Wo gehobelt wird ...

Der UN-Sicherheitsrat übernimmt ohne Prüfung die von der US-Regierung zusammengestellte Liste angeblicher Terroristen und ihrer Helfer, deren Vermögen eingefroren werden muss

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Am 28. September verabschiedete der UN-Sicherheitsrat einstimmig, noch unter dem Schock der Attentate vom 11.9. stehend, die Resolution 1373, mit der sich die Mitgliedsländer verpflichten, den "internationalen Terrorismus" durch das Unterbinden von dessen Finanzierung und die Strafverfolgung von Personen und Organisationen zu unterstützen, die den Terrorismus unterstützen. Der dabei verfolgte Eifer führt aber nicht unbedingt zu rechtsstaatlich einwandfreien Ergebnissen, wie Fälle in Schweden und in der Schweiz zeigen.

Nach der Resolution 1373 sollen alle Mitgliedsstaaten die Finanzierung des Terrorismus verhindern und unterbinden sowie die wissentliche finanzielle Unterstützung durch das Sammeln von Gelder unter Strafe stellen. Das gesamte Geldvermögen von denjenigen, die terroristische Taten begehen oder begehen wollen, an ihnen teilnehmen oder diese unterstützten sowie der Personen und Organisationen, die in ihrem Auftrag handeln, soll sofort eingefroren werden.

Vorgesehen ist zwar, dass die derart als Terroristen oder alle Unterstützter von Terroristen Beschuldigten vor Gericht gestellt werden, doch das Einfrieren der Vermögen soll ohne Verzögerung und damit ohne Prüfung durch Gerichte oder andere Rechtsinstanzen geschehen. Einmal auf der Liste der Terroristen stehend, wird es schwer, wieder gestrichen zu werden. Vorgesehen ist nämlich kein Rechtsweg, den zu Unrecht Beschuldigte einschlagen könnten.

In der Praxis sah dies so aus, dass die US-Regierung noch unter Berufung auf zwei vorangegangene Resolutionen mit Sanktionen gegen das Taliban-Regime eine Liste mit den Namen von Einzelpersonen und Organisationen erstellte, die der Unterstützung des Terrorismus bezichtigt wurden und deren Gelder vom US-Finanzministerium eingefroren wurde. Dieser amerikanischen Maßnahme lag die mit dem nationalen Notstand begründete Anordnung von Präsident Bush vom 14. 9. 2001 zugrunde. Ähnlich schnell wie man in den USA nach dem 11.9. Hunderte von arabischen Ländern stammenden Menschen auf puren Verdacht verhaftete und monatelang aufgrund oft nur geringfügiger Verletzungen der Aufenthaltsberechtigung festhielt, entstand diese fortwährend aktualisierte Liste durch Informationen vornehmlich seitens der Geheimdienste.

Beschwerden werden nicht überprüft

Der UN-Sicherheitsrat übernahm Ende November 2001 die von der US-Regierung erstellte Liste, ohne dass die Verstrickung der beschuldigten Individuen oder Organisationen mit terroristischen Gruppen überprüft wurde. Ende Januar meldete bereits das schwedische Außenministerium Protest beim Sanktionsausschuss des Sicherheitsrates an und bat darum, die Liste der Personen und Organisationen, deren Vermögen eingefroren werden soll, zu überprüfen und klare Kriterien zu entwickeln. Die Liste sei vom Ausschuss ohne Überprüfung innerhalb von 48 Stunden übernommen und niemals diskutiert worden.

Drei Personen, die sich auf der Liste befinden, sind schwedische Bürger arabischer Abstammung. Das schwedische Außenministerium kritisierte, dass keine weiteren Informationen angegeben wurden, warum sich diese Personen auf der Liste befinden. Die schwedische UN-Delegation hatte im Dezember einen Brief der Schweden an den Sanktionsausschuss weiter geleitet, in dem sie diesen aufforderten, sie von der Liste zu streichen. Überdies forderte die schwedische Regierung, dass die Beschuldigten zumindest soviel Geld aus ihrem Vermögen entnehmen dürfen, wie sie zum Leben in Schweden benötigen. Weder wurden die Beschuldigten von der Liste genommen oder eine ausführlichere Begründung ihrer Verbindung mit Terroristen gemacht, noch reichte man das Gesuch der schwedischen Regierung weiter.

Am 16. Januar wurde schließlich eine erneute Resolution verabschiedet, nach der die beschlossenen Sanktionen weiter geführt werden. Die Liste soll regelmäßig aktualisiert und Ende 2002 sollen die beschlossenen Maßnahmen überprüft werden. Der Antrag der schwedischen Regierung, strengere Kriterien zugrunde zu legen, wie dies auch in der EU geschehe, wurde bislang nicht weiter behandelt. Mit dem US-Finanzminister O'Neill vereinbarte die schwedische Außenministerin Anna Lindh Ende April zwar, dass die Mittel zur finanziellen Bekämpfung des Terrorismus überprüft werden sollten, aber bei dieser Absichtserklärung ist es wohl auch bislang geblieben.

