Zahl der Unterernährten steigt

Hauptproblem sind die Megastädte

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In ihrem jährlichen Bericht meldet die FAO, daß seit den 90er Jahren die Zahl der chronisch unterernährten Menschen weltweit wieder ansteigt, nachdem sie zuvor zwei Jahrzehnte lang kontinuierlich abgenommen hat.

Der lange Boom der Globalisierung hat offenbar nicht zur Verbesserung der Ernährungsgrundlage geführt. Die FAO schätzt, daß es weltweit, vor allem aber in Afrika südlich der Sahara und in Asien, 828 Millionen Menschen gibt, die chronisch unterernährt sind. Zwar sei der Anteil der Unterernährten von 20 auf 19 Prozent der Weltbevölkerung gesunken, aber das sei nicht ausreichend zur Kompensation des Bevöljerungswachstums. Grund sei neben klimatischen Veränderungen wie El Nino, der allein in 40 Ländern zu Lebensmittelknappheiten geführt habe, daß man mit der Armutsbekämfung keine Erfolge erzielt habe und daß die wachsende Kluft der Einkommensverteilung in vielen Ländern das Problem noch weiter verschärfe. Noch 1996 war auf dem World Food Summit optimistisch gestimmt gewesen, bis zum Jahr 2015 mindestens die Zahl der hungernden Menschen halbieren zu können. Das scheint mit dem gegenwärtigen Trend jedoch nicht mehr möglich zu sein. Die 1996 unterzeichnete Rome Declaration on World Food Security hatte das Recht aller auf ausreichende und gute Ernährung sowie auf Freiheit vom Hunger erklärt.

Das Prinzip ist einfach, aber teuflisch: Länder mit einem hohen Anteil an armen und unterernährten Menschen haben die geringsten Chancen, daß das Einkommen der Bevölkerung wächst. Einzig diejenigen Staaten, in denen im Zeitraum zwischen 1985 bis 1995 bereits weniger als 20 Prozent der Bevölkerung unterernährt waren, konnten Einkommenszuwächse pro Kopf der Bevölkerung verzeichnen. Aus eigener Kraft ist es offenbar den im Circulus vitiosus gefangenen Ländern nicht möglich, aus der Abwärtsspirale herauszutreten.

Schlimmer könnte alles noch werden, wenn die Städte weiterhin so schnell wachsen wie bisher. Bis zum Jahr 2005 werden nach der FAO über die Hälfte aller Menschen in Städten wohnen, wobei 90 Prozent des urbanen Wachstums in den nächsten 20 Jahren in den Städten der Entwicklungsländer stattfinden werden. Bis zur Jahrtausendwende wird es 20 Megastädte mit über 10 Millionen Einwohnern geben, die sich fast alle in der Dritten Welt befinden. Die Zahl der armen Stadtbewohner werde bis zum Jahr 2000 von 400 Millionen auf eine Milliarde ansteigen, was zu einer "anarchischen Ausbreitung" von Slums, Krankheiten, Korruption und Inflation führe.

Arme Menschen in Städten geben mit 80 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel weit mehr aus als Landbewohner, die daher in aller Regel auch besser ernährt sind. Die Versorgung mit Lebensmitteln geschieht in aller Regel durch kleine Märkte und Straßenverkäufer. Die Städte wachsen jedenfalls derart explosiv, daß der Ausbau der urbanen Infrastrukturen, vor allem die Koordination von Produzenten, Transporteuren und Verkäufern, nicht mehr nachkomme, um die Ernährung sicherzustellen. Eine Stadt mit 10 Millionen Einwohnern muß täglich mindestens 6000 Tonnen Lebensmittel einführen.

Um die Ernährung für eine Weltbevölkerung sicherzustellen, so die FAO, die von 5,7 Milliarden Menschen auf 8,7 Milliarden im Jahr 2030 ansteigt, muß die Agrarproduktion schnell intensiviert werden, während man gleichzeitig die natürlichen Ressourcen besser schonen müsse. Wichtig sei vor allem, daß bilaterale und multilaterale Hilfen für die Landwirtschaft wieder wachsen, die zwischen 1982 und 1992 von 10 Milliarden auf 7,2 Milliarden US-Dollar abgenommen haben. Prinzipiell aber sei die Möglichkeit vorhanden, die zur ausreichenden Ernährung der Weltbevölkerung notwendigen zusätzlichen Lebensmittel herzustellen, da der Hunger vornehmlich ein Ergebnis falscher Entwicklungspolitik ist.