Wilde Bienen: Anarchische Eindringlinge

Wenn die Arbeiterinnen der Zwerghonigbiene Eier legen wollen, machen sie es wie der Kuckuck: Sie suchen sich einfach ein fremdes Nest

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Eine führerlose Gesellschaft gerät leicht in Gefahr, von Fremden unterwandert zu werden. Die gilt zumindest für die in Süd- und Südostasien heimische Zwerghonigbiene Apis florea. Australische Biologen haben bei ihr eine bislang für Bienen nicht bekannte Fortpflanzungsstrategie entdeckt. Im aktuellen Nature berichten sie.

Bienenköniginnen verfügen über ein absolutes Fortpflanzungsmonopol, dem sich alle Untertanen fügen müssen. Dass Arbeiterinnen sich trotzdem reproduzieren ist selten, obwohl sie körperlich potenziell dazu in der Lage wären und dadurch ihre direkte Fitness erhöhen könnten. Doch: Unkontrollierte Vermehrung wird verhindert, sie bedroht die strenge Arbeitsteilung zwischen Königin und Arbeiterinnen und mindert die Effizienz der gesamten Kolonie.

Monopol der Reproduktion

Eine Strategie, um derart selbstsüchtiges Verhalten zu verhindern, ist das so genannte Policing, das bei verschiedenen staatenbildenden Insektenarten für Ordnung sorgt. Und dabei wird nicht lange gefackelt: Zu den noch harmlosen Formen der dann angewendeten Sanktionen zählt es, wenn Arbeiterinnen die verbotenerweise abgelegten Eier auffressen. Bei einigen stachellosen Bienenarten jedoch werden falsche Königinnen sogar geköpft oder zerfetzt.

Nest von A. florea. Es besteht aus einer einzigen Wabe, die von einem Ast herabhängt. (Bild: Nature)

Doch was geschieht bei einem Bienenvolk, wenn es seine Regentin verliert und deren Monopol frei wird? Üblicherweise bilden sich dann die Eierstöcke der Arbeiterinnen aus, sie beginnen Eier zu legen, stellen das Policing ein und ziehen wenigstens noch ein paar Drohnen auf, bevor die Kolonie stirbt. Auf diese Weise bleiben die Gene erhalten, schließlich stammen alle Arbeiterinnen von der Königin ab, sie sind also Schwestern.

Ungestrafte Unterwanderung

Eine andere, wesentlich erfolgreichere Strategie, die eigenen Gene weiterzugeben, verfolgen die Arbeiterinnen der asiatischen Bienenart Apis florea. Wie Benjamin P. Oldroyd von der School of Biological Sciences der University of Sydney und sein Team herausfanden, suchen sie sich ganz gezielt fremde Bienenvölker aus, die gerade ohne Königin sind. Sie nutzen den Moment, in dem das Policing ruht und legen dort ihre Eier ab. Auf diese Weise bleibt ihr Egoismus ungestraft.

Oldroyd und Kollegen sammelten vier wild lebende A. florea-Völker ein und siedelten sie in eine Umgebung mit vielen wild lebenden Völkern um. Dann entnahmen sie den Kolonien jeweils mehrere Arbeiterinnen und entfernten die Königin, ebenso wie alle Zellen, in denen sich Königinnen entwickelten. Nach einer sowie nach weiteren vier Wochen sammelten sie weitere Arbeiterinnen ein und nahmen Proben von Eiern, Larven und Puppen. Die Arbeiterinnen wurden auf die Aktivität ihrer Ovarien untersucht, die restlichen Proben wurden einer DNS-Analyse unterzogen, um die Verwandtschaftsverhältnisse zu untersuchen.

Erfolgreiche Reproduktionsstrategie

Dabei stellten die Biologen fest, dass bis zu dem Zeitpunkt an dem die Königin entfernt wurde, die Zahl nicht miteinander verwandter Arbeiterinnen sehr gering war (2 Prozent), keine der Arbeiterinnen besaß ausgebildete Ovarien. Nach der Entfernung der Königin änderte sich dies rasch: Bereits nach einer Woche war der Anteil nicht verwandter, also eingewanderter Arbeiterinnen auf 4,5 Prozent gewachsen. Während fast die Hälfte von ihnen über aktive Eierstöcke verfügte, waren es bei den heimischen nur rund 18 Prozent.

Für die Forscher ist das ein Indiz dafür, dass die parasitischen Bienen gezielt nach Völkern ohne Königin suchen. Auch der Reproduktionserfolg der Eindringlinge lag höher. Denn selbst wenn der Anteil parasitischer Arbeiterinnen an einer Kolonie nur 2,3 Prozent betrug, so stammten doch fast 36 Prozent der Eier und 22,5 Prozent der Puppen von ihnen.

Europäische Honigbienen bleiben häuslich

Dass sich die Arbeiterinnen einer Bienenart führerlose fremde Kolonien suchen, um sie mit ihren eigenen Eiern zu unterwandern, war den Biologen bislang nicht bekannt. Bei der europäischen Honigbienenart A. mellifera kommt dieses Verhalten nicht vor. Selbst wenn dort die Königin stirbt, wandern keine fremden Bienen ein. Für Oldroyd und seine Kollegen bietet die Strategie von A. florea immerhin eine greifbare Erklärung für die Tatsache, dass Arbeiterinnen königinloser Zwergbienen-Kolonien auffallend häufig nestflüchtig werden. Ein Mechanismus, den sie gelegentlich sogar bei Völkern mit Königin beobachteten.

Warum das so ist, darauf haben die Forscher keine Erklärung. Dass sich die abtrünnigen Zwerghonigbienen so erfolgreich bei fremden Völkern einnisten können, hängt vermutlich auch damit zusammen, dass die Nester von A. florea aus einer einzigen, handtellergroßen Wabe bestehen, die ungeschützt im Freien an einem Ast hängt und leicht zugänglich ist.