"Es gibt bei diesen Listen gewisse rechtsstaatliche Probleme."

Die NZZ hat gestern auf einen anderen Fall in der Schweiz hingewiesen, der gleichfalls Zweifel an der Rechtstaatlichkeit der von der US-Regierung übernommenen UN-Sanktionsliste entstehen lässt. Das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), obgleich erst vor kurzem der UN beigetreten, setzte mit eigenen Anordnungen bislang stets die Wirtschaftssanktionen der UN um. Auf der Sanktionsliste gegen Taliban/al-Qaida befinden sich auch "Mansour, Mohamed, (a.k.a. Al-Mansour, Dr. Mohamed)" sowie seine Frau Zeinab Mansour-Fattouh, die aus Ägypten stammen. Dem 74-jährigen Mansour, der früher ETH-Professor war, wurden also die Bankkonten gesperrt. Er beteuert unschuldig zu sein, Rechtsmittel aber kann er gegen die Maßnahme nicht einlegen. Immerhin kann die Schweiz nach einer Klausel den Mansours das Geld für den täglichen Bedarf freigeben, aber das ist eine Sonderbestimmung, die in anderen Ländern nicht gilt.

Nach der NZZ kam das Ehepaar auf die Liste, weil sie im Verwaltungsrat der mittlerweile nicht mehr existierenden "Al-Taqwa Management Organisation" waren, die "islamistische Kreise" unterstützt haben soll, Allerdings hätten die beiden nur als Alibifiguren gedient, denen man höchsten eine "gewisse Sorglosigekit" vorwerfen könne. Zwar wurde gegen die Geschäftsführer der Organisation von der Schweizer Bundesanwaltschaft ein Strafverfahren eröffnet, nicht aber gegen das Ehepaar. Deren Sprecher Hansjürg Wiedmer sagte gegenüber der NZZ:

"Wir führen Strafverfahren, und da gelten streng rechtsstaatliche Regeln. Informationen, die möglicherweise aus nachrichtendienstlichen Quellen stammen, sind nur beschränkt gerichtlich verwertbar."

Erst am 7 Mai hat die Schweiz die "Verordnung über Massnahmen gegenüber Personen und Organisationen mit Verbindungen zu Usama bin Laden, der Gruppierung 'Al-Qaïda' oder den Taliban" um weitere Namen ergänzt. Wie die NZZ richtig anmerkt, können schon die arabischen Namen zu Irrtümern führen, da sie auf unterschiedlichste Weise lautsprachlich übersetzt werden. Bei einer Ergänzung der auf der US-Liste eingetragenen Terrorgruppen wurde dies im März bei der Aufnahme von zwei weiteren Gruppen mit diesem Ergebnis berücksichtigt:

"Al-Haramain Islamic Foundation (a.k.a. Al-Haramain; a.k.a. Al-Haramain Foundation; a.k.a. Al-Haramain Humanitarian Foundation; a.k.a. Al-Haramayn; a.k.a. Al-Haramayn Foundation; a.k.a. Al-Haramayn Humanitarian Foundation; a.k.a. Al-Haramayn Islamic Foundation; a.k.a. Al-Haramein; a.k.a. Al-Haramein Foundation; a.k.a. Al-Haramein Humanitarian Foundation; a.k.a. Al-Haramein Islamic Foundation; a.k.a. Alharamain; a.k.a. Alharamain Foundation; a.k.a. Alharamain Humanitarian Foundation; a.k.a. Alharamain Islamic Foundation; a.k.a. Alharamayn; a.k.a. Alharamayn Foundation; a.k.a. Alharamayn Humanitarian Foundation; a.k.a. Alharamayn Islamic Foundation; a.k.a. Alharamein; a.k.a. Alharamein Foundation; a.k.a. Alharamein Humanitarian Foundation; a.k.a. Alharamein Islamic Foundation) [Somalia]"

Auch in der Schweizer Regierung ist man sich klar, dass solche Sanktionsmaßnahmen rechtlich nicht einwandfrei sind. "Es gibt", so Othmar Wyss von Seco, "bei diesen Listen gewisse rechtsstaatliche Probleme." Dezent habe man die damit verbundenen Probleme schon mehrmals gegenüber der USA vorgebracht, offenbar ohne große Folgen. Jetzt will die Schweiz als neues UN-Mitglied zusammen mit Schweden eine Reform des Sanktionsrechts durchsetzen, das auf einzelne Personen oder Organisationen zielt. Wichtig wäre es, dass sich auch andere Regierungen hinter dieses Reformprojekt stellen, um auch in diesem Bereich des internationalen Rechts nicht Willkür herrschen zu lassen, selbst wenn es um die Bekämpfung des Terrorismus geht. An der Verbesserung des Instruments der Sanktion gegenüber Staaten arbeiten die Schweiz, Schweden und Deutschland schon länger. Zur Debatte steht hier, wie sie gezielter eingesetzt werden können, um vor allem zu vermeiden, dass die breite unschuldige Bevölkerung unter diesen nicht leiden muss.