"Wenn jeder herunterlädt, was er mag"

Dann ist das Kino, wie wir es kennen, am Ende? Ein Kandidat der französischen Linken besucht Cinéasten und gerät ins Schlingern

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Wenn es um den Test geht, auf welche Resonanz eine stärkere Überwachung des Internet trifft, so kann der Blick ins Nachbarland lehrreich sein (Netzüberwachung: Versuchslabor Frankreich). Dort hat der amtierende Präsident regulierende Eingriffe zu seiner Chefsache gemacht. Sarkozy liefert mit seinen Vorstellungen zu Regulierung des Netzes die Basis für eine Art Kulturkampf (Das Ende der "unmoralischen Zone Internet"). Von dort aus wagen Politiker zweiten Ranges dann kühnere, weitergehende Vorstöße: Netzsperren verhängen, ohne ein Gericht zu bemühen. So gibt es nicht wenige, die sich eine andere Netzpolitik und -kultur versprechen, sobald Sarkozy im nächsten Jahr abgewählt wird. Symbol und Einsatz für eine andere Kultur ist die Abschaffung des Three-Strike-Gesetzes Hadopi. Dass dieses nach dem Wahlsieg eines Kandidaten der PS abgeschafft wird, ist aber vielleicht eine trügerische Hoffnung, wie sich momentan zeigt.

Zwar stehen die Chancen nicht schlecht, das Sarkozy nicht wiedergewählt wird, doch der neue Hoffnungsträger der Parti Socialiste (PS) nach dem Fall Dominique Strauss-Kahn, François Hollande, schwankt in seiner Haltung zu Hadopi wie das Schilfrohr im Wind.

Bei den anstehenden Vorwahlen der Partei für die Kandidatur zur Präsidentschaftswahl 2012 werden Hollande sehr gute Aussichten eingeräumt. Der Mann wird wichtig. Das wissen auch Lobbygruppen und Holland agiert wie ein Politiker, der es sich im Vorfeld der Wahlen mit niemandem verderben will.

Hatte er sich im Juni letzten Jahres noch deutlich dafür ausgesprochen, Hadopi abzuschaffen, so sendet er nach einem Treffen mit Vertretern der Film-Lobby-Organisation La Société civile des auteurs-réalisateurs-producteurs (ARP) ganz andere Signale. Wie die "Cinéasten de L’ARP" auf ihrer Website freudig mitteilen, hat François Hollande am Montag erklärt, dass er Hadopi nicht abschaffen will. Man habe sich über das Gesetz ausgetauscht. Am Ende begrüßten die Cinéasten (Filmliebhaber) die "Arbeit der Reflexion", die der Kandidat über Themen anstelle, die sich mit der Schöpfung von Content und der Entwicklung der "privaten Kopie" befassen, ist auf der ARP-Seite zu lesen - diskrete Hinweise und etwas ausladende Formulierungen, die im Klartext bedeuten, dass sich Hollande den Positionen der ARP angenähert hat.

Dass Hollande ein taktisches Spiel mit seiner Haltung zu Hadopi betreibt, dokumentiert die Löschung des Blogeintrags vom Juni letzten Jahres, in dem bis vor kurzem zu lesen war, "dass es unsere Verantwortung 2012 sein wird, so schnell wie möglich den Konflikt zwischen Schaffenden ("créateurs") und Internetusern zu beenden, in dem man die Einrichtung Hadopi außer Kraft setzt". Hollande verwischt die Spuren, heißt es dazu in einem Bericht des Magazins Numérama, wo dann auch der neueste Schritt Hollandes vorgestellt wird.

"Sozialisten sind für Regeln im Internet"

Heute morgen nahm der Kandidat vor dem Mikrophon des Senders France Inter Stellung zu Fragen der Art "Was würden Sie als Präsident machen?". Nach der Finanzkrise, Europa und der Bildungspolitik (Viele Kinder und keine Lehrer) wurde auch das Thema Hadopi angesprochen und Hollande beteuerte erneut, dass man das Gesetz Hadopi beseitigen müsse - allerdings mit dem frischen Zusatz ein neues Gesetz an dessen Stelle zu setzen.

Das begründete er mit dem klassischen Satz all jener, die für eine stärkere Reglementierung eintreten: "Il faut pas laisser Internet sans règles." Das Internet braucht Gesetze - als ob es diese nicht bereits hätte. Ein Internet ohne Regelungen, sprach Hollande erregter als zuvor, sei mit der Position eines Sozialisten nicht vereinbar, das wäre kurios und paradox. Man brauche eine Gesetzgebung, sonst bedeute das - wenn sich Fernsehen und Internet noch mehr in den nächsten Jahren vermischen und "jeder alles herunterladen kann, was er mag" - das Ende des Kinos, "so wie es organisiert ist".

Bei keiner anderen Frage erschien Hollande so impulsiv. So fand er offensichtlich nicht die Ruhe, um auf den Unterschied zwischen Künstlern und Verwertern einzugehen.