Wie sicher sind die zugelassenen Covid-19-Impfstoffe?

Thrombosen mit Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) bei den Vektor-Impfstoffen und anaphylaktische Reaktionen können als schwerwiegende, aber sehr seltene Impfkomplikationen auftreten

In Deutschland sind bisher vier genetische Covid-19-Impfstoffe zugelassen worden. Es handelt sich um die mRNA-Impfstoffe von Biontech-Pfizer (Handelsname: Comirnaty) bzw. Moderna (Covid-19-Impfstoff Moderna) und die Vektor-Impfstoffe von Astrazeneca (Vaxzevria) und Johnson & Johnson (Covid-19-Impfstoff Janssen). Über Wirksamkeit und Sicherheit dieser Vakzine habe ich schon in meinen letzten Artikeln in Telepolis informiert.1

Aus ärztlicher Sicht müsse ein Covid-19-Impfstoff in erster Linie sicher, in zweiter Linie sicher, drittens sicher und viertens wirksam sein. Das schrieb Carlos Beat Quinto von der Schweizer Ärztevereinigung FMH in einem Ende 2020 in der Schweizerischen Ärztezeitung erschienenen Beitrag.2

Dieser Aussage kann ich mich vorbehaltlos anschließen, denn auch ich bin der Auffassung, dass der Nutzen einer Impfung die möglichen Risiken bei Weitem überwiegen muss, wenn diese zur Prävention einer Erkrankung wie Covid-19 eingesetzt werden soll, und das gilt für die öffentliche Gesundheit ebenso wie für die individuelle.3

Da das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), die Behörde, die in Deutschland für die Sicherheit von Arzneimitteln und Impfstoffen zuständig ist, am 7.5.2021 ihren 25 Seiten umfassenden zehnten Sicherheitsbericht mit instruktiven Abbildungen und Tabellen vorgelegt und darin die Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach der Impfung zum Schutz vor Covid-19 detailliert aufgeführt hat4, werde ich mich auf dieser Grundlage noch einmal mit dem Thema der Impfstoffsicherheit auseinandersetzen.

Zur Methodik des Sicherheitsberichts

Das Melden von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen ist eine zentrale Säule für die Beurteilung der Sicherheit von Impfstoffen, da so rasch neue Risikosignale detektiert werden können, heißt es im Sicherheitsbericht des PEI. Dabei ist jedoch zu beachten, dass unerwünschte Reaktionen im zeitlichen, nicht aber unbedingt im ursächlichen Zusammenhang mit einer Impfung gemeldet werden.

Meldungen von Nebenwirkungen nach Impfung mit Covid-19-Impfstoffen erhält das PEI nach dem Infektionsschutzgesetz über die Gesundheitsämter. Ärztinnen und Ärzte sind gesetzlich verpflichtet, Impfkomplikationen, d.h. gesundheitliche Beschwerden, die über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehen und nicht evident auf andere Ursachen zurückzuführen sind, namentlich dem zuständigen Gesundheitsamt zu melden, das diese wiederum unverzüglich und in anonymisierter Form an das PEI meldet.

Zusätzlich erhält das PEI Meldungen der Arzneimittelkommissionen der Apotheker und der Ärzte, der Zulassungsinhaber über die Datenbank der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) sowie direkt von Ärztinnen und Ärzten sowie Impflingen bzw. deren Angehörigen. Die Meldungen erfolgen per Post, E-Mail, Telefon oder elektronisch über das Meldeportal des PEI oder die EudraVigilance-Datenbank bei der EMA. Meldungen zu einem Verdachtsfall können also aus verschiedenen Meldequellen kommen, was dazu beitragen kann, das Meldeaufkommen zu erhöhen.

Das PEI fasst alle Meldungen, die es erhält, unabhängig vom ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung zusammen. Im Sinne der frühzeitigen Erkennung von möglicherweise neuen Risikosignalen ist es wichtig, die Meldeschwelle niedrig anzusetzen. Dies bedeutet, dass auch Meldungen in rein zeitlichem und nicht notwendigerweise ursächlichem Zusammenhang mit der Impfung bedeutsam sind.

