Wenn ferne Sonnen das Licht der Welt erblicken

Europäische Südsternwarte ESO nahm Orion-Nebel ins Visier und stößt auf Region, in der Zehntausende von Sternen geboren werden

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Stellare Schönheit liegt im Auge des Astronomen. Als wahre Ästheten ihres Faches haben sich die Himmelsstürmer der Europäischen Südsternwarte (ESO) mal wieder hervor getan. Erneut stellten sie eindrucksvoll unter Beweis, dass unser Universum immer noch ein faszinierendes und geheimnisvolles unentdecktes Land ist. Als sie das Sternbild Orion, eines der bekanntesten und einprägsamsten Sternbilder des Winterhimmels, betrachteten, machten sie ein bislang einzigartiges Bild des darin befindlichen Orion-Nebels. In diesem ist ein gewaltiges Sternentstehungsgebiet konzentriert, in dem erst "vor kurzem" Zehntausende ferne Sonnen das Licht der Welt erblickt haben.

Es ist ein alter Hut, den sich eigentlich kein Astronom mehr so recht aufsetzen möchte. Die viel zitierte Erkenntnis, dass jeder Blick zum Mond, jeder Blick zur Sonne, jeder Blick in den Sternhimmel, streng genommen sogar jeder Blick egal wohin, gleichzeitig immer auch ein Blick zurück in die Vergangenheit ist, quittieren inzwischen nicht nur die Vertreter dieser Fachdisziplin mit einem müden Augurenlächeln. Das ist doch kalter Kaffee. Schnee von gestern.

Kosmogramme aus ferner Vergangenheit

Dennoch dürfte nicht jedem Sternfreund gänzlich bewusst sein, dass das Funkeln der Sterne, das Aufblitzen von Supernovae oder das Pulsieren der Neutronensterne nichts anderes als interstellare oder intergalaktische Kosmogramme aus ferner Vergangenheit sind, die, werden sie denn richtig gelesen und interpretiert, höchst informativen Gehalt haben können.

Richtig hingeschaut und gelesen hat auf jeden Fall das Astronomenteam der Europäischen Südsternwarte (ESO) unter der Leitung von Massimo Robberto von der European Space Agency (ESA) und dem Space Telescope Science Institute (STSCI), als es einen guten alten Bekannten unter seine Fittiche nahm: den Orion-Nebel, der auch unter der Bezeichnung Messier 42 (M 42) katalogisiert ist.

Dass diese von der Erde nur 1500 Lichtjahre entfernte Wolke nicht nur auf professionelle, sondern vor allem auf Hobby-Astronomen eine stark magnetische Wirkung ausübt, hängt gewiss damit zusammen, dass M 42 bei guten Sichtbedingungen als hellster diffuser Nebel am Himmel sogar mit bloßem Auge zu erkennen und folglich die am häufigsten observierte Region im All ist. Vor allem den leistungsstarken großen erdgebundenen Observatorien und Weltraumfernrohren im Orbit ist es zuzuschreiben, dass diese Struktur zu einer wahren Fundgrube geworden und in vielerlei Hinsicht eines der wichtigsten Studienobjekte in der Astrophysik ist. Schließlich basiert ein großer Teil unseres heutigen Wissens über Sternentstehung auf Datenmaterial, das während der Beobachtung des Orion-Nebels gewonnen wurde.

67-Millionen-Pixel-Schnappschuss

Genau genommen ist der Orion-Nebel nur Teil einer weit größeren Wolke aus Gas und Staub, die sich mit über 10 Grad gut über die Hälfte des Sternbildes des Orions erstreckt und von zahlreichen heißen und massereichen Sternen erleuchtet wird. Die lineare Ausdehnung dieser gewaltigen Komplexes beträgt gut und gerne mehrere hundert Lichtjahre. Just im Zentrum des Nebels befindet sich der berühmte Trapez-Haufen.

Für Massimo Robberto und sein Team also Anlass genug, den Sternhaufen im Zentrum von Messier 42 hochauflösend und weiträumig zu beobachten und fotografieren. Mithilfe des "Wide Field Imager" (WFI), einer 67-Millionen-Pixel-Digitalkamera, die am 2,2-Meter-Teleskop der ESO in La Silla montiert ist, gelang den Sternforschern dabei vor kurzem ein Schnappschuss der Extraklasse.

Das ESO-Bild - auch in verschiedenen Auflösungen zum Download

Zu bewundern ist ein beeindruckendes bislang einzigartiges Bild des Orion-Nebels, so wie sich die Wolke knapp unterhalb des Gürtels präsentiert. Auf ihm ist ein gewaltiges Sternentstehungsgebiet, sozusagen ein stellarer Kreißsaal zu sehen, in dem ferne Sonnen geboren werden. In dieser sehr dynamischen Region, das eines der uns am nächsten gelegenen und gleichzeitig eines der aktivsten in unser Milchstraße ist, sind binnen zehn Millionen Jahre Zehntausende neuer Sterne entstanden. Aus astronomischer Perspektive ist dies eine relativ kurze Zeitspanne. Würde man etwa die Lebensspanne unser Sonne, die stolze 4,6 Milliarden Jahre vorweisen kann und damit gerade mal die Hälfte ihres durchschnittlichen Lebensalters erreicht hat, in einem Gedankenmodell auf die eines Menschen übertragen, brächte unser Heimatstern es auf 40 Jahre, wohingegen die jungen Sterne im Orion nur einen Monat alt wären.

Observation geht weiter

Auf dem in vier verschiedenen Wellenlängen aufgenommenen Falschfarben-Astro-Foto ist die Verteilung der verschiedenen Elemente in dem Nebel gut zu erkennen: Wasserstoff (orange), Schwefel (rot) und Sauerstoff (grün). Gerade diese Verteilung verrät so einiges über die Vorgänge im Orion-Nebel und die Elementanreicherung im interstellaren Medium. Schon seit längerem versuchen Astronomen etwas über die Rate zu erfahren, mit der junge Sterne kosmische Materie anziehen, die so genannte Massenakkretionsrate. Hierbei geht es primär um die Frage, inwieweit diese Rate von der Position des jungen Sterns innerhalb des Sternhaufens abhängig ist, und inwiefern diese Endphase der Sternentstehung damit auch vom Einfluss der massereichsten Sterne, die intensive Strahlung emittieren, abhängt.

Wie die ersten Ergebnisse jetzt zeigen, ist diese Rate im Orion-Nebel offenbar geringer als in anderen nicht so kompakten Sternentstehungsgebieten. Warum dies so ist, soll in den nächsten Monaten im Rahmen weiterer international koordinierter Observationen unter der Leitung von M. Robberto untersucht werden. Dabei soll ebenfalls das altbewährte Hubble-Weltraumteleskop zum Einsatz kommen, das bekanntlich immer für eine Überraschung gut ist.