"Wir haben den umfänglichsten Ausbau der erneuerbaren Energien geschaffen"

Energiepolitik in der Bundestagwahl 2005 – Teil 1: Ein Interview mit Rolf Hempelmann (SPD)

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Rolf Hempelmann ist energiepolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Das Interview fand am 8.8. statt.

Rot-Grün hat in den letzten 7 Jahren einiges in Sachen Energiepolitik auf den Weg gebracht. Wo liegen die größten Unterschiede in der Energiepolitik zwischen der SPD und der CDU, die ja die Förderung der Windenergie kürzen möchte?

Rolf Hempelmann: Wenn ich auf das schaue, was die CDU bisher zum Thema Energie öffentlich gesagt hat, gibt es erheblich mehr Unterschiede als beispielsweise die Förderung der Windenergie. Die CDU will die Laufzeiten der Kernkraftwerke verlängern. Wir haben dazu mit der Kernenergie betreibenden Wirtschaft einen klaren Vertrag abgeschlossen, der Vorteile für diesen Sektor beinhaltet, denn der öffentliche Protest gegen die Kernkraft ist nach Abschluss dieses Vertrags abgeebbt. Gleichzeitig ist klar, dass die Laufzeiten begrenzt sind und gegen 2020 laufen die letzten Kernkraftwerke aus.

Die CDU will diesen Vertrag aufkündigen und findet dabei natürlich Zuspruch von der Kernkraftindustrie. Aber beide Seiten sind aufgerufen, sehr genau aufzupassen, dass der soziale Frieden, den wir bei diesem Thema erreicht haben, nicht aufs Spiel gesetzt wird.

Der zweite große Unterschied liegt in der Kohlepolitik. Rot-Grün hat eine Planung bis 2012 vorgelegt, die eine weitere Rückführung der Subventionen für die Steinkohle vorsieht, so dass 2012 nur noch etwa 5 Bergwerke im Betrieb sein werden und zahlreiche Arbeitsplätze im Steinkohlebergbau abgebaut werden, allerdings ohne betriebsbedingte Kündigungen und unter Aufrecherhaltung des Zugangs zu den Lagerstätten und der damit verbundenen Versorgungssicherheit.

Steinkohle ist die einzige nennenswerte Rohstoffreserve in Deutschland, wird aber bei der CDU völlig anders bewertet. In Nordrhein-Westfalen hat die neue CDU-geführte Regierung beschlossen, die Steinkohlesubventionen zu kürzen, erklärt aber nicht, wie dies ohne betriebsbedingte Kündigungen passieren kann. Ähnlich vage äußert sich die Bundes-CDU zu diesem Thema. Bei der SPD ist der Schutz der Arbeitsplätze sehr wichtig in diesem Zusammenhang, genauso wie der Export von Kohlekraftwerks- und Bergbautechnologien.

Dabei geben wir schätzungsweise 80.000 bis 90.000 Euro jährlich für jeden Arbeitsplatz in der Steinkohleindustrie aus. Sie sprechen von der Versorgungssicherheit. Können wir die Steinkohle nicht ausreichend und billiger importieren? Da gibt es doch keinen Versorgungsengpass, oder? Und Sie lassen die Braunkohle völlig außer Betracht, die ja gerade in Ostdeutschland in großen Mengen vorhanden ist.

Rolf Hempelmann: Zunächst haben Sie Recht: Die Braunkohle ist eine wichtige Rohstoffreserve in Deutschland - und Gott sei Dank subventionsfrei. Ich denke, wir haben gerade beim Emissionshandel Rahmenbedingungen gesetzt, die dafür sorgen, dass es weiterhin Braunkohlekraftwerke in Deutschland geben wird.

Was die Steinkohle angeht: Es ist eine billige Argumentation, die Subventionen auf den einzelnen Arbeitsplatz herunterzurechnen. Je effizienter die Steinkohleförderung wird, desto weniger Arbeitsplätze gibt es. Das zeigt, wie schizophren diese Argumentation ist. Aber letztlich bezahlen wir hier die Versorgungssicherheit mit. Wer beobachtet hat, wie sich die globalen Kohlemärkte in den letzten paar Jahren entwickelt haben, der kann uns nur Recht geben, dass es nur Planungssicherheit mit der heimischen Steinkohleförderung gibt. Die Preise sind auf den Weltmärkten geradezu explodiert. Man kann heute nicht vorhersagen, wie die Strategie der Steinkohle exportierenden Länder sich entwickeln wird: Möglicherweise werden sie mehr für den eigenen Markt als für den Export produzieren. Beim Koks haben wir sehr schnell gesehen, wie schnell Knappheiten entstehen und die Preise sich in kürzester Zeit vervier- oder verfünffachen können. Die deutsche Stahlindustrie sehnt sich in die Zeiten zurück, als man sich durch eigene Kokereien auf der Basis deutscher Kokskohle selbst versorgte.

Für den Ausstieg aus der Kernkraft, aber weiterhin Förderung der Kernkraftforschung

Bei der Kernkraft sprechen Sie vor allem vom sozialen Frieden. Die Befürworter der Kernkraft sprechen davon, dass wir den Strom aus Kenkraftwerken gar nicht ersetzen können, weil die erneuerbaren Energien gar nicht so viel hergeben - und man müsse die dritte und vierte Generation der Kernkraftwerke entwickeln.

