Zerbricht Deutschland?

Zur aktuellen Situation der Separatisten in Bayern

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Wird das schottische Referendum zur Unabhängigkeit des Landes zum Menetekel für Deutschland? Fallen demnächst Bayern, dann Franken und schließlich gar Coburg von Rest-Deutschland ab und gleichzeitig auseinander? Ein Blick auf die bayerische Separatistenszene.

Logo der Bayernpartei

Das Zentrum der bayerischen Unabhängigkeitsbewegung liegt an der Münchner Baumkirchner Straße 20 gegenüber der Bäckerei Aumüller und dem neben dem Pizzaservice Pikant. Hier schaltet und waltet Florian Weber, der Landesvorsitzende der Bayernpartei (BP), und der sagt: "Für Bayern hätte die Unabhängigkeit viele Vorteile." Welche, ist auf der Homepage der weißblauen Separatisten zu lesen: Bayern sei der Zahlmeister Deutschlands ist da zu lesen und: "Um Bayerns Wohlstand für künftige Generationen zu sichern, müssen wir den nivellierenden Einfluß der Bundesrepublik ausschalten und die EU direkt mitgestalten." Dazu sei es notwendig, den Schuldenstaat Deutschland früh genug zu verlassen, "bevor uns die Berliner Republik mit ihrer überbordenden Staatsverschuldung in eine Situation führt, aus der wir uns selbst nicht mehr befreien können".

Bisher war die Bayernpartei so wie die Königstreuen eher ein folkloristischer Flecken in der weißblauen politischen Landschaft. Doch seitdem klar ist, dass die Schotten jetzt über ihre Unabhängigkeit abstimmen, ist das Wasser auf die Mühlen der bayerischen Separatisten: "Wir von der Bayernpartei wünschen unseren schottischen Freunden von Herzen einen Sieg beim Referendum!", so das Statement der Partei auf ihrer Website. Denn ein "Yes" würde sich auch auf andere Regionen in Europa positiv auswirken.

In den 1970er Jahren gab es jene Witze über weißblaue Schlagbäume an der Grenze zum Franz-Josef-Strauß-Land, an dem die damals noch kritischen Magazine "Stern" und "Spiegel" abgefangen würden. War nicht ganz an den Haaren herbeigezogen, hatte sich doch der Bayerische Rundfunk aus einer "Scheibenwischer"-Sendung mit dem Kabarettisten Dieter Hildebrandt über die Folgen von Tschernobyl am 22. Mai 1986 völlig ausgeblendet. Und so ganz an den Haaren herbeigezogen ist auch das separatistische Wirken der Bayernpartei nicht. Hat doch eine Umfrage der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung von 2009 mit dem Titel "Heimatgefühl und Leben in Bayern" ergeben, dass immerhin 23 Prozent der Befragten einen eigenständigen bayerischen Staat befürworteten und 16 Prozent meinten zumindest teils/teils.

Freilich, noch lehnt eine deutliche Mehrheit von 56 Prozent eine bayrische Eigenstaatlichkeit ab. Aber die Positionen polarisieren sich, so jedenfalls die Studie: "Ungeachtet der im Vergleich zu 2003 stabilen Einstellungsmuster fällt auf, dass die Befürwortung oder Ablehnung aller unterschiedlichen Aspekte etwas polarisierter ausfällt." Und jenseits der Frage nach der Eigenstaatlichkeit wünschten sich immerhin 59 Prozent mehr allgemeine Unabhängigkeit für Bayern. Dafür plädieren vor allem die Bewohner des Großraum Münchens sowie die Niederbayern und Schwaben sowie die Älteren.

Es geht um Geld, Macht und Größe

Die 1946 gegründete Bayernpartei - eine "regionalistisch-separatistische Partei mit wertkonservativem Programm" (Wikipedia) - bekam bei der Landtagswahl 2013 2,1 Prozent der Stimmen, hat aber schon bessere Zeiten hinter sich. 1950 hatte sie immerhin 17,9 Prozent der Stimmen eingesammelt, 1954 noch 13,2 Prozent. Dann wurde sie in der sogenannten Spielbankenaffäre von der CSU in die Zange genommen. Während die Christsozialen zur Staatspartei mit absoluten Mehrheiten aufstiegen, begann der Niedergang der Bayernpartei. Freilich, auch die CSU liebäugelte zwischendurch und immer wieder mit einer staatlichen Unabhängigkeit Bayerns. So zuletzt das CSU-Urgestein und ehemalige "Bayernkurier"-Chefredakteur Wilfried Scharnagl 2012 in seinem Buch "Bayern kann es auch allein".

Die Argumente für eine Abtrennung Bayerns von Rest-Deutschland sind dabei denen von der Bayernpartei nicht allzu verschieden: Es geht um Geld, Macht und Größe. Da ist etwa der dumme Gedanke des Grundgesetzes, dass die Lebensverhältnisse der Menschen sich in den verschiedenen Regionen annähern sollen. Schön und gut, solange man nicht selbst davon profitiert und es an den eigenen Geldbeutel geht.

"Der Haushalt der Bundesrepublik Deutschland speist sich zu über einem Viertel aus bayerischen Steuergeldern. Die bayerischen Steuerzahler zahlen an den Bund und an andere Bundesländer mehr als 16 Mrd. Euro jährlich mehr ein, als nach Bayern wieder zurück fließt", beklagt die Bayernpartei. Dabei sei Bayern auf Rest-Deutschland gar nicht angewiesen: "Weder finanziell noch politisch ist Bayern auf die Bundesrepublik angewiesen. Die Höhe der geleisteten Sozialabgaben, das Steueraufkommen, und auch die Wirtschaftsleistung liegen weit über dem Bundesdurchschnitt." Und Bayern sei wahrlich kein Kleinstaat: "Bayern ist unter den 28 EU-Staaten gemessen an seiner Bevölkerung der neuntgrößte und steht mit seinem Gesamt-Bruttoinlandsprodukt an siebter Stelle. Wirtschaftlich gesehen ist Bayern einer der bedeutendsten Staaten in Europa."

Wie auch immer, seitdem klar ist, dass die Schotten abstimmen, klingelt in der BP-Zentrale an der Baumgartner Straße das Telefon, die internationale Presse will wissen, wie es in Bayern mit dem Separatismus stehe. "Entscheidend ist, ob die Bevölkerung das will", sagt dann BP-Chef Weber. Er würde es auch verschmerzen, wenn sich im Fall der Fälle dann auch die Franken selbstständig machten und sich von Bayern lösten. Hat sich doch 2009 in Bamberg bereits die Partei für Franken gegründet, die gegen die Vorherrschaft Altbayerns rebelliert. Und wer weiß noch, dass Coburg von 1918 bis 1920 ein eigenständiger Freistaat war?

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