Weiterhin führt das PEI im Rahmen der Erkennung möglicher neuer Risikosignale fortlaufend eine sogenannte "Observed-to-expected"-Analyse (O/E) durch. Dabei wird die Häufigkeit der dem PEI nach Impfung gemeldeten unerwünschten Ereignisse mit den statistisch zufälligen und zu erwartenden Häufigkeiten in einer vergleichbaren (nicht geimpften) Bevölkerung verglichen.

Ergibt sich eine signifikant höhere Melderate für ein Ereignis nach Impfung, als es statistisch zufällig in einer vergleichbaren Population zu erwarten wäre, geht das PEI von einem Risikosignal aus, das dann durch zusätzliche, zumeist epidemiologische Studien weiter untersucht werden sollte (siehe dazu auch "Was die Analyse von sehr seltenen, aber schwerwiegenden Impffolgen so schwer macht").

Übersicht über die Meldeergebnisse

Das PEI fasst in seinem zehnten Sicherheitsbericht die Meldungen über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen zusammen, die es seit Beginn der Impfkampagne vom 27.12.2020 bis zum 30.4.2021 aus Deutschland erhalten hat.5

Es wird über 49.961 aus Deutschland gemeldete Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung mit den oben genannten Impfstoffen zum Schutz vor Covid-19 in dem genannten Zeitraum berichtet.

Bis zum 29.04.2021 wurden laut Angaben des Robert Koch-Instituts 28.774.580 Impfungen durchgeführt, davon 21.329.667 Impfungen mit Comirnaty, 1.667.261 Impfungen mit dem Covid-19-Impfstoff Moderna, 5.775.546 Impfungen mit Vaxzevria und 2.106 Impfungen mit dem Covid-19-Impfstoff Janssen.

20.160 Verdachtsfälle wurden zur Impfung mit Comirnaty gemeldet, 3.073 Verdachtsfälle zu dem Covid-19-Impfstoff Moderna, 26.206 Verdachtsfälle zu Vaxzevria und drei Meldungen zu dem Covid-19-Impfstoff Janssen. In 519 gemeldeten Verdachtsfällen wurde der Covid-19-Impfstoff nicht spezifiziert. Die Melderate betrug für alle Impfstoffe zusammen 1,7 pro 1.000 Impfdosen, für Meldungen über schwerwiegende Reaktionen 0,2 pro 1.000 Impfdosen insgesamt.

In meiner folgenden Darstellung werde ich nur die Verdachtsfälle von schwerwiegenden Reaktionen nach der Impfung, auch schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) genannt, näher betrachten. Das sind Impfkomplikationen, die mit einer langfristigen erheblichen Beeinträchtigung der Gesundheit einhergehen und zu einer Krankenhauseinweisung oder zum Tode führen können.

Nicht dazu gehören die typischen nach einer Impfung auftretenden Symptome wie Rötung, Schwellungen und Schmerzen an der Impfstelle und auch Allgemeinreaktionen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und Unwohlsein, die häufig bis sehr häufig zu beobachten sind und auch die große Mehrzahl der oben gemeldeten Verdachtsfälle ausmachen. Diese Reaktionen sind Ausdruck der erwünschten Auseinandersetzung des Immunsystems des Körpers mit dem Impfstoff und klingen in der Regel nach wenigen Tagen komplett ab (siehe auch "Was die Analyse von sehr seltenen, aber schwerwiegenden Impffolgen so schwer macht").

Thrombosen mit Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) sehr selten

Ein neues Syndrom, das durch venöse und/oder arterielle Thrombosen in Kombination mit einer Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen) (Thrombosen mit Thrombozytopenie, TTS) charakterisiert ist und das mit Blutungen einhergehen kann, wird sehr selten als schwerwiegende Nebenwirkung des Covid-19-Impfstoffs Vaxzevria beobachtet, schreiben die Autoren des Sicherheitsberichts.

Dabei treten die Thrombosen oftmals an ungewöhnlichen Körperstellen wie beispielsweise Hirnvenen oder im Bereich der Pfortader-, der Leber- oder der Mesenterialvenen auf. Andere Fälle imponieren durch tiefe Beinvenenthrombosen, Lungenembolien und akute arterielle Thrombosen, die zu Herzinfarkten oder Schlaganfällen führen.

