Wird Juncker der neue Steinbrück?

Der EU-Kommissionspräsidentschaftskandidat hält für Geld Reden - will aber nicht sagen, wer ihn bezahlt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

2012 kam heraus, dass der damalige SPD-Kanzleranwärter Peer Steinbrück trotz seines Bundestagsmandats bezahlte Reden hielt, für die er vom November 2009 bis zum Juni 2012 deutlich über eine Million Euro kassierte. Zu den Geldgebern zählte unter anderem die Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, die während Steinbrücks Zeit als Bundesfinanzminister ein "Bankenrettungsgesetz" ausarbeiten durfte. Aus dem Popularitätstief, in das Steinbrück nach dieser Enthüllung stürzte, kam er bis zur Bundestagswahl 2013 nicht mehr heraus.

Nun hat der Norddeutsche Rundfunk (NDR) enthüllt, dass auch der EU-Kommissionspräsidentschaftskandidat Jean-Claude Juncker zahlreiche bezahlte Reden hält. Dazu lässt er sich sogar von mindestens vier Agenturen vermitteln - darunter Celebrity Speakers und das London Speaker Bureau. Zur Höhe der Honorare und zu den Finanziers möchte der Luxemburger nichts Genaueres sagen. Auch die Agenturen schweigen dazu.

Jean-Claude Juncker. Foto: EVP. Lizenz: CC BY 2.0.

Junckers Auskunft, er würde die Honorare "teilweise" spenden, lässt jedoch den Umkehrschluss zu, dass er einen - möglicherweise deutlich größeren - Teil davon behält. Bei der NGO Transparency International fragt man sich deshalb, welchen wirtschaftlichen Akteuren Juncker wie stark verpflichtet sein könnte. So lange der 2013 über eine Stay-Behind-Affäre gestürzte luxemburgische Ministerpräsident dazu schweigt, lässt sich darüber lediglich spekulieren.

Weil der EU-Kommissionspräsident nicht von den Bürgern gewählt wird, kann man trotz der Honorarredenaffäre Junckers davon ausgehen, dass er dieses Amt übernehmen wird. Bundeskanzlerin Angela Merkel, der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy, der polnische Premier Donald Tusk und neun sozialdemokratische Regierungschefs wollen das so.

Junckers prominentestem Gegner David Cameron stellte Merkel angeblich Zugeständnisse bei der Rückübertragung von Zuständigkeiten an die Nationen in Aussicht, wenn er den Luxemburger akzeptiert. Als EU-Kommissionspräsident dürfte der 59-jährige Euroföderalist mit einem bekannt taktischen Verhältnis zur Wahrheit allerdings genau auf das Gegenteil hinarbeiten - ob offen oder verdeckt und mit Tricks. Das dürfte auch Cameron klar sein, der auf einer Kampfabstimmung beharrt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.