermalen Quellen lebenden Extromophilen auch auf große und abbaubare Bodenschätze stoßen, könnte es dann auch in dieser neuen Welt unter den Ozeanen zu einer für die empfindlichen Ökosysteme destruktiven Jagd nach dem "blauen Gold" kommen.

Eine hydrothermale Quelle. Bild: NOAA

Ein Bericht des United Nations University Institute for Advanced Studies (UNU-IAS), der sich auf Bioprospecting konzentriert, warnt davor, dass die in letzter Zeit in den Blick geratenen und zunehmend durch neue Technologien zugänglicheren genetischen Ressourcen der Tiefsee einer unkontrollierten Ausbeutung anheim fallen können, da hier bislang klare internationale Regeln fehlen. Es bestehe keine Einigung darüber, wem das für bio- und gentechnologischen Zwecken interessante genetische Material gehören oder welchen Zwecken sie dienen sollen, aber unklar sei auch die wesentliche Unterscheidung zwischen reiner und angewandter Forschung..

Die Nutzung von Bodenschätzen der Tiefsee regelt das Internationale Seerechtsübereinkommen, das 1982 von der UN verabschiedet wurde und 1994 in Kraft getreten ist. Hier werden im Art. 136 die Bodenschätze der Meere außerhalb der Ausschließlichen Wirtschaftszonen als gemeinsamer Besitz der Menschheit erklärt (all solid, liquid or gaseous mineral resources in situ in the Area at or beneath the seabed, including polymetallic nodules). Die Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority) in Kinston, Jamaica, wurde als Behörde eingesetzt, die Lizenzen zum Abbau von Rohstoffen unter bestimmten Auflagen vergeben kann und den Abbau überwacht. Alle Unternehmungen sollen ausschließlich friedlichen Zwecken dienen und der ganzen Menschheit, insbesondere den Entwicklungsländern, zugute kommen.

Das Internationale Seerechtsübereinkommen wurde von 148 Staaten anerkannt, auch von Russland und China, nicht aber von den USA. Die Regelung über den Umgang mit den Bodenschätzen in Teil XI des Abkommens haben 121 Staaten ratifiziert, auch Russland und China, aber die USA wiederum nicht, ebenso wenig wie Nordkorea oder Iran. In Bezug auf die Ausbeutung genetischer Ressourcen oder Bioprospecting kommt hinzu, dass bislang auch in Teil XI Umweltschutzbelange nicht ausreichend gewährleistet sind. Aber auch diese sind nur für die Staaten bindend, die das Abkommen unterzeichnet haben. In seinem Bericht an die Generalversammlung 2004 hat Generalsekretär Kofi Annan auf diese Lücke hingewiesen, dass weder "lebendige Ressourcen", noch der Erhalt der biologischen Viefalt und "seltene oder empfindliche Ökosysteme" geschützt sind. Das spielt auch deswegen eine Rolle, weil die biologischen Ressourcen der Tiefsee eng mit den mineralischen Ressourcen verbunden sind und ihr Schutz daher direkt mit der Regelung über denen Abbau verbunden ist. Das UN-Abkommen über den Schutz der biologischen Diversität erstreckt sich nicht auf die Tiefsee. Und was die Nutzung der genetischen Ressourcen betrifft, so wurden bereits erste Patente verliehen, obwohl sie eigentlich allgemeiner Besitz der Menschheit sein sollen. Alle großen Pharmakonzerne haben Abteilungen für Meeresbiologie, kommerziell ist das Tiefseeleben sehr attraktiv:

Die Ozeane enthalten 32 der 34 Phyla der Erde und besitzen eine Artendichte von 1.000 Arten pro Quadratmeter im Pazifik. Wegen der außerordentlichen Vielfalt und ihren Eigenschaften versprechen die Meeresorganismen viel für die Entwicklung von Medikamenten. Das Verhältnis von potenziell nützlichen natürlichen Verbindungen zu den untersuchten Verbindungen ist in den aus dem Meer stammenden Ressourcen höher als bei terrestrischen Organismen. Daher gibt es eine höhere Wahrscheinlichkeit eines kommerziellen Erfolgs.

Der Wurm Lepidonotopodium piscesae lebt in der Umgebung von hydrothermalen Quellen. Bild: NOAA

Der Bericht führte die vielen erfolgreichen und einträglichen Anwendungen vor allem im Bereich der Biotechnologie und Medizin auf und gibt zu bedenken, dass die Menschen bei der Nutzung der Tiefseeressourcen erst am Anfang stehen. Notwendig müsse definiert werden, was im Unterschied zur reinen Forschung "bioprospecting" ist, um dies regeln und entscheiden zu können, ob Forscher von öffentlichen wissenschaftlichen Institutionen und von Privatunternehmen denselben Zugang zur Tiefsee haben sollen. Besonders Berücksichtigung müsse der Schutz empfindlicher Ökosysteme haben, die vermutlich eine wichtige Rolle auch im globalen Klimahaushalt spielen können. Geklärt müsse werden, welche Schäden welche Technologien zur Tiefseeforschung haben können. Bislang haben während der letzten 11 Jahre erst 430 Erkundungsfahrten zum Tiefseemeeresboden stattgefunden, aber man kann davon ausgehen, dass diese mit der Verbesserung der Technik bald sehr viel häufiger stattfinden werden.

Vorgeschlagen wird für nicht unter nationaler Jurisdiktion fallenden Tiefseegebiete die Einrichtung einer internationalen Behörde, die ähnlich der ISA Belange des Naturschutzes regelt und überwacht, Lizenzen für den Zugang ausgibt, für den Transfer von Technik und Informationen sorgt, die Gewinnverteilung regelt und für Inspektionen zuständig ist. Die Aussichten dürften vorerst nicht sehr groß sein, nachdem schon das Abkommen über die Bodenschätze nicht von allen Staaten ratifiziert wurde.