Bei mehreren der betroffenen Patientinnen und Patienten wurden hohe Konzentrationen von Antikörpern gegen Plättchenfaktor 4 (PF4) sowie eine starke Aktivierung von Thrombozyten in entsprechenden Tests nachgewiesen. Dieses Muster ähnelt einem bekannten Krankheitsbild, der "atypischen" oder "autoimmunen" Heparin-induzierten Thrombozytopenie (aHIT).

Die meisten bisher berichteten TTS-Fälle traten innerhalb von drei Wochen nach Impfung auf. Nach bisherigen internationalen Daten sind am häufigsten Frauen unter 60 Jahren betroffen. Bislang konnten keine spezifischen Risikofaktoren für die Entstehung von TTS identifiziert werden.

Frühzeitige Diagnose des Thrombozytopenie-Syndroms entscheidend

TTS ist eine schwerwiegende Nebenwirkung, die in einigen Fällen tödlich verlief (siehe unten). Daher sind die frühzeitige Diagnose und Behandlung wichtig. Entsprechende Informationen werden auf der Internetseite des PEI zur Verfügung gestellt.

Medizinisches Fachpersonal sollte daher auf erste Anzeichen und Symptome einer Thrombose und/oder Thrombozytopenie als Hinweis auf eine TTS achten. Die Geimpften sollten informiert werden, sofort eine Ärztin bzw. einen Arzt aufzusuchen, wenn sie wenige Tage nach der Impfung Symptome wie Kurzatmigkeit, Brustschmerzen, Beinschwellungen, Schmerzen im Bein oder anhaltende Bauchschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen entwickeln.

Außerdem sollten alle Personen, die nach der Impfung neurologische Symptome wie starke oder anhaltende Kopfschmerzen, verschwommenes Sehen, Krampfanfälle aufweisen oder bei denen nach einigen Tagen auf der Haut Blutergüsse (Petechien) außerhalb der Injektionsstelle der Impfung auftreten, umgehend eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen. Im Kontext der Impfung mit Vaxzevria werden Fälle einer ITP/ Thrombozytopenie berichtet, ohne dass Thrombosen festgestellt wurden.

Thrombozytopenie sei als Nebenwirkung in der Produktinformation genannt, heißt es im Sicherheitsbericht, und es wird empfohlen, dass Personen, bei denen innerhalb von drei Wochen nach der Impfung mit Vaxzevria eine Thrombozytopenie diagnostiziert wird, aktiv auf Anzeichen einer Thrombose untersucht werden sollten. Ebenso sollten Personen, bei denen nach der Impfung eine Thrombose auftritt, unverzüglich auf eine Thrombozytopenie untersucht werden.

Wichtig ist, dass auch bei Patientinnen und Patienten mit Thrombose und normalen Thrombozytenzahlen oder Patientinnen und Patienten mit Thrombozytopenie ohne nachweisbare Thrombose nach Impfung ein frühes Stadium des TTS vorliegen kann. Daher sind wiederholte Untersuchungen auf TTS unter Umständen erforderlich.

TTS erfordert ein spezialisiertes klinisches Management. Eine leitliniengerechte Standardtherapie gibt es bislang nicht. In jedem Fall sollten Spezialisten (z. B. Hämatologen, Gerinnungsspezialisten) konsultiert werden. Verschiedenste Fachgesellschaften haben Empfehlungen zur Behandlung und Therapie des neuen Syndroms publiziert, darunter die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostase (GTH), die britische Gesellschaft für Hämatologie sowie die US-amerikanische Gesellschaft für Hämatologie.

Ähnliche Fälle eines TTS wie nach Vaxzevria wurden auch in den USA nach Impfung mit dem Covid-19-Impfstoff Janssen berichtet, bei dem es sich ja ebenfalls um einen Adenovirus-Vektorimpfstoff handelt. Daher wurde ein Warnhinweis auf TTS auch als mögliche Nebenwirkung für diesen Impfstoff in die Fach- und Gebrauchsinformation aufgenommen.

Definition der TTS-Fälle

Nachdem erste TTS-Fälle aus Deutschland, Norwegen, Dänemark und Großbritannien nach Vaxzevria publiziert wurden, hat die Brighton Collaboration eine vorläufige Falldefinition dieses neuen Syndroms veröffentlicht, die insbesondere für die Anwendung in epidemiologischen Studien gedacht ist.

