Zwang zum Volksentscheid bei Privatisierungen

Die Bremer Bürgerschaft baut direktdemokratische Instrumente aus

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Die Freie Hansestadt Bremen scheint derzeit das Bundesland, in dem am intensivsten über einen Ausbau direktdemokratischer Instrumente debattiert wird. Das liegt auch an der Bremer CDU, die solche Pläne anders als die Bundespartei nicht vollständig blockiert. Stattdessen legte sie einen Gesetzentwurf vor, nach dem für Volksbegehren zur Änderung der Landesverfassung nur mehr von 10 statt 20 Prozent der stimmberechtigten Einwohner unterschrieben werden müssen, damit sie zur Abstimmung kommen. Dort gilt bisher ein recht hohes Zustimmungsquorum von 50 Prozent aller Stimmberechtigten, dass dem Entwurf nach auf 40 Prozent abgesenkt werden soll.

Weil sich alle anderen Gruppierungen in der Bürgerschaft diesem Gesetzentwurf anschlossen, wurde er gestern in Erster Lesung einstimmig angenommen. Geht er weiter seinen Weg, dann wäre Bremen nach Bayern, Hamburg und Thüringen das vierte Bundesland, in dem das Zustimmungsquorum für verfassungsändernde Volksentscheide unter 50 Prozent liegt. Außerdem regelt der Entwurf, dass zukünftig auch "elektronische Unterschriften" anerkannt werden. Die Details, welche Kriterien diese erfüllen müssen, sind jedoch noch offen. Als sicher gilt lediglich, dass die bloße Angabe einer E-Mail-Adresse nicht reichen wird.

Bremer Parlament. Foto: AssetBurned. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Wichtiger sind vielen Bremern zwei ebenfalls gestern behandelte Anträge, die regeln sollen, wann eine Regierung zukünftig dazu verpflichtet ist, einen Volksentscheid abzuhalten. Hier sind SPD/Grüne und CDU unterschiedlicher Meinung: Die CDU möchte solch eine Verpflichtung nur bei Verfassungsänderungen einführen. SPD und Grüne haben dagegen einen Antrag ausgearbeitet, der auch eine Privatisierung von "öffentlichen Unternehmen, die dem Gemeinwohl dienen" ohne Volkszustimmung unmöglich machen würde. In den Abstimmungen nach der Ersten Lesung wurde der CDU-Antrag entsprechend den Mehrheitsverhältnissen in der Bürgerschaft abgelehnt und der weitgehendere von SPD und Grünen angenommen. Die Zweite Lesung findet voraussichtlich im Oktober statt.

Mit einer Volksabstimmungspflicht vor Privatisierungen wäre das Bundesland nach Auskunft von Michael Efler vom Verein Mehr Demokratie "deutschlandweit Vorreiter". Die zahlreichen Volks- und Bürgerbegehren zur Privatisierung von Wasserwerken, Energieversorgern und Krankenhäusern sind seiner Ansicht nach ein Zeichen dafür, dass in dieser Frage ein besonderer Bedarf der Bürger nach direkter Mitsprache besteht. Eine erhöhte Bürgerkontrolle solcher Fragen zur Daseinsvorsorge hält er aber auch deshalb für "durchaus sinnvoll", weil Privatisierungsentscheidungen "faktisch nur sehr schwer rückgängig zu machen sind", wie aktuell das Beispiel der Berliner Wasserbetriebe zeigt.

Abschließend abgestimmt wurde gestern nur über einen Entschließungsantrag von SPD und Grünen, der den Senat auffordert, sich im Bundesrat für die Einführung bundesweiter Volksentscheide einzusetzen. Hier enthielt sich die Union. Nachdem unlängst der Landtag in Schleswig-Holstein die Kieler Landesregierung auf eine Volksinitiative hin ebenfalls zum Einsatz für eine entsprechende Bundesratsinitiative verpflichtet hat, wird dieser Weg zu einer Grundgesetzänderung auch in anderen Bundesländern als immer interessantere Option betrachtet.

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