Ziegen mit Spinnengenen

Die kanadische Firma Nexia will mit geklonten transgenen Ziegen in deren Milch die Proteine bioindustriell herstellen, die Spinnen für die superleichten und superstarken Fäden ihrer Netze verwenden

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Die Gentechnologie scheint nahezu unendliche Möglichkeiten der Kombination zu eröffnen. Manchmal erscheint es so, als würde man eine Art Roulette mit all den Optionen eröffnen, die während der Milliarden von Jahren der Evolution geschaffen worden sind. Alles, was von Organismen irgendwie produziert werden kann, lässt sich, wenn es in anderer Form gebraucht wird, auch von anderen Organismen "ernten". Dabei entstehen die seltsamsten Kombinationen. So will eine kanadische Firma in geklonten transgenen Ziegen Spinnenseide in größeren Mengen herstellen, wodurch andererseits Ziegen zu Produktionsmaschinen werden.

Seide von Spinnen ist nicht nur superleicht und dünn, sondern auch stärker und dehnbarer als Stahl. Überdies wären Spinnenfäden biokompatibel, also ein wertvolles Biomaterial für industrielle und medizinische Anwendungen. Allerdings lässt sich Seide von Spinnen nicht in größeren Mengen gewinnen, denn diese Tiere sind für Zuchtbedingungen im Unterschied etwa zu Seidenraupen nicht sozial genug oder einfach zu aggressiv.

Im Januar dieses Jahres hatte die kanadische Firma Nexia Biotechnologies mit Sitz in Quebec für das Produktionsproblem bereits eine Lösung geschaffen und meldete die Geburt von zwei ersten transgenen "BioSteel"-Ziegen: "Webster und Peter sind einzigartige Ziegen, weil sie ein in ihrem Ergbut von 70000 Genen auch ein Spinnenfadengen besitzen." Aus diesen beiden Ziegen, die sich jetzt in den USA befinden, soll schließlich eine große Ziegenherde entstehen, die in ihrer Milch "BioSteelTM"-Seienproteine haben. Das sei, so die Biotech-Firma, noch dazu eine "umweltfreundliche und anhaltende" Produktion, also ökologisch korrekt. Um die Seide von Spinnen zu gewinnen, müssen also nur noch Ziegen gemolken werden - hofft man wenigstens bei Nexia. Begonnen werden soll damit im vierten Quartal dieses Jahres. 2-15 Gramm der rekombinierten Proteine seien pro Liter in der Milch der Ziegen dann zu finden.

Die BioSteelTM-Fäden werden von der Firma für zwei Märkte entwickelt, nämlich für industrielle und für medizinische Anwendungen, z.B. für die Verschließung von Wunden, für Prothesen oder für die Herstellung von Gewebe. Das Protein, das noch nicht zu Fäden gesponnen ist, wird unter der Handelsmarke BioSilx direkt für die Kosmetik vermarktet, beispielsweise um die Haut zu stützen und elastischer zu machen. BioSteel hingegen dient als Material auch zur Herstellung von Schutzkleidung und wird zusammen mit der kanadischen Luftwaffe entwickelt. Ansonsten wäre das Biomaterial noch für Flugzeuge oder Rennautos interessant.

Webster und Peter, die beiden Spinnenschafe

Spinnen stellen aus dem löslichen Protein durch einen irreversiblen Prozess in den entsprechenden Drüsen die Fäden her, aus denen sie Netze, aber auch die Kokons für Eier spinnen. Interessant aber seien wegen ihrer mechanischen Eigenschaften nur die Fäden für die Netze.

Nexia hat bereits 1998 eine transgene Ziege hergestellt, in deren Milch ein menschliches Protein enthalten ist. Darauf folgten im letzten Jahr die weltweit ersten geklonten Schafe. Und jetzt eben die ersten geklonten und das Protein von Spinnen herstellenden Ziegen. Nach Nexia seien Ziegen deswegen geeignete "Systeme", weil es zwischen den Spinndrüsen der Spinnen und den Brustdrüsen der Ziegen anatomische Ähnlichkeiten gebe. In beiden Fällen würden die Zellen wasserlösliche komplexe Proteine in großen Mengen herstellen und ausscheiden. Da Ziegen nicht viel Pflege bedürfen, könne man so günstiger das Material herstellen, als wenn man vergleichbares Plastik produziere, das überdies schwerer und weniger dehnbar sei.

Vor den Spinnenfädenproteine herstellenen Ziegen hatte man bereits mit Zellkulturen von Brustdrüsen in vitro das Spinnenprotein herstellen können. Danach habe man es mit dem eigenen transgenen "BELE-Ziegensystem" (Breed Early, Lactate Early) versucht und zeigen können, dass die Spinnengene wie gewünscht in allen Brustdrüsenzellen von Ziegen vorhanden sind.

Die Ziegen des "BELE-Systems" sind nicht nur kleiner als normale Ziegen und brauchen so, wie die Firma schreibt, weniger Nahrung und weniger Platz, sie können sich auch früher vermehren und sind das ganze Jahr über fortpflanzungsfähig, weswegen mit ihnen schneller eine beliebige Herde transgener Schafe zur Produktion von bestimmten Proteinen hergestellt werden kann. Dabei werden Embryos, die die gewünschte DNA enthalten, von BELE-Ziegen in normale Ziegen eingepflanzt.