Danach ist TTS definiert als Auftreten einer venösen oder arteriellen Thrombose und dem Auftreten einer Thrombozytopenie (Thrombozytenzahl kleiner als 150 G/L).

Voraussetzung ist, dass eine vorhergehende Heparin-Exposition ausgeschlossen werden kann. Im Vergleich dazu haben verschiedene Fachgesellschaften zusätzlich den Nachweis von PF4-Antikörpern mittels geeignetem ELISA-Test gefordert.

Bei einer TTS nach Vaxzevria handelt es sich um eine sehr seltene Nebenwirkung. Die Melderate in Deutschland für TTS variierte je nach Altersgruppe und Geschlecht zwischen 0,2 - 2,2 auf 100.000 Impfdosen (Auswertung Meldungen und Impfquoten bis 11.4.2021). 67 Prozent der Meldungen eines TTS bezogen sich auf Hirnvenenthrombosen mit Thrombozytopenie.

Im Sicherheitsbericht wird darauf hingewiesen, dass selbst bei so schwerwiegenden Nebenwirkungen wie TTS eine Dunkelzifferrate anzunehmen ist, was zu einer Unterschätzung des Risikos führen würde. In einer dänisch-norwegischen populationsbasierten Registerstudie wurden erhöhte Raten für venöse Thromboembolien innerhalb von 28 Tagen nach der Impfung mit Vaxzevria bei geimpften Personen (80,1 Prozent und 77,6 Prozent Geimpfte waren Frauen in Dänemark bzw. Norwegen) im Alter von 18 bis 65 Jahren festgestellt. Insgesamt wurden elf zusätzliche Thrombosen pro 100.000 Impfungen gefunden, dies beinhaltete 2,5 zusätzliche Sinusvenenthrombosen pro 1.000.000 Impfdosen Vaxzevria.

Die sehr seltene, gleichwohl schwerwiegende Nebenwirkung eines TTS ist dabei stets im Kontext des nachgewiesenen Nutzens der Impfung, nämlich Schutz vor schweren und tödlichen Covid-19-Erkrankungen, zu sehen, betont der Sicherheitsbericht. Wie in einer Analyse der EMA gezeigt wurde, steigt der individuelle Nutzen der Impfung mit steigendem Alter und steigenden Infektionszahlen. Unabhängig vom gewählten Szenario der Viruszirkulation (niedrig, mittel, hoch) profitieren danach insbesondere Personen, die 60 Jahre und älter sind, von der Impfung.

Empfehlung der STIKO: Vaxzevria bei Personen über 60 Jahren

Auf Basis der derzeit verfügbaren Daten und unter Berücksichtigung der gegenwärtigen pandemischen Lage hat die Ständige Impfkommission (Stiko) am 1.4.2021 deshalb empfohlen, die Impfung mit Vaxzevria für Personen im Alter von 60 Jahren und älter zu verwenden, sowohl als Erst- als auch Zweitimpfung. Die Anwendung von Vaxzevria für eine erste oder zweite Impfstoffdosis unterhalb dieser Altersgrenze bleibt indes nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoakzeptanz nach sorgfältiger Aufklärung möglich.

Bislang liegen keine ausreichenden Daten zum Risiko bei der Zweitimpfung vor. Hinsichtlich der zweiten Impfstoffdosis für jüngere Personen, die bereits eine erste Dosis Vaxzevria erhalten haben, empfiehlt die Stiko, bei Personen im Alter unter 60 Jahren anstelle der zweiten Vaxzevria-Impfstoffdosis eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs zwölf Wochen nach der Erstimpfung zu verabreichen.

Schwere allergische Reaktion bei mRNA- und Vektor-Vakzin sehr selten

Anaphylaktische Reaktionen wurden laut Sicherheitsbericht sehr selten nach Impfung mit beiden mRNA-Impfstoffen sowie nach Impfung mit Vaxzevria berichtet. Das PEI hat gemeinsam mit dem Robert Koch-Institut (RKI) und in enger Zusammenarbeit mit den allergologischen Fachgesellschaften Deutschlands einen Algorithmus entwickelt.

Darin werden sowohl das mögliche Vorgehen nach anaphylaktischer Reaktion auf die bislang zugelassenen Covid-19-mRNA-Impfstoffe als auch Empfehlungen zur Vorgehensweise bei jeglicher Allergie in der Anamnese dargestellt.

