X-Box "kein trojanisches Pferd"

Microsoft rührte die Werbetrommel für die X-Box anlässlich der E3-Messe

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wer sich in der zweiten Hälfte der letzten Woche in der Nähe der South Figouera Street in Los Angeles aufhielt, einen leicht gehetzten Gang und etwas geschwollene Spielfinger hatte, zählte höchstwahrscheinlich zu den Besuchern der Electronic Entertainment Expo, kurz E3 genannt, dem Mekka aller Spezialisten und Fachbesucher im Bereich der digitalen Unterhaltung.

Dort standen Microsoft mit ihrer X-Box-Konsole ganz im Rampenlicht des Interesses, das sie für die Preis- und Startterminankündigung, verbundem mit einem breiten Software-Showcase nutzten. "299 Dollar" und der "8. November" heißen die magischen Worte, was den Verkaufsstart der X-Box anbelangt. Neben Sony war besonders die japanische Firma Nintendo als Hauptkonkurrent auf der Messe vorstellig geworden. Neben ihrem neuen GameBoyAdvance (deutscher Verkaufsstart: 22.Juni) ist vor allen Dingen der GameCube das neue Flagschiff. Zwischen dem Verkaufsbeginn des GameCube vom 5.November und der X-Box in Amerika liegen nun fast kindische drei Tage und dieses Kopf-an-Kopf-Rennen der Giganten wird wohl recht interessant werden.

Neben diesem Startschuss waren vor allen Dingen die Spielankündigungen der großen Entwicklerfirmen von erhöhtem Newswert. Denn ein Trend ist fast überall abzusehen: Kaum ein Anbieter hält eine der Konsolen ganz aus seiner Angebotspalette, wo früher eine ganz andere Politik gefahren wurde. Und Sega, die gerade erst die Produktion der Dreamcast-Hardware einstellten, verteilt fast wie ein lachender Vierter seine Highlights unter den Paltzhirschen am Konsolenmarkt. Aus aktuellem Anlaß sprachen wir mit Boris Schneider-Johne, früher selber Chefredakteur diverser Spielzeitschriften und seit letztem September für die Pressearbeit der X-Box in Deutschland verantwortlich.

Boris Schneider-Johne

Welchen Stellenwert hat die E3 für Microsoft?

Schneider-Johne: Die E3 ist definitiv für Microsoft und für viele andere Firmen die weltweit wichtigste Messe im Bereich der Video- und Computerspiele. Für viele japanische Firmen ist die Tokio Game Show sicherlich noch mal interessanter, aber allein weil Microsoft eine amerikanische Firma ist, hat die E3 als Messe absolute Priorität. Für das X-Box-Team ist die Messe dazu noch mal der offizielle Startschuss der Marketingmaßnahmen. Die präsentierte Soft- und Hardware wird auch genau dem entsprechen, was dann zum Weihnachtsgeschäft in Amerika verkauft werden wird.

Was sehen Sie in ihrer Funktion als deutscher Pressesprecher der X-Box als Ihre Hauptaufgabe an?

Schneider-Johne: Das ist schwer zu sagen. Die größte Herausforderung ist wohl zu beweisen, dass die X-Box ein Videospielsystem ist, das wie jede andere Konsole funktioniert, nur natürlich besser. Microsoft hat leider den Ruf, mit der X-Box eine Art trojanisches Pferd verkaufen zu wollen oder das wir das ganze Genre auf den Kopf stellen wollen. Andere behaupten, wir würden für die X-Box nur unsere PC-Spiele verwenden. Das sehe ich als meine Hauptaussage - nein, wir haben keinen Internet-Explorer auf der X-Box; und nein, wir verkaufen die X-Box nicht mit Office oder Age of Empire. Über den Schatten von Microsoft zu springen - das ist das größte Problem und eine faszinierende Aufgabe.

Herrscht diese Skepsis nur auf der Konsumentenseite oder auch bei den Entwicklern?

Schneider-Johne: Die Skepsis herrscht in der Regel bei den Konsumenten, bei den Medien und bei vielen Leuten, die sich sehr kritisch mit Microsoft auseinander setzten. Bei den Entwicklern witzigerweise nicht, da viele von diesen schon lange mit unseren Tools wie z.B. Direct-X arbeiten. Die kennen auch unseren Entwicklersupport, der über 24 Stunden steht. Den haben wir auch schnell klar machen können, dass wir die Welt nicht auf den Kopf stellen, sondern lediglich von den Gegebenheiten der Hardwareplattform andere Anforderungen haben. Sehr viele Spielentwickler waren in den letzten zwei Jahren auch recht frustriert, sich mit neuen Konsolen auseinander zu setzen und damit erst einmal nur Probleme zu haben.

Welche Message von der E3 erreicht denn den normalen Konsumenten hier in Europa?

Schneider-Johne: Für uns wäre es sehr wichtig, wenn wir auf der Messe beweisen können, dass die X-Box die eindeutig beste Hardwareplattform ist und eine große Anzahl guter Spiele zum Verkaufsstart zur Verfügung steht. Das ist das, was den Konsumenten interessiert. Wir können das lustigste Gehäuse, den schönsten Controller oder den günstigsten Preis haben, aber das wird uns nichts nutzen, wenn wir nicht die besten Spiele anbieten können. Dann werden wir niemals Nr.1 werden!

Ist diese Politik ein Wandel zu der von Sony, die bei der Einführung der PlayStation 2 eindeutig die Hardware in den Vordergrund stellten?

