Wo geht's hier raus?

Neue Anschläge auf Verbündete im Irak; die US-Administration sucht das Licht am Ende des Tunnels mit neuen Strategien zur Beschleunigung der Machtübernahme.

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Nur mehr wenig Zeit, bis zum 15.Dezember, so die Deadline der UN, bleibt dem irakischen Regierungsrat, um Vorschläge für ein Gremium zu unterbreiten, das dann eine Verfassung ausarbeiten soll. Die amerikanische Administration sei frustriert über den mangelnden Elan des Regierungsrates, hieß es am Wochenende. Irak-Statthalter Bremer wurde gestern nach Washington berufen, wo er an einem Brainstorming der ranghöchsten Mitglieder der Bush-Administration teilnimmt, dem sich heute auch Präsident Bush anschließen will. Gesucht wird eine neue Strategie für eine beschleunigte Übergabe der Macht an die Iraker.

Es sind die Spitzen der US-Administration, Vize-Präsident Cheney, Verteidigungsminister Rumsfeld, Außenminister Powell, die Sicherheitsberaterin Rice, der CIA-Chef Tenet und andere Cadres, die seit gestern in Washington über verschiedene Wege reden, die den graduellen Abzug der US-Besatzungsmacht aus dem Irak im Laufe des nächsten Jahres ermöglichen sollen.

Nicht nur die Anschläge auf US-Truppen, die laut CIA mittlerweile auf 30 bis 35 pro Tag gestiegen sind, bereiten der Administration Schwierigkeiten. Jetzt steht auch der irakische Regierungsrat, dessen Entsendung zu einer Konferenz der arabischen Liga vor Wochen noch als wichtiger diplomatischer Schritt gefeiert wurde, im Zentrum der Kritik. Zuwenig Effizienz wird von amerikanischer Seite bemängelt. Dazu kommt, dass der Regierungsrat auch bei der irakischen Bevölkerung kaum Rückhalt erfährt. Genau hier liegt das Problem, während die Amerikaner dem Rat Inaktivität vorwerfen, kontern Ratsmitglieder damit, dass sie von den Amerikanern nur mit wenig Kompetenzen ausgestattet würden. Bremer habe das letzte Wort, der Rat dürfe nicht einmal eine eigene Sicherheitstruppe aus Irakern aufstellen.

Dissonanzen hemmen auch Fortschritte bei der Frage nach der Auswahl des Gremiums. Während die US-Administration für eine zügige Lösung eintritt und vom Rat fordert, dass er möglichst schnell einen Vorschlag zur personellen Zusammensetzung des verfassungsgebenden Gremiums unterbreitet, ebenso wie einen Zeitplan für ein Referendum, einen Zensus und erste demokratische Wahlen im Irak, befürworten laut Washington Post einige Ratsmitglieder einen sehr viel längeren Prozess, der zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen würde.

Diese Zeitpläne hängen von der Sicherheitslage ab und wenn sich die Sicherheitslage verschlechtert, können wir solchen Verpflichtungen nicht nachkommen

Hoschiar Zubari, Interimsaußenminister

Wir glauben, dass der verfassungsgebende Prozess einige Zeit braucht. Es könnte Schlimmes auf uns zukommen, wenn wir zu sehr Tempo machen. Wir sollten dies auf kleiner Flamme kochen

Muwaffak Rubaii, Ratsmitglied

Den Amerikanern dagegen verlangt es nach Tempo. Entsprechend werden jetzt auch Vorschläge gehandelt, die den Einfluß des Rates auf kleiner Flamme halten. Demzufolge soll der Rat eine Interim-Verfassung, bzw. ein Set an "Grundgesetzen (basic laws)" ausarbeiten, wonach im nächsten Sommer eine Wahl für ein verfassungsgebendes Komitee stattfinden kann. Das Komitee würde dann bei der Bildung einer souveränen Exekutive mithelfen, die den Irak regieren würde, bis eine Verfassung geschrieben würde und die ersten demokratischen Wahlen abgehalten.

Man sollte sich darauf konzentrieren, wo der Ausgang ist, wird ein US-Offizieller in Baghdad zitiert. Teil der Strategie müsse sein, dass die Iraker selbst wieder das "Licht am Ende des Tunnels sehen."

Mittlerweile dürfte es für die USA noch schwieriger werden der Sicherheitslage im Irak Herr zu werden, indem man Unterstützung durch verbündete Streitkräfte sucht. Die Entsendung türkischer Verbände in den Irak ist wohl gescheitert und nachdem in letzter Zeit auch Polen und Spanier Tote im Irak zu beklagen hatten, sind heute italienische Polizeitruppen bei einem Sprengstoffanschlag auf ihr Hauptquartier in Nassirijah schwer getroffen wurden; letzten Meldungen zufolge sind dabei mindestens vierzehn Italiener und eine unbekannte Anzahl Iraker getötet worden.