Wo ist das Geld von Saddam Hussein?

Der Libanon, die "Schweiz des Nahen Ostens", hütet trotz US-Druck das Bankgeheimnis

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Wenn es mit einem Diktator zu Ende gegangen ist, lautet eine der ersten Fragen stets: Wo ist das Geld geblieben? Bei Saddam Hussein, einer der "Inkarnationen des Bösen", ist man besonders penetrant, wenn es um sein Geld bzw. das seines Regimes geht. Westlich orientierte Usurpatoren deponieren ihre "privaten" Millionen gewöhnlich auf Geheimkonten in der Schweiz. Die Herrscher arabischer Regime lagern "ihre Reichtümer" im Libanon, dessen Banken nicht minder diskret arbeiten und keinerlei Fragen stellen. Nicht umsonst wird der Libanon die Schweiz des Nahen Ostens genannt. Er ist eine Bank-Oase für die Scheichs, Geschäftsmänner und Politiker, oft in Personalunion, aus Dubai, Kuwait, Saudi-Arabien, Syrien, Ägypten oder eben auch aus dem Irak.

"Viele Koffer, vollgestopft mit Geld, sind ins Land gebracht worden", meint der MP Walid Jumblatt. "Lange bevor das Regime von Saddam Hussein gestürzt wurde." Mittlerweile möchte sich der Vorsitzende der Partei des "Democratic Gathering Bloc" dazu nicht mehr äußern, er hätte mit seiner Aussage "bestimmte Leute" irritiert.

Alter irakischer Dinarschein

Nach US-Schätzungen sollen exakt 495 Millionen Dollar von der ehemaligen irakischen Regierung in den Libanon geschmuggelt und deponiert worden sein. "Woher die Amerikaner das so genau wissen", meint ein libanesischer Finanzexperte, der lieber anonym bleiben will, "ist mir ein Rätsel. Wegen des Bankgeheimnisses kann niemand die exakte Höhe des Betrags wissen."

Die US-Regierung pocht auf die UN-Resolution, die alle Staatsregierungen auffordert, Gelder des alten Irak-Regimes zu beschlagnahmen und an den von ihnen verwalteten "Fond für die Entwicklung des Iraks" auszuhändigen. Im Mai diesen Jahres hatte die Zentralbank des Libanon in einer offiziellen Erklärung dem auch zugestimmt, aber mit dem Zusatz, dass das Geld nur an eine "legitime Regierung", nicht an eine von den "USA eingesetzte Übergangsinstitution" zurück gegeben wird. Die New York Times behauptete letzte Woche und zitierte dabei verschiedene Vertreter der US-Administration, diese Entscheidung sei nur unter dem Druck von Syrien zustande gekommen, woran tatsächlich wenig Zweifel bestehen dürfte. Syrien versucht gewöhnlich bei allen wichtigen Entscheidungen des Bündnispartners "überzeugend Einfluss" zu nehmen. Ebenso sicher ist es jedoch auch, dass es damit im Libanon offene Türen einrannte (Verzwickte Lage im Libanon).

Eine Übergabe der Millionen von Saddam Hussein an eine, ausgerechnet von den USA, kontrollierte Behörde wäre die denkbar schlechteste Werbung für das libanesische Bankwesen. Ohne ein bedingungsloses, ja fast schon "heilig" zu nennendes Bankgeheimnis, wäre die Prosperität der heimischen Bankhäuser ernsthaft gefährdet. Welcher saudi-arabische Prinz beispielsweise legt schon gerne seine Schwarzgelder in mehrfacher Millionenhöhe auf eine Bank, wo es plötzlich Präzedenzfälle gibt?

Welches Geld?

Regierungssprecher Nabih Berri erklärte vor kurzem, er werde "nicht einen einzigen Versuch dulden, das Bankgeheimnis auch nur anzurühren. Ich bin nicht auf die Gnade Amerikas angewiesen." Völlig undenkbar also auch, dass die Konten der Hamas oder der Hisbollah eingefroren werden, wie es die USA bereits mehrfach von der libanesischen Regierung gefordert haben. Obendrein geht es bei diesen Organisationen nicht nur um Bankpolitik, vielmehr um die unantastbare Doktrin des "legitimen Kampfes gegen die Okkupationsmacht Israel", über die sich der Libanon mit den anderen arabischen Staaten einig ist.

Neuer enthusseinierter 250-Dinar-Schein des irakischen Regierungsrats

Bisher wurde kein Untersuchungsausschuss eingesetzt, der nach den Geldern Saddam Husseins sucht und die Umstände klärt, wie das Millionenvermögen ins Land gekommen ist. Der oberste Staatsanwalt des Libanon, Adnan Adoum, stellt sich dumm, obwohl die Zentralbank doch bereits die Existenz der irakischen Bankkonten bestätigt hat:

Welches Geld? Wir haben als allererstes schon keinen Beweis, dass irgendwelches Geld in den Libanon gekommen ist.

Das Bankgeheimnis könne nur im Falle von Geldwäsche außer Kraft gesetzt werden. Wenn ihn nun die Zentralbank bitten würde gegen irakischen Geldschmuggel in den Libanon zu ermitteln, klar, dann würde man das sofort tun.

Ein libanesischer Beamte, der zu Zeiten von Saddam Hussein mehrfach in den Irak gereist ist, behauptet, es habe keinen Schmuggel gegeben, da es einfach nicht nötig gewesen sei:

Die irakische Regierung hat mit dem Wissen der libanesischen Behörden einige Konten eröffnet. Ganz normale Konten, auf dem üblichen normalen Weg und nicht für illegale Transaktionen.

Diese publikumswirksamen Schmuggelgeschichten seien Kreationen, um die "nationalen Kräfte, die gegen den Krieg waren und für den irakischen Widerstand sind", zu diskreditieren

Tatsächlich ist es kaum nötig, Geld in den Libanon zu schmuggeln, höchstens man hat es sehr eilig und möchte unliebsame Fragen bei einer eventuellen Grenzkontrolle und die damit verbundenen horrenden Bestechungsgelder vermeiden. Genießt man aber wie die irakischen Geldemissäre den Schutz der Immunität und der libanesischen Behörden, kann man mit "vollgestopften Koffern" oder selbst mit einem LKW voll kleiner Scheine direkt vor die Bank fahren. Der Bankdirektor wird wie üblich nicht eine einzige Frage nach der Herkunft des Geldes stellen.

Spekulationen, dass auch Geld nach Syrien verschoben wurde, sind nicht nachzuvollziehen. Einen bequemeren und sichereren Ort als den Libanon gibt es kaum anderswo in der Welt. Ein Nummerkonto ohne Hinweise auf den Inhaber ist hier eine Allerweltsgeschichte.