Wenig Anlass für Optimismus

Die Energie- und Klimawochenschau: In Bonn wird über neuen Klimaschutzvertrag gesprochen

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Viel Zeit ist nicht mehr. Im Dezember soll auf dem diesjährigen UN-Klimagipfel ein neuer Klimaschutzvertrag unterschrieben werden, doch über dessen Inhalt herrscht noch großer Zwist unter den 192 Mitgliedern der Klimarahmenkonvention (UNFCCC). Am Sitz der Organisation in Bonn tagt noch bis zum Ende der Woche eine Vorverhandlungsrunde, die einen Vertragsentwurf diskutiert.

Einer der zentralen Punkte in den Gesprächen ist, um wie viel die Industriestaaten bis 2020 - oder genauer: Bis zur Zielperiode 2018 bis 2022 über die dann ein Mittel gebildet wird - ihre Emissionen reduzieren sollen. Der UN-Klimarat IPCC hat in seinem letzten Bericht 2007 gefordert, dass die reichen Länder bis zu diesem Zeitpunkt ihre Treibhausgasemissionen um 25 bis 40 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 vermindert haben müssen. Und so steht es, zunächst unverbindlich, auch im Bali-Aktionsplan, auf den sich die Staaten im Dezember 2007 geeinigt haben. Andernfalls sei eine Begrenzung der Erwärmung auf zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau nicht mehr zu erreichen.

Inzwischen gibt es jedoch deutliche Hinweise, dass sich der Klimawandel beschleunigt. Um die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu beschränken, müsste die Gruppe der Industrieländer ihren Ausstoß vermutlich in den nächsten zehn Jahren eher um 40 Prozent oder mehr reduzieren. Die Allianz der kleinen Inselstaaten (AOSIS) findet die Zwei-Grad-Grenze übrigens schon zu hoch, denn sie könnte bereits den langfristigen Untergang einiger Staaten bedeuten. Sie fordert, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken.

Die Angebote, die bisher auf dem Tisch liegen, bleiben jedoch weit hinter dem notwendigen zurück. Kanada, berüchtigt durch seinen Abbau von Teersänden, überlegt, drei Prozent vorzuschlagen, die EU bietet minus 20 Prozent an, und die USA und Russland halten sich bisher gänzlich zurück. Die von Obama bisher versprochenen Reduktionen laufen, wegen des Anstiegs der letzten beiden Jahrzehnte, lediglich darauf hinaus, dass die USA ihr (ziemlich hohes) Emissionsniveau von 1990 bis 2020 knapp unterschreiten. Ansonsten rangieren die Angebote der Industriestaaten zwischen minus 17 und minus 26 Prozent.

Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel

Ein anderer wichtiger Punkt der Verhandlungen ist die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen. Denn auch wenn die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius beschränkt werden kann, wird der damit verbundene Klimawandel in verschiedenen Regionen erhebliche Auswirkungen haben. Die Gegend am Horn von Afrika wird zum Beispiel mit der Zunahme schwerer Niederschläge zu kämpfen haben, Küstenstaaten rund um den Globus müssen in Deiche und ähnliches investieren und flache Inselstaaten weiter um ihre Existenz bangen. Für viele der ärmsten Staaten werden die Herausforderungen kaum mit den eigenen Mitteln zu meistern sein.

Daher ist es nur recht und billig - so die Argumentation der in der Gruppe der 77 und China zusammengeschlossenen Entwicklungsländer -, dass die Verursacher, das heißt, diejenigen Länder, deren Treibhausgasemissionen sich in den letzten 100 Jahren bereits in der Atmosphäre angereichert haben, für die Anpassungsmaßnahmen aufkommen.

Ein Weg auf dem die notwendigen Mittel aufgebracht werden könnten, wäre eine internationale Abgabe auf Flugtickets. Ein entsprechender Vorschlag wurde Anfang der Woche auf den Verhandlungen von der Gruppe der 50 der am wenigsten Entwickelten Länder eingebracht. Laut Vorschlag der Ländergruppe könnte eine Abgabe, die nicht einmal ein Prozent des Preises bei Langstreckenflügen ausmachen würde, im Jahr etwa sieben Milliarden Euro einbringen (Klimapolitik: Reiche und arme Länder im Clinch).

Ein anderes Modell wird von Mexiko vorgeschlagen. Die Industriestaaten sollen nach einer bestimmten Formel, in die ihre Wirtschaftskraft und die Emissionen einfließen in einen Anpassungsfonds einzahlen. Der Fonds ist nach zähen Verhandlungen bereits eingerichtet worden, doch wollen die reichen Länder unbedingt die Kontrolle über die Gelder behalten. Außerdem sind bisher erst lächerliche 400 Millionen US-Dollar für den Anpassungs-Fonds zugesagt.

Zum Vergleich: Schleswig-Holstein und Niedersachsen müssen jährlich zweistellige Millionen-Beträge aufwenden, um ihre Deiche in Stand zu halten und an den steigenden Meeresspiegel anzupassen. Ende Mai hat das vom ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan gegründete Global Humanitarian Forum eine Studie veröffentlicht, nach der bereits jetzt weltweit jährlich etwa 300.000 Menschen an den Folgen des Klimawandels sterben und dieser im Jahr Schäden in Höhe von 125 Milliarden US-Dollar. Um das Schlimmste zu vermeiden, müssten die Anstrengungen für die Anpassung verhundertfacht werden.