Todesfälle nach Impfungen

Der Sicherheitsbericht stellt fest, dass dem PEI 524 Todesfälle (0,0018 Prozent der geimpften Personen) in unterschiedlichem zeitlichem Abstand zur Impfung bei Personen im Alter von 24 bis 102 Jahren gemeldet wurden. Der Median des Alters betrug 84 Jahre, das mittlere Alter 82 Jahre.

405 Todesfälle betrafen Personen, die mit Comirnaty geimpft worden waren. Bei 61 gemeldeten Todesfällen war nicht angegeben, mit welchem Covid-19-Impfstoff geimpft worden war. In zehn Fällen verstarben Personen nach Impfung mit dem Covid-19-Impfstoff Moderna und in 48 Fällen nach Impfung mit Vaxzevria.

58 der 524 gemeldeten Todesfälle bezogen sich nicht auf eine Impfnebenwirkung, sondern auf eine Covid-19-Erkrankung, davon 52 nach Comirnaty, zwei nach Vaxzevria und in vier Fällen war der Impfstoff nicht spezifiziert.

Bei der überwiegenden Mehrzahl der verstorbenen Personen bestanden multiple Vorerkrankungen, wie etwa Karzinome, Niereninsuffizienz, Herzerkrankungen und arteriosklerotische Veränderungen, die vermutlich todesursächlich waren. Ein jüngerer Patient verstarb nach Impfung mit Comirnaty vermutlich an den Folgen seines Drogenkonsums.

Vierzehn Patienten, die mit Vaxzevria geimpft wurden, verstarben in der Folge eines TTS (siehe unten). Vier weitere, mit Vaxzevria geimpfte Patientinnen (drei Frauen in der Altersgruppe unter 60 Jahre und eine Patientin in der Altersgruppe 60 plus) verstarben an einer Hirnblutung bei gleichzeitiger Thrombozytopenie.

Fallzahlen und Todesfälle bei TTS nach Corona-Impfung

Der Sicherheitsbericht listet auf, dass bis zum 30.04.2021 dem PEI 67 Fälle einer Thrombose mit Thrombozytopenie (TTS) berichtet wurden, die nach Impfung mit Vaxzevria auftraten. Vierzehn (21 Prozent) Patientinnen und Patienten verstarben.

Nicht als TTS gemäß der vorläufigen Falldefinition der Brighton Collaboration (siehe oben) wurde eine Sinusvenenthrombose bei einem 80 Jahre alten Mann klassifiziert, bei dem eine Thrombozytopenie auf der Meldung vermerkt wurde, jedoch war die Thrombozytenzahl größer 150 G/L und lag somit im Normbereich.

Bei zwei Männern, die nach Impfung mit Vaxzevria tot aufgefunden wurden, ergab die Autopsie eine Hirnvenenthrombose mit Hirnblutung. Post mortem lässt sich die Thrombozytenzahl nur ausnahmsweise zuverlässig bestimmen. Die beiden Fälle wurden vom PEI konservativ den Fällen eines TTS zugeordnet.

Alle Meldungen eines TTS beziehen sich auf die erste Impfung mit Vaxzevria. Die Mehrzahl (67 Prozent) der Meldungen eines TTS bezieht sich auf Sinusvenenthrombosen mit Thrombozytopenie.

Danach sind bei Frauen in dem unten angegebenen Beobachtungszeitraum 50 TTS-Fälle mit neun Todesfällen berichtet worden, wobei 38 der TTS-Fälle und sieben von neun Todesfällen bei unter 60-Jährigen aufgetreten sind. Bei den Männern wurden insgesamt über 17 TTS-Fälle berichtet, von denen fünf verstarben. Auch hier trat die Mehrzahl der TTS-Fälle (14) und der Todesfälle (vier von fünf) bei unter 60-Jährigen auf.

