Wo sind die Flüchtlinge aus Idomeni?

UNHCR ist besorgt, die griechische Regierung reagiert beleidigt

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Bereits im antiken Griechenland musste das Bild der vielköpfigen Hydra herhalten, wenn man jemandem verdeutlichen wollte, dass er mit einer versuchten Problemlösung nur noch mehr Unheil angerichtet habe. Jedem abgeschlagenen Kopf des mythischen Ungeheuers wuchsen vier weitere nach. Es zählt zu den zwölf Heldentaten des Herakles, die Hydra im Kampf komplett enthauptet und somit zur Strecke gebracht zu haben.

Die gestern vorzeitig abgeschlossene Räumung des Flüchtlingslagers Idomeni wurde von der Regierung in Athen als solch eine Herkulesaufgabe gefeiert. Sie vermeldete, 3817 Menschen von Idomeni aus in andere Lager gebracht zu haben. Zudem hieß es, Idomeni sei nun komplett geräumt. Wo aber sind die übrigen Bewohner des Lagers hin? Denn bis vor Wochenfrist befanden sich mehr als 11.000 Personen regelmäßig in dem wilden Lager an der Grenze. Bei Beginn der zuvor angekündigten Räumung zählten die Behörden 8199 Personen.

Idomeni im März. Bild: W. Aswestopoulos

Die Antwort ist einfach. Vor der Räumung waren nach Informationen des aus Nordgriechenland stammenden Oppositionspolitikers Kostas Gioulekas knapp 4000 Flüchtlinge und Immigranten aus Furcht vor den als Konzentrationslager verschrienen staatlichen Lagern ins Umland geflüchtet. Die Zahl deckt sich mit den amtlichen Statistiken der täglichen Zählung. Reporter haben zudem registriert, dass sich nun allein an einer Tankstelle, der letzten vor der Grenze, ungefähr 2000 campierende Flüchtlinge und Migranten eingefunden haben. Vor dem quer gegenüberliegenden Hotel Chara befinden sich nun fast ebenso viele Menschen. Es sind an beiden Stellen erheblich mehr, als sich vor Beginn der Räumung dort befanden.

Kritiker sprechen daher nun von einem Fiasko der Regierung, welches statt einem Schandfleck, Idomeni, nun mehrere zur Folge habe. Der Bereich des geräumten Lagers wird indes mit Bulldozern in Stand gesetzt. Arbeiter des staatlichen Eisenbahnunternehmens OSE haben mit der Reparatur der Gleise begonnen. Als wirklichen Erfolg kann die Regierung somit die Öffnung der Bahnstrecke nach mehr als 70 Tagen betrachten.

Zufrieden mit der Arbeit seiner Polizisten gab Bürgerschutzminister Nikos Toskas am Donnerstag vor Ort eine Pressekonferenz. Künftig würde der Staat und nicht die Hilfsorganisation in der Flüchtlingsfrage den Ton angeben, meinte er. Dass dies ausreichend ist, bemängelt ausgerechnet das UN-Flüchtlingshochkommissariat. Das UNHCR begrüßte zwar die Räumung von Idomeni, rief die griechische Regierung jedoch dringend dazu auf, andere als die nun angebotenen Alternativunterkünfte zu suchen. Das UNHCR berichtet von untragbaren Zuständen in den neuen, aber auch in älteren, nun mit Menschen aus Idomeni überfüllten weiteren Ausweichlagern.

Seitens der griechischen Regierung verschickte Giorgos Kyritisis, Sprecher der Regierungskommission für Flüchtlinge, als Antwort auf die öffentliche Rüge der UN-Behörde eine scharfe Protestnote an die akkreditierten Journalisten. Er beklagte sich darin, dass das UNHCR die Leistung der griechischen Regierung nicht ausreichend würdige. Das Flüchtlingshilfswerk solle sich lieber mit konkreten Vorschlägen und tatkräftiger Hilfe an die Regierung wenden, meinte er.