Handhabung von Emissionsrechten

Ein weiterer Finanzierungsvorschlag kommt schließlich aus Norwegen. Danach sollen die Industriestaaten auf der Basis ihrer Reduktionsverpflichtungen Emissionsrechte zugeteilt bekommen. Deutschland würde dann zum Beispiel, wenn es sich verpflichtet, seine Emissionen gegenüber 1990 um 40 Prozent zu reduzieren, jährlich 720 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente oder 8,8 Tonnen pro Kopf zugesprochen bekommen. Nun könnte man, so die Vorstellung der Regierung in Oslo, einen Teil dieser Kontingente, statt sie den reichen Ländern kostenlos zur Verfügung zu stellen, in einen Topf werfen und aus diesem an den Meistbietenden versteigern.

Unklar ist allerdings, wie ein solches System durchgesetzt werden soll. Die Klimaverträge kennen bisher keinerlei Strafmechanismen. Wer gegen sie verstößt, derzeit zum Beispiel Industriestaaten wie Kanada und Australien, die nicht ihren Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll nachkommen und viel zu viel Treibhausgase in die Luft blasen, müssen mit keinerlei Folgen rechnen. Der Handel mit Emissionsrechten kann jedoch nur funktionieren, wenn es eine Instanz gibt, die Klimasünder - in diesem Falle Staaten, die mehr emittieren als sie Zertifikate erworben haben - auch zur Rechenschaft ziehen können.

Das von Westeuropäern und Nordamerikanern dominierte Climate Action Network hat den Vorschlag Norwegens dennoch begrüßt. Allerdings sind nicht alle Umweltschützer von solchen Konzepten begeistert. Am Samstag blockierte kurzfristig eine Handvoll aktiver das Bonner Hotel Maritim, in dem die Gespräche angehalten werden. Sie kritisierten unter anderem Konzepte wie den Emissionshandel, da dieser zum einen nichts zur Lösung des Problems beitrage, zum anderen aber die Luft zu einer Ware mache.

In eine ähnliche Richtung geht auch die Kritik, die schon seit vielen Jahren vom indischen Centre for Science and Environment (CSE) vorgetragen wird. Das CSE ist neben dem CAN eine der Organisationen, die die Verhandlungen seit Jahren verfolgen und hat außerdem einen wesentlichen Beitrag zur Umweltbildung in Indien geleistet. Schon Anfang der 1990er Jahre haben die CSE-Gründer Anil Agarwal und Sunita Nahrein in einer Polemik mit US-amerikanischen Umweltschützern darauf verwiesen, dass ein Emissionshandel wenn überhaupt, dann nur auf der Basis gleicher Rechte akzeptabel sein kann.

Da Ozeane und Biosphäre etwa zwei Tonnen pro Erdbewohner und Jahr aufnehmen, sei das die Menge, die jedem zusteht. Demnach könnte Deutschland Zertifikate für jährlich 164 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente kostenlos bekommen. Alles was darüber hinaus geht, müsste bezahlt werden, und zwar vor allem an jene Länder, die ihr Kontingent nicht ausschöpfen. In vielen afrikanischen Ländern und auch in Indien liegen die Pro-Kopf-Emissionen noch immer unter der Zwei-Tonnen-Grenze.

Der Haken an dem Konzept ist allerdings, dass die Entwicklungsländer keine Macht haben, einen solchen Ansatz durchzusetzen. Bisher weigern sich die Industriestaaten beharrlich, eine Zuteilung von Emissionsrechten auf der Basis der Bevölkerungszahlen zu akzeptieren. Die Verhandlungen basieren stattdessen sozusagen auf Gewohnheitsrecht. Die Industriestaaten behandeln ihre hohen Emissionen als angestammtes Recht und lassen sich bestenfalls auf prozentuale Reduktionen ein.

Uneinigkeit in der EU

Verkompliziert werden die Verhandlungen über die Anpassungs-Finanzierung auch noch durch einen EU-internen Streit. Für gewöhnlich tritt die Union auf den Verhandlungen geschlossen auf und wird durch die Kommission und die jeweilige Präsidentschaft vertreten. Das ist noch bis zum Ende des Monats die Tschechische Republik, ab Juli übernimmt Schweden. Allerdings können sich die EU-Mitglieder nicht über wichtige Prinzipien der Finanzierung einigen. Die meisten Staaten stimmen dem Prinzip "Der Verschmutzer zahlt" zu, doch Polen legt bisher sein Veto ein.

Die Regierung in Warschau fühlt sich nicht an die von der EU vor dem Beitritt Polens eingegangenen Verpflichtungen gebunden. Eine Position, die sicherlich auf Dauer nicht haltbar ist, aber primär geht es um einen EU-internen Lastenausgleich. Polen hat nämlich ein besonderes Problem: Kaum ein anderes Land ist dermaßen von der Kohle abhängig, wie unser östlicher Nachbar. Die Stromversorgung zwischen Oder und Bug basiert fast ausschließlich auf der Verbrennung von Steinkohle in meist nicht gerade sehr modernen Anlagen. Entsprechend hoch sind die polnischen Treibhausgasemissionen.

Die EU wird ihren kleinen Privatstreit wahrscheinlich noch diese Woche auf einem Treffen der Finanzminister beilegen. Zahlreiche andere Stolpersteine bleiben jedoch noch aus dem Weg zu räumen, bevor in Kopenhagen ein neuer Vertrag unterschrieben werden kann. Der größte ist sicherlich die Frage, in welchem Umfang die Industriestaaten in den kommenden 13 Jahren ihre Emissionen verringern. Die gewaltigen Summen, die in den Konjunkturprogrammen veralteten Industrien hinterher geworfen werden, und die Tatsache, dass Umweltminister Sigmar Gabriel mit seinem Versuch scheiterte, ein Quasi-Verbot neuer Kohlekraftwerke in das SPD-Programm schreiben zu lassen, stimmen nicht gerade optimistisch.