Schneider-Johne: Bis zu dem Zeitpunkt, wo sie selber das Spiel kaufen können und es auch selber spielen können, wird es eine Menge Leute geben, die sehr viel erzählen. Wir waren auch ein Jahr lang in dieser Rolle und wir waren auch dazu gezwungen, denn wir mussten Anfang 2000 den Entwicklern die ersten Developer-Tools zur Verfügung stellen. In den Zeiten des Internet und der sehr intensiven Berichterstattung weiß dann jeder darüber Bescheid, aber außer diesem Fakt hatten wir sonst keine Geschichte zu erzählen. Jedem Hersteller am Markt geht das genauso. Wir hatten vielleicht den Vorteil, dass wir einige technische Neuerungen in der X-Box haben, die es so vorher nicht gab. Der wichtigste Part ist da wohl die 10-Gigabyte Festplatte, die viele verschiedene Funktionen erfüllt, die aber für den Benutzer vollkommen transparent sind. Der weiß also gar nicht, dass er eine Festplatte in der X-Box hat. Der sieht nur, er braucht keine Memory Cards kaufen und es steht fast unbegrenzter Speicherplatz zur Verfügung. Zum anderen können Spiele sich Details über Wochen und Jahre merken, was bei anderen Konsolen nicht möglich ist. Bei einem Formel-1-Spiel oder einer Snowboard-Simulation findet der Benutzer seine Bremsspuren vom letzten Spiel wieder oder seine eigenen Audiodaten kann er während der Abfahrt anhören. Sprich, er muss nicht aus vorgegebenen Songs etwas auswählen, sondern kann seine eigene Musik zum Spiel laufen lassen.

Im Zusammenhang mit der Festplatte müsste doch gleich das Wort Modem fallen. Warum wird die X-Box kein eingebautes Modem haben?

Schneider-Johne: Wir glauben ganz fest an den Erfolg von Onlinespielen. Wir glauben aber auch, dass Onlinespiele im Moment noch in keiner Qualität präsentiert werden können, die der Konsolenkonsument erwartet. Ich persönlich sage dazu gerne, dass die hohe persönliche Leidensbereitschaft des PC-Spielers nicht mit einem Konsolenbenutzer verglichen werden kann. Der PC-Spieler akzeptiert gewisse Schwierigkeiten oder komplizierte Einstellungen, der Konsolenuser will ein Spiel einlegen und auch gleich loslegen. Andererseits wollen wir uns dem Thema nicht verschließen und haben deswegen einerseits die Festplatte und andererseits einen Ethernetanschluss, der die Vernetzung von mehreren Boxen ermöglicht. Der wesentliche Aspekt ist jedoch, dass in Zukunft bei höherer Verbreitung von DSL-Anschlüssen man die X-Box an solch ein Modem anhängen und dann sehr wohl Onlinegames spielen könnte. Die X-Box ist also für Onlinespiele vorbereitet, aber wir werden sicherlich nicht direkt am ersten Tag damit loslegen.

Auch in der Frage DVD hat sich Microsoft anders entschieden, obwohl für Sony gerade diese Funktion ein sehr bedeutendes Verkaufsargument war.

Schneider-Johne: Wenn wir unsere Kunden nach dem Thema DVD fragen, ist ihnen das wichtig und muss auch von einer solchen Konsole machbar sein. Wir haben dann versucht, das Thema von einer anderen Seite anzugehen und deswegen wird das Abspielen von DVD's auf der X-Box nur möglich sein, wenn man sich eine eigene Fernbedienung kauft. Mit den Joypads ist die Handhabung ja nicht gerade komfortabel und oft ist auch noch das Kabel zu kurz. Deswegen haben wir die DVD-Abspielintelligenz in die Fernbedienung verlagert, die dann extra um die 50 DM kosten wird.

Große Softwareentwickler haben im Vorfeld der E3-Messe fast alle eine über alle bekannten Konsolen reichende Veröffentlichungspalette angekündigt. Zeigt das auch das Kräfteverhältnis zwischen Sony, Nintendo und Microsoft?

Schneider-Johne: Es zeigt, dass es sich Softwarefirmen einfach nicht leisten können, ein System auszuschließen. In den ersten Verkaufstagen der Sega Dreamcast in Amerika ging der Aktienkurs von Electronic Arts in den Keller, weil sie keinen einzigen Dreamcast-Titel im Angebotssortiment hatten. Die Sportspiele von Electronic Arts können dagegen auf jeder Konsole erscheinen und da schmerzt es als Konsument, wenn man da ausgenommen wird. Ein gutes Beispiel ist dagegen LucasArts, die ihre Veröffentlichungsstrategie nach dem Zielpublikum des jeweiligen Spiels richten. So erscheint "Star Wars Obi-Wan" exklusiv für die X-Box, während "Rogue Squadron 2" auf dem Nintendo GameCube herauskommt. Stellenweise spielen technische Möglichkeiten dann noch für einen Exklusivdeal bei einen bestimmten Spieltitel auch eine Rolle.

Was wird sich preislich und technisch zwischen der US-Version der X-Box und der für Europa ändern?

Schneider-Johne: Bis zum Verkaufsstart in Europa sind es jetzt noch fast acht bis zwölf Monate, und da können im Videospielmarkt noch eine Menge Dinge passieren. Wenn Mitbewerber massiv mit ihrem Preis runtergehen, werden wir kaum auf unserem Preis des US-Geräts beharren können. Die Euroumstellung kommt auch noch mal dazu und man weiß jetzt noch nicht, wie der Einzelhandel da seine Preise neu definiert.

Ein letzte Frage, was würden Sie von einem möglichen Preis von um die 400 DM beim Nintendo GameCube halten?

Schneider-Johne: Dieser Preis wäre äußerst interessant und sehr zielgruppengerecht, da sich der GameCube sehr deutlich an jüngere Anwender richtet.