Wütende User an der Mausbewegung erkennen

Verfahren soll helfen, Webangebote zu verbessern

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Informatiker Jeff Jenkins, Joseph Valacich, Markus Weinmann, Martin Hibbeln und Christoph Schneider haben einen Aufsatz in MIS Quarterly angekündigt, der den Titel "Inferring Negative Emotion from Mouse Cursor Movements" trägt. In ihm publizieren sie die Ergebnisse von drei Studien, in denen sie untersuchten, wie sich der Gefühlszustand von Nutzern von Web-Angeboten in ihren Mausbewegungen niederschlägt.

Für die erste Studie manipulierten die Informatiker 65 Nutzer von Amazons Mechanical Turk während einer Bestellaufgabe, damit sie negative Gefühle entwickelten. Dabei zeichneten sie die Bewegungen auf, die die Probanden in diesem Zustand mit ihrem Cursor machten - und fanden heraus, dass in dieser Gefühlslage die Entfernung zwischen den Cursorpositionen steigt und die Geschwindigkeit zurückgeht.

An der zweiten Studie nahmen 126 Probanden teil, die an einer US-Universität rekrutiert wurden. Sie sollten mit einem eCommerce-Portal interagieren, das für die Studie programmiert wurde und dazu in der Lage war, sie in einen negativen Gefühlszustand zu versetzen - zum Beispiel durch langsames Laden. Auch hier beobachteten die Wissenschaftler die Cursorbewegungen und stellten fest, dass sie über Entfernung und Geschwindigkeit mit einer Genauigkeitsrate von 81,7 Prozent die Gefühlslage der Probanden erkennen konnten.

Für die dritte Studie engagierten sie 80 Teilnehmer von Universitäten in Deutschland und Hong Kong, die sich online einen Computer oder einen Auto mit bestimmten Eigenschaften zusammenstellen sollten. Hier wurden die Probanden immer wieder mit eingefrorenen Bildschirmen und Fehlermeldungen konfrontiert und über ihr Frustrationslevel befragt, während man ihre Cursorbewegungen aufzeichnete. Probanden, die angaben, entnervt zu sein, bewegten ihre Maus 20 bis 30 Prozent mehr, brauchten aber gleichzeitig 20 Prozent mehr Zeit zur Navigation.

Diese Ergebnisse erlauben Jeff Jenkins die Übermittlung von Gefühlszuständen, ohne dass man Kameras, Mikrofone oder andere Sensoren einsetzen muss. Statt einer Maus lassen sich auch die Aktivitäten auf Touchscreens als Anhaltspunkte nehmen. Das System hat Jenkins bereits zum Patent angemeldet und ein Startup gegründet, das seine Entdeckung zu Geld machen soll.

Software- und Webentwickler könnten mit so einem Echtzeit-Feedback erkennen, wo viele User Schwierigkeiten haben, die sich in Tests und Betatests nicht unbedingt zeigen. Manche Probleme will man aber vielleicht gar nicht verändern - zum Beispiel die Werbung, die auf manchen Mobilseiten so platziert ist, dass man sie beim Wischen immer wieder versehentlich aufruft.

Hinsichtlich des Datenschutzes wirft die Methode unter anderem deshalb Fragen auf, weil sie nicht nur Aussagen über die Usability erlaubt: Will der Benutzer, dass ein Anbieter weiß, bei welchen Inhalten er sich ärgert? Oder sieht er das als Teil seiner Privatsphäre an, die niemanden etwas angeht? Auch Arbeitgeber könnten Daten über den Gefühlszustand ihrer Angestellten interessieren: Wie reagiert ein Mitarbeiter zum Beispiel auf das Memo des Chefs? Die verbalen und viele sichtbaren nonverbalen Signale kann er kontrollieren - aber aus seinen Mausmustern spricht das Unbewusste.

Foto: Brigham Young University

An der Erkennung solcher Signale arbeitet man auch an der der University of Michigan, wo die Informatikerin Rada Mihalcea eine Software entwickelt hat, die Lügen, welche Menschen nur zu 50 Prozent als solche erkennen, mit einer signifikant besseren Trefferquote von 75 Prozent herausfiltern soll.

Anders als ein Lügendetektor kann sie das ohne Körperkontakt und ohne Zustimmung. Die Software verlässt sich dabei nicht auf Cursorbewegungsmuster, Blutdruck, Puls oder Hautfeuchtigkeit, sondern berücksichtigt nonverbale Signale wie unruhige Hände und Blicke sowie sprachliche Auffälligkeiten wie Aehms, Pausen, Betonungen und das Erzählen in der dritten anstatt in der ersten Person. Getestet wurde das Programm bislang aber nur mit 150 Gerichtsvideos. Ein Teil davon zeigt Verdächtige, die Jurys für Lügner hielten und bei denen DNA-Tests später ergaben, dass sie unschuldig sind.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.