Wie viele westliche Söldner und Spezialkräfte kämpfen in der Ukraine?

Seite 2: 97 Nato-Spezialkräfte laut Leak aus dem Jahr 2023

Aber das vielleicht gefährlichere Problem ist nicht die Präsenz von Söldnern, sondern von westlichen Truppen in der Ukraine. Diese Zahl ist übrigens nicht einfacher zu bestimmen.

Laut Dokumenten des Verteidigungsministeriums, die im März 2023 durchgesickert sind, befanden sich zu jenem Zeitpunkt mindestens 97 Nato-Spezialkräfte in der Ukraine: 50 britische, 17 lettische, 15 französische, 14 US-amerikanische und eine niederländische. Damals weigerte sich der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates in den USA, John Kirby, die Zahl zu bestätigen, sprach aber von einer "kleinen US-Militärpräsenz" dort.

Doch es sind nicht nur US-Truppen in der Ukraine, sondern auch CIA-Beamte. Einem kürzlich erschienenen Bericht der New York Times zufolge, der sich auf Interviews mit mehr als 200 aktuellen und ehemaligen Regierungsbeamten stützt, befinden sich "Dutzende" – also mindestens mehr als 40 – CIA-Beamte in der Ukraine.

Laut einer Mitschrift eines abgehörten Gesprächs zwischen hochrangigen deutschen Luftwaffenbeamten vom 19. Februar sagte einer: "Wir wissen ja auch, dass da viele Leute mit amerikanischem Akzent in Zivilklamotten rumlaufen."

US-Amerikaner, Briten, Franzosen in der Ukraine

Aus dem Transkript des Gesprächs geht ebenfalls hervor, dass es auch britisches Personal vor Ort gibt. Auf die Frage, wie deutsche Taurus-Langstreckenraketen in der Ukraine eingesetzt werden könnten, sagte ein Beamter, dass er wisse, "wie es die Engländer machen. … Die haben auch paar Leute vor Ort".

Das Büro des britischen Premierministers hat bestätigt, dass das Vereinigte Königreich "Boots on the Ground" habe: "Abgesehen von der geringen Anzahl von Mitarbeitern, die wir im Land haben, um die Streitkräfte der Ukraine zu unterstützen, haben wir keine Pläne für einen großangelegten Einsatz."

Hinzu kommen die französischen Streitkräfte, die der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz offenlegte. Am 26. Februar verteidigte Scholz seine Entscheidung, keine Taurus-Raketen in die Ukraine zu schicken, mit den Worten, dass die Präsenz der Deutschen in der Ukraine der ihrer britischen und französischen Kollegen entsprechen müsse. Er erklärte: "Und das, was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden."

Am 8. März bestätigte der polnische Außenminister Radosław Sikorski, dass "Nato-Soldaten bereits in der Ukraine präsent sind", weigerte sich aber, "diese Länder aufzulisten."

Entsendung von Nato-Truppen oder verhandeln?

Obwohl es also unmöglich ist, die Zahlen auf der Liste zu summieren, ist es zumindest möglich, die Existenz einer Liste zu bestätigen.

Und es ist eine riskante Liste. Da Russland auf dem Schlachtfeld – möglicherweise unwiderruflich – die Oberhand zu gewinnen scheint, stehen die USA und die Nato vor dem seit Langem befürchteten Dilemma: die Realität akzeptieren und die Ukraine ermutigen, ein diplomatisches Ende des Krieges auszuhandeln, oder eskalieren und die Entsendung von Nato-Truppen in Erwägung ziehen, wie der französische Präsident Emmanuel Macron kürzlich vorgeschlagen hat, um mit den ukrainischen Streitkräften gegen Russland zu kämpfen.

Es wäre unverantwortlich, den zweiten Weg einzuschlagen, ohne den ersten zu erkunden.

In einem Interview vom 13. März sagte der russische Präsident Wladimir Putin, Russland habe "niemals Verhandlungen abgelehnt" und sei "zu Verhandlungen bereit … auf der Grundlage der entstandenen Realitäten". Der Westen braucht Putin nicht einfach zu vertrauen. Aber angesichts Hunderttausender verwundeter und getöteter Ukrainer und der geringen Hoffnung auf Besserung auf dem Schlachtfeld wäre es unverantwortlich, ihn nicht zu testen.

Russische Bereitschaft testen

Oleksandr Chalyi, ehemaliger stellvertretender Außenminister der Ukraine und Mitglied des Verhandlungsteams in Istanbul kurz nach der russischen Invasion, sagte damals, dass Putin "echte Anstrengungen unternommen hat, einen realistischen Kompromiss zu finden und Frieden zu schließen".

Oleksij Arestowytsch, ein ehemaliger Berater des ukrainischen Präsidentenbüros und ebenfalls Mitglied des ukrainischen Verhandlungsteams, sagte damals, dass er die Verhandlungen für erfolgreich betrachtete und die ukrainische Delegation "die Champagnerflasche geöffnet" habe.

Wir sollten zwar nicht darauf vertrauen, dass Russland bereit ist, über ein Ende des Krieges zu verhandeln. Jedoch sollten wir Russlands Verhandlungsbereitschaft ausprobieren, vor allem, wenn die Alternative darin besteht, mehr Nato-Truppen in die Ukraine zu entsenden und einen größeren und vielleicht unvorstellbaren Krieg zu riskieren.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Magazin Responsible Statecraft und findet sich dort im englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.