WikiLeaks und Co. als "bösartige feindliche Akteure"

Dokumente, die von Snowden geleakt wurden, zeigen, dass die USA Druck auf andere Regierungen ausgeübt haben, gegen Assange strafrechtlich vorzugehen

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Dass der britische Geheimdienst GCHQ, wie jetzt Glenn Greenwald und Ryan Gallagher im Intercept aufgrund von Dokumenten, die Snowden geleakt hat, berichten, Besucher von Websites verfolgt hat, ist nicht weiter erstaunlich. Mit Tracking-Tools konnten offenbar die IP-Adressen der Besucher einer WikiLeaks-Website in Echtzeit identifiziert und auch erfasst werden, aufgrund welcher Suchbegriffe, die in Suchmaschinen eingegeben wurden, die Internetnutzer auf diese Site gelangten. Aber Anonymität im Internet gibt es nur unter großen Mühen.

Erschreckender ist allerdings, dass in einem anderen Dokument vom August 2010 eine "Manhunting Timeline" erstellt wurde, auf der zu sehen ist, wie die US-Regierung Einfluss auf andere Staaten nimmt, um mutmaßliche Terroristen, Drogenhändler, palästinensische Führer und andere zu lokalisieren, zu verfolgen, zu verhaften und zu töten. Zu der Gruppe zählte offensichtlich auch Julian Assange, der Mitbegründer von WikiLeaks. Am 10 August findet sich hier ein Eintrag zu: "United States, Australia, Great Britain, Germany, Iceland" mit dem Inhalt:

Die USA haben am 10. August andere Staaten mit Truppen in Afghanistan, darunter Australien, Großbritannien und Deutschland, aufgefordert, in Erwägung zu ziehen, gegen Julian Assange Klagen zu erheben.

Assange wird beschrieben als "Gründer der kriminellen Wikileaks-Internet-Website, der für die unautorisierte Veröffentlichung von mehr als 70.000 als geheim eingestuften Dokumenten, die den Krieg in Afghanistan betreffen, verantwortlich ist". Island hatte allerdings keine Truppen in Afghanistan, aber man hatte "internationale Bemühungen" gestartet, "um das legale Element der nationalen Macht auf den nichtstaatlichen Akteur Julian Assange und das menschliche Netzwerk zu konzentrieren, das WikiLeaks unterstützt", wie es in dem Dokument heißt.

Interessant ist, dass Julian Assange, ein australischer Staatsbürger, hier zu einem "nichtstaatlichen Akteur" erklärt wird, was möglicherweise die Vorstufe zum vogelfreien "feindlichen Kämpfer" darstellt. Gewollt war auch, die Unterstützer strafrechtlich zu verfolgen, weswegen vermutlich die Besucher getrackt und identifiziert wurden. Die NSA beabsichtigte zudem, WikiLeaks, thepiratebay.org und andere Websites als "böswillige feindliche Akteure" einzustufen, sobald sie "US.-Daten speichern oder möglicherweise geleakte oder gestohlene verbreiten". Damit sollten alle Schranken für die Überwachung fallen, was auch für US-Bürger galt, die ansonsten ein wenig, wenn auch eher nur dem Anschein nach geschützt waren.

Ob die Genehmigung erteilt wurde, "WikiLeaks und Co. als bösartige feindliche Akteure" zu betrachten, geht aus dem Dokument nicht hervor. Erlaubt wurde von der NSA-Führung jedoch die Ausforschung von "ausländischen Akteuren einer lose zusammenhängenden Hackergruppe wie Anonymous" in Brasilien, Indien oder Deutschland. Wenn es sich um Menschen handelt, die Ausländer sind, sich nicht in den USA aufhalten und keine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen, konnten diese überwacht werden. Nach einem Geheimdienstexperten des Cato Institute belegt dies nur, dass die NSA eben freie Hand habe, alle Nichtamerikaner und alle Gruppen zu belauschen, die "nicht wesentlich aus Amerikanern bestehen". In dem Dokument wird auch gefragt, ob ein "als bösartig bekannter ausländischer Server" abgehört werden kann, wenn dieser auch von US-Bürgern benutzt wird. Die Antwort: Kein Problem, es sollte halt versucht werden, deren Zahl zu "minimieren". Und wenn man ein US-Bürger abgehört wurde, müsse man sich darüber auch nicht grämen.

Die Einstufung von Assange als nichtstaatlichen Akteur und von Servern als "bösartigen feindlichen Akteuren" diente vor allem dem Zweck, für die geheimdienstliche Überwachung völlig freie Hand zu erhalten. Das zeigt aber auch, dass man bei den US-Sicherheitsbehörden durchaus gewillt war, auch Menschen, die nur Daten weitergeben, möglichst ihrer Rechte zu entkleiden. Es gibt nach dem Dokument allerdings keine Definition, wer ein "bösartiger Akteur" ist. Vielleicht war dies auch bezweckt, um das möglichst weit auslegen zu können. Interessant wäre gewesen, inwieweit die US-Regierung auf Schweden Druck ausgeübt hat, dass Assange strafrechtlich verfolgt wird. Er dürfte ebenso wie Snowden gut daran getan haben, Schutz zu suchen, auch wenn sich beide in keiner angenehmen Lage befinden.