Wenn Leerstand und Mieter nicht zusammenfinden

Hamburg: Halle als "Kleiderkammer" für Flüchtlinge. Foto: Ralf Heß

Hamburg kämpft mit horrenden Mieten. Die Flüchtlinge könnten Bewegung in den festgefahrenen Markt bringen

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In den Großstädten wird es eng. Die Bewohner von Städten wie München, Frankfurt oder Hamburg ächzen seit langem unter horrenden Mieten. Und Leerstand gibt es allenthalben. Seit der Ankunft syrischer Flüchtlinge gerät das Thema zunehmend in den Fokus der Politik. Auch das gesellschaftliche Interesse daran, bislang beschränkt auf die eher ärmeren Schichten deutscher Großstädte, wächst beträchtlich.

In Hamburg geht der Verband der Grundeigentümer von bis zu 3.000 privaten Immobilien aus, die den Flüchtlingen zur Verfügung gestellt werden könnten. Warum es nicht zu einer entsprechenden Belegung kommt, ist unklar. In der deutschen Stadt mit den dritthöchsten Durchschnittsmieten stehen viele Gebäude und Wohnungen leer.

Der Hamburger Senat hat kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das die Möglichkeit schafft, Gebäude zu beschlagnahmen, um dort Flüchtlinge unterzubringen. Mit dem "Gesetz zur Sicherung der Flüchtlingsunterbringungen in Einrichtungen" kann der Senat nun leerstehende Hallen mit Flüchtlingen belegen. Wohnungen oder auch Teile von Wohnungen seien, so der Senat, von der Regelung ausgenommen.

Grundeigentümer: Stadt soll Mietzahlungen für Flüchtlinge absichern

Der Verband der Grundeigentümer in Hamburg sieht das Gesetz als falschen Weg an. In einem Interview sagte der Vorsitzende des Grundeigentümerverbandes, Heinrich Stüven, dass er dieses Gesetz für einen Fehler halte. Es sei Ausdruck obrigkeitsstaatlichen Denkens, wie es aus der Zeit des kaiserlichen Preußens bekannt sei. Er befürchtet, dass wenn der Zuzug von Flüchtlingen weiter in diesem Ausmaße anhält, werde es zur Beschlagnahmung privater Wohnungen kommen. Auf Anfrage von Telepolis sagte er:

Unsere Mitglieder sind bereit, Flächen zur Verfügung zu stellen. Wir würden gerne helfen.

Es sei sogar möglich, die "Flächen zu günstigeren Konditionen" bereitzustellen. Er sieht es jedoch als Aufgabe der Stadt an, den Flüchtlingen geeigneten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Für die Grundeigentümer könne dies jedoch nur auf freiwilliger Basis geschehen. Darüber hinaus braucht es für Stüven eine Absicherung der Mietzahlungen für die Flüchtlinge durch die Stadt.

Es ist für einen nach Hamburg kommenden Syrer sehr schwierig, eine Wohnung anzumieten, da ihm die dafür nötigen Deutschkenntnisse fehlen.

Die Forderung Stüvens besteht darin, dass die Stadt die Мieten für an Flüchtlinge vermietete Wohnungen direkt an die Vermieter überweist.

Eine Beschlagnahmung von Flächen oder Gebäuden geht ihm dagegen deutlich zu weit: "Еs gibt ausreichende gesetzliche Möglichkeiten für die Stadt, solche Wohnungen zu belegen." Eine Zwangseinweisung in leerstehende Gebäude lehnt er rundweg ab. "Der Grundeigentümerverband möchte helfen", so Stüven, aber ausschließlich auf freiwilliger Basis.

Marcel Schweitzer, Pressesprecher der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) dagegen, sieht die Forderungen des Verbandes als problematisch an. Im Gespräch mit Telepolis, sagte er, dass die Stadt für eine Gleichbehandlung sorgen müsse. Da sie für keine Gruppe die Mietzahlungen direkt übernehmen werde, könne dies auch nicht für Flüchtlinge geschehen.