Rolf Hempelmann: Wir haben hier zwei sehr unterschiedliche Themen. Neue Kraftwerksgenerationen sind überhaupt nicht im Gespräch. Es geht lediglich um die Verlängerung der alten Kernkraftwerke. Wir haben zu diesem Thema in Deutschland eine sehr breite Debatte schon gehabt.

Die Schweden auch vor 25 Jahren, aber sie haben den Atomausstieg nicht geschafft. Schaffen wir den?

Rolf Hempelmann: Wir sind auf bestem Wege. Wir sind das Land, das den umfänglichsten Ausbau der erneuerbaren Energien geschafft hat, und durch den Einstieg in den Emissionshandel bekommen wir eine neue Kraftwerksgeneration im fossilen Bereich mit viel höheren Wirkungsgraden - also weniger CO2-Ausstoß. Wir müssen aber auch auf der Nachfrageseite dafür sorgen, dass wir eine Einsparmentalität haben, die nicht auf Verzicht basiert, aber die darauf achtet, dass unsere Annehmlichkeiten nicht mit Energieverschwendung einhergehen. In den Sektoren Transport und Privathaushalte haben wir riesige Spielräume für größere Effizienz bei gleichem Komfort.

Wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, wäre die SPD für die Entwicklung nicht nur neuer Kohlekraftwerke, sondern auch neuer Kernkraftwerke?

Rolf Hempelmann: Nein! Wir sind klar für einen Ausstieg aus der Kernkraft. Aber in unseren Forschungshaushalten wird die Kernkraftforschung mit beachtlichen Mitteln unterstützt. Dabei geht es vor allem um Sicherheitsforschung und Kernfusion. Hier kann sich der Sektor Kernenergie überhaupt nicht beklagen.

"Wir bemühen uns um sinnvolle Gesamtlösungen

Die CDU-FDP hat die Windkraft Anfang der 1990er auf die Beine gestellt. Die Befürworter der erneuerbaren Energien brauchen doch keine Angst vor der CDU zu haben, denn die will ja nur die Windkraftförderung leicht kürzen, aber alles andere beibehalten, oder?

Rolf Hempelmann: (lacht) Das ist - entschuldigen Sie den Ausdruck - alles ein bisschen hausbacken. Richtig ist, dass in der Ära Kohl ein Stromeinspeisegesetz erlassen wurde. Ob damit die Windkraft auf die Beine gestellt wurde, sei dahingestellt. Erst mit dem EEG 1999 und der Novelle 2004 haben die erneuerbaren Energien eine Entwicklung genommen, die uns an die Weltspitze geführt hat. Das ist eben notwendig in einem Land mit so wenigen Energie-Ressourcen - und angesichts des beschlossenen Atomausstiegs. Was die Windkraft angeht, gibt es unterschiedliche Aussagen aus der CDU: Manche wollen das EEG abschaffen, andere die Einspeisevergütungen senken, und andere noch ein Quotensystem einführen statt Einspeisevergütungen. Ich kann nicht auf sich ausschließende Forderungen reagieren.

Für die SPD kann ich sagen, dass wir die Förderung der Bioenergie stärken wollen. Und wir wollen die Effizienz der Förderung steigern. Bei der Windenergie bedeutet das eine bessere Netzintegration. Auch die Windenergie muss einen Beitrag zur Netzstabilität leisten. Die CDU könnte dort auch einen Schwerpunkt sehen.

Ein Kritikpunkt bei vielen Energieexperten ist gewesen, dass unter Rot-Grün die Kraftwärmekopplung nicht richtig in Gang gekommen ist. Wie kann die SPD nach den Wahlen für Besserung sorgen?

Rolf Hempelmann: Wir haben zunächst dafür gesorgt, dass der Bestand an Blockheizkraftwerken (BHKW), die in ihrer Existenz bedroht waren, erhalten geblieben ist. Das alleine war sehr aufwändig und eine große Leistung. Beim Neubau und Ausbau hatten wir nicht die Erfolge, die wir uns vorstellten. Das zuständige Ministerium wird im Rahmen eines Monitoring nach den Wahlen schauen, welche Vorschläge zur weiteren Entwicklung umweltfreundlicher Kraftwärmekopplung zum Zuge kommt.

Kämpfen Sie da nicht gegen die großen Energieversorgungsunternehmen, die so viele Kleinanbieter nicht dulden wollen?

Rolf Hempelmann: Wir legen unsere Politik nicht darauf an, dass uns eine Seite Befall zollt. Vom Emissionshandel zum Erneuerbaren-Energien-Gesetz u.v.m. haben wir bewiesen, dass wir uns um sinnvolle Gesamtlösungen bemühen - fair für alle Marktakteure. Wir müssen die Interessen aller beteiligten Gruppen auf ihre Berechtigung hin überprüfen, vom Energieversorgungsunternehmen bis hin zum kleinen Verbraucher.

Ich danke für das Gespräch.

Craig Morris übersetzt bei Petite Planète Translations und ist Autor des Buches Zukunftsenergien in der Telepolis-Buchreihe.