Die TTS-Melderate nach Vaxzevria wurde für Impfungen bis 11.4.2021 ermittelt, da nach diesem Zeitpunkt wegen unvollständiger Daten des Impfquotenmonitorings keine zuverlässige Berechnung mehr möglich ist. Für Frauen unter 60 Jahre betrug die Melderate nach Impfung mit Vaxzevria bis zum 11.4.2021 2,2 Meldungen auf 100.000 Impfdosen und für Männer unter 60 Jahre 2,0 Meldungen auf 100.000 Dosen. Für Frauen über 60 Jahre lässt sich eine Melderate für TTS von 1,6 Meldungen auf 100.000 Dosen ermitteln und für Männer gleich/über 60 Jahre von 0,2 Meldungen auf 100.000 Impfdosen.

Bei einem Fall eines TTS war das Alter des betroffenen Mannes nicht mitgeteilt worden, sodass diese Meldung nicht berücksichtigt werden konnte. Zu beachten ist, dass Melderaten keine Inzidenzen darstellen, da davon auszugehen ist, dass nicht alle Fälle eines TTS spontan gemeldet wurden (Dunkelzifferrate).

Zudem klärt das PEI noch weitere Verdachtsmeldungen mit möglichem TTS ab, bei denen nicht die von der Brighton Collaboration geforderten Kriterien der diagnostischen Sicherheit eines TTS initial mitgeteilt wurden und die daher nicht in die Berechnung eingegangen sind.

Nach Comirnaty und Covid-19-Impfstoff Moderna wurde bisher kein Fall eines TTS berichtet.

Fallzahlen anaphylaktischer Reaktionen

Bis zum 30.04.2021 wurden 226 Meldungen vom PEI als Brighton Collaboration (BC)-Level 1-4 bewertet (Level 1 entspricht dem höchsten, Level 2 und 3 geringeren Graden der diagnostischen Sicherheit, Level 4 sind Meldungen eines Verdachts auf Anaphylaxie mit unvollständigen Angaben zur klinischen Symptomatik). Das mittlere Alter der 226 Personen betrug 44,5 Jahre. Betroffen waren 23 Männer und 202 Frauen. Bei einer Person wurde das Geschlecht nicht mitgeteilt.

Von den 147 BC-Level 1-3-Meldungen traten die ersten Symptome bei 69 Personen (53,1 Prozent der Personen mit bekanntem Symptombeginn) innerhalb von 0 bis 15 Minuten, bei 96 Personen (73,8 Prozent) innerhalb von 0 bis 30 Minuten, bei 118 Personen (90,8 Prozent) innerhalb von null bis vier Stunden und bei zwölf Personen (8,2 Prozent) später als vier Stunden nach Impfung auf. Bei 17 Personen begannen die Symptome am Impftag, der genaue Zeitpunkt des Symptombeginns wurde nicht mitgeteilt.

Als Teil der medikamentösen Behandlung erhielten 40 betroffene Personen (33,9 Prozent der Personen mit diesbezüglichen Angaben) Adrenalin, in 78 Fällen wurde kein Adrenalin gegeben und in 29 Fällen wurde hierzu keine Angabe gemacht.

Von den 147 Fällen der BC-Level 1-3 waren zum Zeitpunkt der letzten Information 105 Personen vollständig wiederhergestellt (75,5 Prozent der Personen mit Angaben), bei 20 Personen hatten sich die Symptome gebessert (14,4 Prozent), bei 14 Personen waren die Symptome zum Zeitpunkt der letzten Information noch nicht abgeklungen (10,1 Prozent) und bei acht Personen fehlen die Angaben.

Die Melderaten anaphylaktischer Reaktionen, die das PEI mit der diagnostischen Sicherheit BC 1-3 bewertet hat, unterscheiden sich nicht wesentlich zwischen den drei Impfstoffen (Comirnaty, Moderna und Vaxzevria) und für die beiden mRNA-Impfstoffe nicht wesentlich zwischen der ersten und der zweiten Impfung.

Für Vaxzevria wurde bislang kein Fall einer Anaphylaxie BC-Level 1-3 nach der zweiten Impfung festgestellt.

Weitere unerwünschte Reaktionen von besonderem Interesse (AESI)

Die Anzahl der AESI nach Impfstoffgabe sowie der Vergleich mit der aufgrund der Inzidenz in der Allgemeinbevölkerung unabhängig von einer Impfung erwarteten Anzahl (O/E-Analyse, siehe Methodik am Anfang dieses Textes) sind in dem Sicherheitsbericht des PEI auf S. 17 in einer übersichtlichen Tabelle dargestellt.