Viele Anbieter haben die Erwartungshaltung, die Stadt werde Wohnungen anmieten, um sie Flüchtlingen weiterzuvermitteln. Das tun wir aber nicht, denn geflüchtete Menschen mit einer Wohnberechtigung können sich eigenständig Wohnungen anmieten. Wer eine freie Wohnung hat, kann sich an die Fachstelle für Wohnungsnotfälle im jeweiligen Bezirk wenden. Sie hilft bei der Vermittlung von vordringlich Wohnungssuchenden, wozu auch Flüchtlinge gehören, die sich mit sicherem Aufenthaltsstatus um Wohnungen bewerben.

Warum der Grundeigentümerverband diesen Weg bislang nicht beschritten hat, kann nur vermutet werden. Aber die vom Verband geforderte Regelung zu den Mietzahlungen legen nahe, dass den Flüchtlingen nicht zugetraut wird, dies selbst zu übernehmen. Der Streit zwischen beiden Parteien ist offensichtlich. Die Stadt sagt, eine Übereinkunft zwischen Vermieter und Mieter ist Privatangelegenheit und die Immobilienwirtschaft möchte, dass der Staat die Mietzahlungen übernimmt und sich ansonsten mit Einmischungen in private geschäftliche Angelegenheiten zurückhält.

Leerstand und Spekulation

Fraglich ist, warum die Stadt erst jetzt auf das Problem des Leerstandes reagiert. Auf der Webseite Leerstandsmelder können seit längerem leere Wohnungen publik gemacht werden. Es ist daher für jeden seit langem offensichtlich, dass es trotz der Anziehungskraft der Stadt, immer noch freien Wohnraum gab.

"Jeder Vermieter ist verpflichtet Leerstand nach drei Monaten der Stadt zu melden und diese kann dort dann jemanden einquartieren", sagt Stüven. Eigene Nachfragen beim Bezirksamt Altona, bezüglich eines nur halb belegten Mietshauses in sehr exklusiver Lage, zeigten jedoch, dass die Stadt bislang kein Interesse an diesen Leerständen hatte. Die Ankunft der Flüchtlingen könnte diese Praxis nun zu verändern.

Fraglich ist auch, warum diese Immobilien von ihren Besitzern bislang nicht genutzt wurden? Inwiefern hier davon ausgegangen werden muss, dass mit der Not von Wohnungssuchenden, unabhängig davon, ob es sich um Flüchtlinge, Arbeitslose oder Menschen mit niedrigem Einkommen handelt, Gewinn gemacht werden soll, ist unklar.

Aber der Verdacht, dass es sich um Spekulationsobjekte handelt, liegt nahe. Immobilien, insbesondere in den Ballungszentren, unterlagen in der Vergangenheit deutlichen Preissteigerungen. Der Verkauf einer leeren Immobilie ist sicherlich einfacher als bei einem Mehrfamilienhaus, mit komplett vermieteten Wohnungen. Der Trend, Mietwohnungen in Eigentum umzuwandeln, ist in Hamburg ungebrochen. Die Ankunft der Flüchtlingen setzt die Stadt nun unter Druck, die gängige Spektulationspraxis zu unterbinden.

Denn das Problem dieser ökonomischen Fehlentwicklung trifft nicht nur Flüchtlinge. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Stadt dem Druck nachgeben muss und mehr als nur leerstehende Gewerbeimmobilien belegt. Wie der Vorsitzende des Immobilienverbandes hinweist, wären die gesetzlichen Grundlagen für eine Belegung leerstehender Mietwohnungen vorhanden. Warum die gesetzlichen Möglichkeiten bislang nicht ausgeschöpft wurden, ist unklar. Klar ist aber, wenn die Stadt möchte, kann sie die gesetzlichen Regelungen für Leerstand jederzeit nutzen. Eine Erleichterung für die Wohnungssuchenden in Hamburg wäre es allemal.