ZDF-Ausflug nach „Haribo Island“

Das ZDF duldet weiterhin Schleichwerbung im eigenen Programm

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Intendant Markus Schächter hatte erst am vergangenen Freitag vollmundig das Aus für dubiose Produktplatzierungen verkündet. Fast zeitgleich durfte Gummibärchen-Produzent Haribo in der Sendung „Hallo Deutschland“ den Gewinner einer Insel vor Kanada präsentieren. Mit dabei: ZDF-Ikone Thomas Gottschalk. Wer den Trip des Fernsehteams nach Übersee bezahlte, bleibt vorerst ungeklärt.

„Haribo macht Kinder froh und Erwachsene ebenso“ – vermutlich nicht jedoch ZDF-Intendant Markus Schächter. Dem steht wohl Ärger wegen einer gemeinsamen Werbeaktion seiner Programmleute mit dem Bonner Süßwarenhersteller ins Haus. Dabei hatte Schächter erst vergangenen Freitag im Anschluss an eine Sitzung seines Fernsehrats in Schwerin vollmundig seinen Sender für schleichwerbungsfrei erklärt: „Was in der Vergangenheit Kritik ausgelöst hat, haben wir zügig abgestellt."

Gemeint hat er damit die dubiosen Produktplatzierungspraktiken, von denen auch das ZDF in der Vergangenheit nicht verschont geblieben war. Das sei nun nicht mehr möglich, versicherte der oberste Dienstherr aller Mainzelmännchen weiter, schließlich habe man im Jahr 2004 „Kontrollmechanismen“ eingeführt, die sich als wirksam erwiesen hätten.

Mit Haribo und Tommy in der kanadischen Wildnis

Dass diese „Kontrollmechanismen“ wohl doch noch gewaltige Lücken haben, zeigte sich noch am selben Tag. Am späten Freitagnachmittag wurde im Boulevardmagazin „Hallo Deutschland“ erneut kräftig Schleichwerbung betrieben – diesmal für „Haribo“. In einem Beitrag war ZDF-Superstar Thomas Gottschalk zu sehen, wie er als zünftiger Naturbursche verkleidet, den Gewinner einer Internetaktion des Gummibärchen-Produzenten samt bestem Freund und Eltern auf einem abgelegenen Eiland vor der Ostküste Kanadas begrüßte.

Matthias Roß, so der Name des jungen Mannes aus der Nähe von Aschaffenburg, hatte im Mai dieses Jahres unter rund 700.000 Teilnehmern die Insel gewonnen. Jetzt half ihm Gottschalk bereitwillig bei der Inspektion seines 50.000 Quadratmeter großen Besitzes, gab vermeintlich kluge Ratschläge für das Überleben in der Wildnis und paddelte für das Kamerateam mit dem Industriemechaniker am Ufer von „Haribo Island“ entlang. Damit bei den Fernsehzuschauern zu Hause erst gar keine Zweifel über den Spender des Gewinns im Wert von rund 200.000 US-Dollar aufkamen, wurde gleich noch ein Stück der Original-Gummibärchenwerbung mit Gottschalk und dem Markennamen „Haribo“ eingeblendet.

Keine Antwort aus Mainz

Angesichts der anhaltenden Diskussion um Schleichwerbung und unter dem besonderen Eindruck der vollmundigen Versprechungen von Intendant Schächter stellt sich nun die Frage, wer den Trip des Fernsehteams nach Kanada finanziert hat? Das ZDF scheint in Erklärungsnot geraten zu sein. Auf eine entsprechende Anfrage schweigt Pressesprecher Walter Kehr bislang beharrlich.

Wohl nicht ohne Grund: Die Bestätigung einer Finanzierung durch „Haribo“ hätte vermutlich den nächsten „Schleichwerbungsskandal“ zur Folge. Andererseits könnten die öffentlich-rechtlichen Fernsehmacher kaum erklären, warum sie auf Kosten der Gebührenzahler ein Team in die kanadische Wildnis schicken, um die Gewinnübergabe der „Haribo-Aktion“ zu filmen. Auch der Gummibärchenproduzent wollte auf Anfrage bislang nicht verraten, ob er die Fernsehproduktion teilweise oder gar ganz finanziert hat. „Hallo Deutschland“-Moderatorin Yvonne Ransbach kam die Sache indes offenbar schon nach Ausstrahlung des „Haribo-Filmchens“ am Freitag nicht geheuer vor. Die ZDF-Frau wirkte sichtlich verlegen, als sie mühsam zum nächsten Magazinbeitrag überleiten wollte.

Stellungnahme des ZDF zu dem Beitrag „ZDF-Ausflug nach „Haribo Island“

Nachdem das ZDF unsere Anfrage vor Fertigstellung des Artikels nicht beantwortet hatte, ging nach der Vorabveröffentlichung der „Rosenheimer Nachrichten“ am Dienstag (11. Oktober 2005) folgende Stellungnahme ein:

Die Redaktion "hallo Deutschland" hat das Filmmaterial (Gewinner besucht zum ersten Mal Insel in Kanada) von einer freien Produktionsfirma zu einem marktüblichen Preis angekauft. Die Firma hatte das Material allgemein - also nicht nur dem ZDF - angeboten. Der Beitrag selbst wurde von der Redaktion "hallo Deutschland" in Mainz erstellt. Die Redaktion "hallo deutschland" hat sich aus rein journalistischen Gründen für die Berichterstattung entschieden. Die Originalität des Themas - die Verlosung einer Insel - und das Treffen von Thomas Gottschalk mit dem Gewinner waren für ein Boulevardmagazin wie "hallo deutschland" ein berichtenswertes Thema. Außer "hallo Deutschland" haben auch viele andere Medien über die ungewöhnliche Aktion berichtet. In dem Beitrag wurde ein kurzer Ausschnitt aus dem Gewinnspiel-Trailer gezeigt. Dieser war eindeutig als solcher erkennbar und wurde außerdem unmißverständlich angetextet ( "Thomas Gottschalk hat dafür geworben"). Das hat mit Schleichwerbung nichts zu tun. Auch über andere Werbekampagnen - denken Sie an Benetton - wurde und wird in den Medien berichtet. Das Zitieren von Ausschnitten aus den entsprechenden Werbefilmen ist, soweit journalistisch motiviert, legitim.

ZDF - Alexander Stock - HA Kommunikation Leitung