Wien, Bagdad - Hollywood?

Einblicke in das surreale Leben des Bloggers aus Bagdad, Salam Pax

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Die Aufzeichnungen des wohl bekanntesten Bloggers aus Bagdad, Salam Pax), sollen nun verfilmt werden. Das österreichische Magazin Datum hat jetzt den Bericht eines Wiener Freundes veröffentlicht, der dem jungen Iraker einst ein Zimmer vermietete - und liefert damit einige Antworten auf Fragen, die immer wieder im Hinblick auf die Authentizität des Bloggers gestellt wurden.

Die tagebuchähnlichen Eintragungen von Salam Pax in seinem Weblog "Where is Raed?" erlebten kurz vor dem Beginn des Irak-Krieges im Frühjahr 2003 einen regelrechten Hype. Die Zugriffszahlen stiegen in die Hunderttausende. In der internationalen Blogger-Community wurden seine Kommentare, in denen er sich einerseits über das Saddam-Regime lustig machte andererseits, aber auch die Doppelmoral der US-Regierung anprangerte, als unabhängige Informationsquelle und willkommener Gegenpol zur Mainstream-Berichterstattung gefeiert. Schließlich berichteten auch CNN, Reuters, der britische Guardian und andere große Medien über den mysteriösen Blogger aus Bagdad (Salam Pax postet wieder).

Mit zunehmendem Bekanntheitsgrad stiegen aber auch die Zweifel an der Authentizität ("Ist Salam Pax real, schweigt er oder ist er tot?"). Salam wurde abwechselnd als CIA-Mann, Mossad-Mitarbeiter oder Agent der Baath-Partei denunziert. Bis das österreichische Wochenmagazin Format ein erstes Interview (Salam Pax bloggt wieder ...) mit ihm - unter Wahrung seiner richtigen Identität - veröffentlichte. Den Kontakt herstellen konnte ein Freund des Irakers, der dem damaligen Architekturstudenten vor Jahren ein Zimmer in Wien vermietet hatte. Dennoch verstummten die Zweifler nicht. Wieso kann sich ein Araber perfekt in Englisch ausdrücken und beherrscht auch noch Deutsch? Wieso kann der angebliche Blogger aus Bagdad dem irakischen Geheimdienst auf der Nase herumtanzen? Fragen über Fragen.

Ein wenig Licht in die Sache bringt nun der in der jüngsten Ausgabe des österreichischen Magazins Datum erschienene Artikel "Mein Freund Salam Pax". Darin beschreibt Stefan Kaltenbrunner, der bis heute mit seinem ehemaligen Mitbewohner aus dem Irak in Kontakt steht, dessen Jugend und gibt auch sehr private Einblicke in das ungewöhnliche Leben des unvermittelt zum Medienstar avancierten Salam. Danach wurde Salam in Bagdad geboren und kam im Alter von fünf nach Wien. Sein Vater war Konsulent bei der OPEC. Mit zehn ging es für einige Jahre nach Bagdad zurück, mit sechzehn schickte ihn seine Familie wieder nach Österreich, um dort die Vienna International School zu besuchen. Nach dem Abitur schrieb er sich an der Technischen Universität Wien für das Studium der Architektur ein. Die Gastfamilie erlaubte ihm in eine WG zu ziehen. Die neu gewonnene Freiheit genoss er ausgiebig und zog von einem Clubbing zum nächsten.

"Anfang 1996 wurde auch Salams jüngerer Bruder Rashid zum Studium nach Österreich geschickt. Im Gepäck: ein dicker Scheck vom Papa, der für ein Jahr reichen sollte. Die beiden brachten das Geld in einem Monat durch. Die Reaktion aus Bagdad folgte prompt. Der Vater holte die Söhne sofort zurück in den Schoß der Familie", berichtet Kaltenbrunner und zitiert den Iraker über die schwierige Rückkehr.

Ich fühlte mich irgendwo zwischen Orient und Okzident verloren. Ich wusste lange nicht, wo ich hingehöre.

Er stürzte sich ins Studium und heuerte danach bei einer libanesischen Baufirma an.

Das anfänglich eher private Blog, welches ursprünglich dem Zweck diente, Kontakt mit seinem Freund Raed zu halten, bekam im Zuge der sich verschärfenden Spannungen zwischen dem Irak und den USA zunehmend politischen Charakter. Das Schreiben wurde zu einer Art Zwang.

Es war für mich ein Ventil, um meinen Frust und meine Angst vor dem drohenden Krieg abzubauen.

Ein wenig bekam Salem von dem internationalen Hype mit, was ihn aber wirklich ärgerte waren die Zweifel an seiner Authentizität.

Das sind doch alles Ignoranten mit rassistischen Vorurteilen. Ein Araber, der Englisch spricht, ab und an ein Buch gelesen hat und nicht am Boden hockt und Wasserpfeife pafft, liegt außerhalb ihrer Vorstellungskraft

zitiert Kaltenbrunner aus einer wütenden Email.

Trotz aller Zweifel brachte es der Iraker mit seinem Blog zu einiger Berühmtheit, von der er auch heute noch zehrt. Der britische Guardian bot ihm eine Kolumne an, sein Weblog wurde inzwischen als Buch herausgebracht und für die BBC dreht er kleine Dokumentarfilme aus Bagdad. Die Mediengruppe Intermedia will nun sein Buch verfilmen, ein Angebot, das Salam selbst laut Datum "nur als weiteres bizarres Element in seinem surrealen Leben abtut".

Mit dem Bloggen hat Salam Pax inzwischen aufgehört. Der letzte Eintrag stammt vom 10. April. Seinen richtigen Namen will er noch immer nicht in Medien genannt sehen. DATUM hat allerdings Fotos aus der Wiener WG-Zeit und ein aktuelleres Bild veröffentlicht. Damals als Student in Wien, als Salam 1996 von Club zu Club eilte und die westlichen Freiheiten in vollen Zügen genoss, hat er wahrscheinlich nicht damit gerechnet, einige Jahre später mitten im Bombenhagel über Bagdad zu sitzen. Aber schon gar nicht ahnte Salam Pax damals, dass er irgendwann auf dem besten Weg nach Hollywood sein würde.