Wer hat Angst vorm ignoranten Clown?

Die Religionspolizei Saudi-Arabiens lässt sich kein X für ein U vormachen

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Saudi-Arabien, eng verbündet mit den USA, hat eine sehr schlechte Menschenrechtsbilanz. Zu den Verletzungen gehören Willkür, Folter, Hinrichtungen sowie eine geradezu rassistische Beschneidung der Rechte der Frauen. Die Macht des saudischen Prinzenklüngels beruht auf einer Allianz mit den wahhabitischen Religionsgelehrten, die eine salafitische und extrem konservative Richtung des Islam vertreten.

Das so genannte "Komitee zur Verhinderung des Übels und zur Förderung der Tugend", eine Art Religionspolizei, sorgt brutal für die Einhaltung der Gesetze des Staates, die nach dem Vorbild einer islamischen Urgemeinde gebildet sind, scheinbar im Einklang mit der buchstäblichen Auslegung des Koran, wie es die erzkonservative Interpretation der Wahhabiten fordert. Ganz oben auf der Liste: Kleidungsvorschriften und die Trennung von Männern und Frauen in der Öffentlichkeit. Kritiker und Reformer tun sich schwer, aber immerhin hört man immer öfter von ihnen.

Die Fernsehsendung "Tash Ma Tash", welche bereits vor drei Jahren - erfolglos - mit einer Fatwa, der gutachterlichen Ablehnung einer religiösen Autorität belegt wurde, hat nun erneut für einen Skandal gesorgt. Eine Folge der Comedyserie hatte die Situation der Frauen thematisiert. Frauen dürfen in Saudi-Arabien nicht selber Auto fahren, sie dürfen sich vielmehr nur in ein Auto setzen, das von einem Mann chauffiert wird, welcher entweder ihr Ehemann oder ihr Verwandter ist. Dieser Begleiter, "Mahram" genannt, muss auch dabei sein, wenn eine Frau ein Amt oder ein Restaurant aufsucht. Andernfalls kann sie ins Gefängnis kommen - übrigens ohne dass ihre Familie benachrichtigt wird. Ohne Mahram geht nicht viel außerhalb des Hauses. Und ins Haus darf natürlich neben den Angestellten auch nur ein Mahram.

Die provozierende Episode von "Tash Ma Tash" heißt nun "Ohne einen Mahram" und beschreibt das Leben von vier Frauen - Mutter, Schwester, Ehefrau und Tochter - deren einziges männliches Familienmitglied für sechs Monate auf Geschäftsreise ist. Seine Schwester kann nicht zur Arbeit gehen, die Ehefrau kann nicht einkaufen gehen und die Tochter kann keine Videos ansehen - Frauen dürfen nicht in die Videothek. Als ein Polizist einen Diebstahl im Haus untersuchen soll, weigert er sich die Schwelle zu übertreten - kein Mahram im Haus. Der Schauspieler, welcher die Rolle des Polizisten spielt, ist auf saudischen Webseiten beschimpft und als "ignoranter Clown" bezeichnet worden. Das Programm verbreite Dekadenz und Korruption und beleidige das Erbe des Propheten. Dennoch ist eine winzige Öffnung der Mauer aus Verboten und Gehorsam zu verzeichnen.

So konnte ein Kolumnist von Arab News immerhin (ungestraft?) sagen, die schwere Artillerie, mit der man die Comedyserie beschieße, zeige deutlich, dass "wir an Kritik nicht gewöhnt sind und nicht wissen, wie wir sie zu nehmen haben, wenn sie kommt." Der Autor des Stückes, ein in den USA aufgewachsener Saudi, hatte sich die Situation seiner Familie, wenn er unterwegs ist, zum Vorbild für den Sketch genommen. "Was hier mit Frauen passiert, das ist der gleiche Rassismus, der gegen die Schwarzen in Südafrika praktiziert wurde", soll sein Kommentar zu der Aufregung gewesen sein.

Letztes Jahr noch starben 15 Mädchen, die versuchten, aus einer brennenden Schule in Mekka zu entkommen. Mitglieder des "Komitee zur Verhinderung des Übels und zur Förderung der Tugend", hatten die Mädchen am Verlassen des Gebäudes gehindert und Rettungskräfte mit Gewalt von der Arbeit abgehalten. Der Grund: Die Mädchen trugen nicht die vorgeschriebenen "Abayas", schwarze Ganzkörper-Schleier (vgl. Die toten Mädchen von Mekka). Seit diesem Vorfall ist die Aufsicht über die Mädchenerziehung dem Komitee entzogen und dem Erziehungsministerium übergeben worden - ein Fortschritt. Als weiteren Fortschritt muss man auch sehen, dass die Regierung damit begonnen hat, Frauen Pässe auszustellen..

Nach einer Erhebung von Foreign Policy sprechen sich in westlichen Ländern 82 Prozent der Bevölkerung für gleiche Chancen von Männern und Frauen aus - in muslimisch dominierten Ländern nur 55 Prozent. Speziell in Saudi-Arabien mögen es noch viel weniger sein. Eine Redakteurin der Zeitung Al Watan (selbstverständlich gibt es in der Redaktion eine Frauenabteilung, die keiner der männlichen Redakteure betreten darf) sagte gegenüber der ZEIT und der FAZ, dass die Reformen von oben, vom König, kommen müssten, da die Gesellschaft größtenteils noch nicht reif sei. Den Frauen würden nun der Zugang zu Berufen auch außerhalb der klassischen Bereiche Mädchenerziehung und Gesundheitswesen geöffnet. In den Universitäten erfolgt der Unterricht der weiblichen Studenten übrigens per Videoschaltung oder ähnliche Tricks - damit der Professor keinem Blick auf sie werfen kann. Wer von der Uni abgeht, hat gute, ob Mann oder Frau, Chancen, arbeitslos zu werden; die Quote liegt bei etwa 30 Prozent. Die Bevölkerung des Landes hat sich in den letzten 20 Jahren auf 22 Millionen Menschen fast verdoppelt. Wie groß die Schleimerei gegenüber der Religionspolizei ist, zeigt eine Stellungnahme des Prinzen Amr Mohammed Al-Faisal, nachdem er daran gehindert worden war, einem von seiner Firma neu eingeführten Produkt den Namen "Explorer" zu geben.

Die klugen Lehrer des Komitees haben ganz richtig bemerkt, dass der Buchstabe X in dem Namen ein Kreuz darstellt, was seine delikate islamische Feinfühligkeit weckte. Ich bin sehr erleichtert, dass dank der Wachsamkeit des Komitees eine große Tragödie verhindert werden konnte. Bisher hatte ich unschuldiger- und ich muss sagen, naiverweise angenommen, dass der Buchstabe X einfach nur ein Buchstabe des Alphabets ist. Doch nun stellt sich heraus, dass es sich dabei um einen gerissenen und gemeinen Plan der Christen handelt, unseren muslimischen Glauben zu korrumpieren

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