Wenn nur gegen israelbezogenen Antisemitismus mit aller Härte vorgegangen wird

Seite 2: Antisemitische Stereotype auch ohne Israel-Bezug

Schon länger fällt auf, dass sich die offizielle Politik in Deutschland heute hauptsächlich auf den israelbezogenen Antisemitismus konzentriert und sich da als Musterschüler aufspielt, der aus der Geschichte gelernt hat.

Da gab es vor einigen Tagen eine kurze Debatte, ob der CDU-Rechtsaußen und Bundestagskandidat Hans Georg Maaßen antisemitische Stereotype verbreitet. Am Ende erklärte die Klimaaktivistin Luisa Neubauer - die den Vorwurf in einer Talkshow erhoben hatte -, sie bezeichne Maaßen "nicht als Antisemit", sei aber weiterhin der Meinung, dass er antisemitische Inhalte verbreite, in dem er beispielsweise in Tweets über "Globalisten" polemisiert.

Das ist das Beispiel für antisemitische Stereotype, die nicht auf Israel bezogen sind. Hier geht es um eine rechte, oft nationalistische Kritik, die am Kapitalismus gerade das kritisiert, was Karl Marx als Pluspunkt bezeichnete: das Eindampfen ständischer und nationalistischer Vorurteile und Schranken.

Dass antisemitische Stereotype aber auch linksliberalen Kreisen nicht fremd sind, zeigte ein Taz-Interview mit der Netzwerkerin und Gründerin des Center for feminist foreign policy Kristina Lunz. Als Gegner, die sie mit ihrer Version einer feministischen Außenpolitik überwinden will, fallen ihr nur zwei aus Deutschland emigrierte Juden ein: Kissinger und Morgenthau

Die Morgenthaus und Kissingers als große außenpolitische Denker? What the fuck! Ständig seine Macht vergrößern zu müssen, um zu überleben, ist nicht mein Verständnis von Politik. Genau das müssen wir ändern.

Kristina Lunz, Taz-Interview

Nun sollte eine Politikwissenschafterin wissen, dass der Name Morgenthau in Deutschland seit Jahrzehnten zum antisemitisch konnotierten Hassobjekt wurde, weil dem US-Politiker der Roosevelt-Ära von der Nazi-Propaganda fälschlich unterstellt wurde, er wolle Deutschland nach dem Sieg der Alliierten zum Agrarstaat umwandeln. Nun hat Kristina Lunz sich damit verteidigt, sie habe ihre Kritik nicht auf Henry, sondern seinen Verwandten, den Staatsrechtler Hans Morgenthau bezogen.

Auch bei ihm handelt es sich um einen aus Deutschland geflohenen Juden. Zudem hat sie die Namen im Plural verwendet und damit eben das Stereotyp bedient.