Ein erhöhtes O/E weist darauf hin, dass eine größere Anzahl Berichte einer bestimmten Erkrankung nach dem jeweiligen Impfstoff gemeldet wurden, als statistisch zufällig in der geimpften Population zu erwarten gewesen wäre. Die O/E-Analyse kann also auf ein Risikosignal hinweisen. Sie ist jedoch nicht geeignet, ein Risiko zu bestätigen.

Das O/E wurde nur für die Reaktionen pro Impfstoff berechnet, für die mindestens drei Meldungen identifiziert wurden. Die oben genannte Tabelle weist beim Impfstoff Vaxzevria auf ein Risikosignal für das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) hin. Das GBS ist eine schwere akute entzündliche Erkrankung der Nerven. Das typische Symptom ist eine an den Händen oder Füßen beginnende Lähmung und Sensibilitätsstörung, die sich allmählich immer weiter zum Körperstamm hin ausbreiten kann und dem eine fehlgeleitete Reaktion des Immunsystems zugrunde liegt. Das Auftreten einer Thrombozytopenie (ITP) nach Vaxzevria wird ebenfalls als ein Risikosignal gewertet, wobei Thrombozytopenie bereits als Nebenwirkung in der Produktinformation aufgeführt ist (siehe unten unter Schlussfolgerungen).

Für alle anderen in der Tabelle aufgeführten Erkrankungen ergibt sich aufgrund der Analyse kein Risikosignal. Das betrifft Erkrankungen wie den akuten Herzinfarkt, Arthritis, Enzephalitis (Entzündung des Gehirns), Fazialisparese (Lähmung eines Gesichtsnervs) und Myokarditis (Herzmuskelentzündung).

Auf die letztere Erkrankung wird in einem gesonderten Kapitel eingegangen. Nach Bereinigung von Doppelmeldungen wurden dem PEI bis zum 30.4.2021 insgesamt 16 Fälle berichtet, in denen eine Myokarditis im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung gegen die Covid-19-Erkrankung diagnostiziert wurde.

Einzelne Meldungen, in denen initial eine Myokarditis nach der Impfung mit Comirnaty berichtet wurde, konnten zwischenzeitlich ausgeschlossen werden, da die anfängliche Verdachtsdiagnose nicht bestätigt wurde. Bei der Mehrzahl der Berichte fehlen Informationen zu möglichen alternativen Ursachen (z.B. Virusinfektionen, Begleiterkrankungen, Diagnose und Verlauf der Erkrankungen). Daher ist keine medizinische Bewertung der Meldungen möglich. Derzeit ist auf der Basis der vorhandenen Daten aus Deutschland kein Risikosignal für eine Myokarditis zu sehen.

Auf zwei Erkrankungen, die akute disseminierte Enzephalitis (ADEM) und die transverse Myelitis, wird abschließend noch eingegangen, bei denen ebenfalls kein Risikosignal und damit kein möglicher ursächlicher Zusammenhang mit einer Impfung festgestellt werden konnte.

Schlussfolgerungen:

1. Der oben stehende Text ist eine Zusammenfassung der aus meiner Sicht wichtigsten Aspekte des zehnten Sicherheitsberichts des PEI über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor Covid-19 mit den vier bisher in Deutschland zugelassenen Impfstoffen im Berichtszeitraum vom Beginn der Impfkampagne am 27.12.2020 bis zum 30.4.2021.

2. Die große Mehrzahl der gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen sind typisch für Symptome, die nach einer Impfung häufig auftreten als Anzeichen für eine Auseinandersetzung des Organismus mit dem Impfstoff und folglich in der Regel für die Sicherheit unbedenklich sind.

3. Im Unterschied dazu wird ein schwerwiegendes neues Syndrom, das durch venöse und/oder arterielle Thrombosen in Kombination mit einer Thrombozytopenie (Thrombosen mit Thrombozytopenie, TTS) charakterisiert ist und auch mit Blutungen einhergehen kann, sehr selten als schwerwiegende Nebenwirkung des Covid-19-Impfstoffs Vaxzevria beobachtet. Dazu gehört auch die Mehrzahl der gemeldeten Fälle von Hirnvenenthrombosen bzw. Sinusvenenthrombosen (siehe auch "Astrazeneca: Schwerwiegende, aber seltene Gerinnungsstörungen" und "Was die Analyse von sehr seltenen, aber schwerwiegenden Impffolgen so schwer macht").

