Wie die USA Arisierung und Holocaust lange verdrängten

Kinder, die den Holocaust überlebt haben. Bild: Alexander Woronzow, Public Domain

Arisierung und Holocaust waren in den USA bis nach Kriegsende kein Thema. Große Teile der Eliten schauten weg. Warum das für die Arisierung bis heute gilt. Buchauszug.

Bis Ende 1937 hatten Unternehmer, Banken und Behörden in Deutschland rund 3.000 größere Firmen jüdischer Eigentümer enteignet und "häufig gegen ein Spottgeld an die nichtjüdische Konkurrenz verramscht." (Ulrich Völklein: Geschäfte mit dem Feind, Hamburg/Wien 2002, S. 19)

Aber weder US-Regierung noch die in Deutschland präsenten Wall Street-Banker, Wall-Street-Anwälte und US-Konzerne hatten während des Hitler-Regimes gegen die Arisierung zehntausender jüdischer Unternehmer, Kaufleute und Handwerker protestiert. Arisierung – das war business as usual, genauso wie die Förderung faschistischer Diktatoren.

Auszug: Werner Rügemer, "Verhängnisvolle Freundschaft. Wie die USA Europa eroberten" (Juli 2023), S. 267-270

Wie hatte doch Avery Brundage, erfolgreicher Bauunternehmer in Chicago, der Präsident des Amerikanischen Olympischen Komittees, der für Hitler gegen internationalen, auch jüdischen Boykott die Olympiade in Berlin 1936 gesichert hatte, doch ganz normal bekundet: Bei mir im Golf-Club von Chicago gibt’s auch keine Juden! (Seite 214)

Seit der Gründung 1942 war der US-Geheimdienst OSS mit Europa-Sitz in Bern über die beginnende "Endlösung der Judenfrage" informiert: Massaker in Russland, im Baltikum und der Ukraine, dann zahlreiche KZ in Osteuropa, Gaskammern, Massentransporte aus besetzten westeuropäischen Staaten, Massenvernichtungen. Berichte von jüdischen und anderen Informanten, darunter westlichen Diplomaten etwa aus Prag, liefen seit 1942 beim OSS in Bern ein. (Richard Breitman u.a. (Hg.): U.S. Intelligence and the Nazis, Cambridge University Press 2005, S. 14-24)

Proteste gegen Judenvernichtung in New York

Zu den Dauer-Informanten des OSS gehörte Eduard Schulte, erfolgreicher deutscher Unternehmer im besetzten Polen, Wehrwirtschaftsführer: Er fuhr ab 1942 wiederholt in die Schweiz und informierte die Genfer Vertretung des Jüdischen Weltkongresses über "Millionen Juden am Rande der Vernichtung". Schulte wurde vom OSS abgeschöpft und als Informant Nr. 643 geführt, zusammen mit einem ihm zugeordneten weiteren Informanten mit der Nr. 675. (Petersen: From Hitler's Doorstep, S. 547)

Die Information gelangte nicht über den OSS, sondern über den Jüdischen Weltkongress nach New York. Am 24. November 1942 gab Rabbi Stephen Wise, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, bei einer Pressekonferenz in New York bekannt: Die Nazis bereiten die Massenvernichtung der Juden vor, etwa in polnischen KZ.

Wise berichtete über Gaskammern und dass die Nazis Seife aus den Leichen der Juden machten. Doch nur fünf der 17 größten US-Zeitungen machten daraus eine Schlagzeile. Von Januar bis März fanden in New York und London Protestversammlungen mit zehntausenden Teilnehmern statt. (Greiner: Die Morgenthau-Legende, S. 121ff.)