4. Im Berichtszeitraum sind in Deutschland bei knapp sechs Millionen Impfungen mit Vaxzevria 67 Fälle von TTS gemeldet worden, das entspricht einer Melderate von etwa 1:100.000 Impfungen und entspricht der Häufigkeitskategorie "sehr selten". Davon sind 14 Personen (neun Frauen und fünf Männer) verstorben. 50 der 67 Fälle betrafen Frauen und davon waren 38 Frauen unter 60 Jahre alt. Bei den 17 betroffenen Männern waren 14 unter 60 Jahre alt.

5. Zum Komplex TTS liegen inzwischen im Beiblatt der April-Nummer der pharmakritischen Zeitschrift Der Arzneimittelbrief6 und vonseiten der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft7 weitere wissenschaftliche Expertisen vor.

6. Auch bei dem Covid-19-Impfstoff Janssen sind in den USA einige Fälle von TTS beobachtet worden, möglicherweise in einer geringeren Häufigkeit als bei Vaxzevria.8 Dieser Vektor-Impfstoff basiert auf einem Adenovirus menschlichen Ursprungs, im Unterschied zum Impfstoff Vaxzevria, bei dem ein Adenovirus vom Schimpansen verwendet wird.

7. Im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung sind dem PEI im Berichtszeitraum 524 Todesfälle gemeldet worden. 58 davon bezogen sich nicht auf eine Impfnebenwirkung, sondern auf eine Covid-19-Erkrankung. Bei der überwiegenden Mehrzahl der verstorbenen Personen bestanden multiple Vorerkrankungen, wie z. B. Karzinome, Niereninsuffizienz, Herzerkrankungen und arteriosklerotische Veränderungen, die vermutlich todesursächlich waren.

8. In Folge eines TTS starben 14 Patienten, die mit Vaxzevria geimpft worden waren. Vier weitere mit Vaxzevria geimpfte Patientinnen (Drei Frauen in der Altersgruppe unter 60 Jahre und eine Patientin in der Altersgruppe 60 plus) verstarben an einer Hirnblutung bei gleichzeitiger Thrombozytopenie. Wahrscheinlich ist keine Person an einer schweren allergischen Reaktion im Sinne einer Anaphylaxie aufgrund einer Impfung verstorben.

9. Die Stiko hat für Vaxzevria und inzwischen auch für den Covid-19-Impfstoff Janssen empfohlen, diese bei Personen in einem Alter ab 60 Jahren zu verimpfen. Dabei bleibt die Anwendung von Vaxzevria für eine erste oder zweite Impfstoffdosis unterhalb dieser Altersgrenze indes nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoakzeptanz nach sorgfältiger Aufklärung möglich.

10. Weiterhin wurde nach Impfung mit Vaxzevria über Fälle einer Thrombozytopenie (ITP) berichtet, ohne dass Thrombosen festgestellt wurden. Dabei handelt es sich um eine autoimmunologisch bedingte Verminderung der Zahl der Thrombozyten. Eine Thrombozytopenie wird in der entsprechenden Produktinformation als häufige Nebenwirkung genannt. Das bedeutet, dass diese Nebenwirkung bei einem bis zehn Prozent der Geimpften vorkommen kann. Auch ein Rote-Hand-Brief des Herstellers von Vaxzevria vom April 2021 weist auf diese häufige Nebenwirkung ausdrücklich hin.

11. Der Sicherheitsbericht des PEI empfiehlt, dass Personen, bei denen innerhalb von drei Wochen nach der Impfung mit Vaxzevria eine Thrombozytopenie diagnostiziert wird, aktiv auf Anzeichen einer Thrombose untersucht werden sollten. Wie ist diese mich beunruhigende Nebenwirkung von Vaxzevria zu interpretieren und was sagen die Experten dazu?

12. Vor dem Hintergrund der geschilderten Nebenwirkungen von Vaxzevria haben Länder wie Norwegen und Dänemark inzwischen die weitere Verimpfung dieser Vakzine endgültig eingestellt

Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin - Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin- Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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